19. Juni 2015
Es war vielleicht die vorentscheidende, auf jeden Fall aber eine der wichtigsten Runden des Turniers. In der fünften Runde wartete auf unsere Mannschaften der Gastgeber aus Österreich mit Spitzenbrett Markus Ragger. Nicht nur auf die Startrangliste, sondern auch auf die Tabelle nach der vierten Runde in der offenen Kategorie, bezogen, bedeutete das Nummer 1 (Österreich) gegen Nummer 2 (Deutschland).
Spannung war also vorprogrammiert, die Mannschaft sich der Bedeutung bewusst, die dieses Match für den Ausgang des Turniers haben würde. Das merkte man selbst aus der Ferne. Die Partien waren ausgekämpft, mit offenem Visier, eine Philosophie die unser Bundestrainer den SpielerInnen eingeimpft haben wird. Gegen die, ungefähr, gleich starken Österreicher standen schnell vier spannende Stellungen auf dem Brett.
Fangen wir bei Brett 1 an. Hier spielte einer unser Schachprinzen, GM Matthias Blübaum mit einer glatten Elozahl von 2600, gegen die Nummer 1 aus Österreich Markus Ragger, der seit einiger Zeit vor dem Sprung zum Super-GM steht. Matthias wählte gegen Raggers Grünfeld-Inder eine moderne Variante mit frühem Ld2 und erarbeitete sich aus der Eröffnung, so mein Eindruck, einen kleinen Vorteil. Doch dann spielte Ragger eine extrem starke Partie, so viel ehrliches Lob muss sein. Bei der Durchsicht der Partie konnte ich keinen Fehler von Matthias erkennen. Klar, wenn man eine Partie verliert hat man nicht immer den besten Zug gemacht. Aber wenn, waren es kleine Ungenauigkeiten. Ragger machte selbst diese kleinen Ungenauigkeiten nicht und so glich Ragger zunächst aus und baute sich Stück für Stück einen Vorteil auf, den er im Endspiel dank einer Fesselung auf Matthias' Springer, verwertete.
An Brett 2 spielte der andere Schachprinz beim Mitropa-Cup GM Dennis Wagner gegen GM David Shengelia mit den schwarzen Steinen. Shengelia spielte mit Weiß eine Variante die zwar nicht als harmlos, aber als tendenziell ausgeglichen gilt. Es entwickelte sich eine spannende Partie, in der Shengelia immer wieder drohte mal mit e4-e5 das Zentrum zu öffnen. Dennis stellte sich jedoch nicht passiv auf, sondern spielte auf den vollen Punkt, mit vollem Risiko. Nach einer Reihe von Komplikationen fand sich Dennis in einem schlechteren Turmendspiel wieder.
Zum Glück habe ich beim Neckar-Open mit einem katastrophalen Turmendspiel gegen Arkadij Naiditsch bewiesen, dass ich von sowas keine Ahnung habe und mich damit einer Meinung enthalte darf, ob sich das Turmendspiel von Dennis immer in der Remisbreite bewegte. Mein Gefühl jedoch ist, dass Dennis sehr wohl wusste was er tat und das Endspiel endete relativ schnell mit der Punkteteilung.
An Brett 3 spielte IM Andreas Heimann mit den weißen Steinen gegen die Caro-Kann-Verteidigung von IM Robert Kreisl. Andreas sicherte sich ganz kleine Vorteile, die wieder in einem Turmendspiel gipfelten. Diesmal allerdings mit Vorteilen für die deutsche Seite. Wie bereits erwähnt, Turmendspiele und ich sprechen im Moment nicht miteinander, aber entweder die Internetübertragung stimmte am Ende nicht, die Engine versteht die Stellung nicht oder beide Seiten haben nicht immer die beste Fortsetzung gefunden. Am Ende ging die Partie so oder so Remis aus.
IM Elisabeth Pähtz spielte gegen IM Mario Schachinger die Slawische Verteidigung. Auch ein Zeichen, dass sie keine Angst vor Komplikationen hatte. Das zeigte sich auch im Laufe der Partie, als Elisabeth um Gegenspiel zu erhalten, trotz eigener kurzer Rochade mit g7-g5 am Königsflügel losmarschierte. Dieses Vorgehen kostete beide viel Zeit auf der Uhr, und so war beim 20. Zug schon einige Zeit ins Land gegangen. Schachinger, es gibt schlimmere Namen für einen Schachspieler, verteidigte sich stark und so reichte ein ungenauer Zug von Schwarz in komplizierter Stellung, um die Partie zu Gunsten von Schachinger zu entscheiden.
Am Ende stand als ein bitteres 1:3. An diesem Tag war das Ergebnis, der Sieg für Österreich, verdient. Aber unsere Jungs und unsere Dame im offenen Turnier haben alles gegeben, der Wille zum Sieg war in jeder einzelnen Partie vorhanden. „Alle tun ihr Bestes“ hat Dorian vor einigen Tagen mitgeteilt. Das hat man heute gesehen, auch wenn es am Ende nicht gereicht hat. Den Schachfans wurde heute aber ein spannendes Match geliefert!
Die Deutschen stehen zusammen mit der Slowakei nun weiterhin auf Platz zwei. Also, weiterkämpfen und schauen was noch geht. Auch die Österreicher können noch stolpern.
5 | Deutschland | Elo | 1:3 | Österreich | Elo |
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1 | GM Matthias Blübaum | 2600 | 0:1 | GM Markus Ragger | 2676 |
2 | GM Dennis Wagner | 2569 | ½:½ | GM David Shengelia | 2573 |
3 | IM Andreas Heimann | 2551 | ½:½ | IM Robert Kreisl | 2441 |
4 | IM Elisabeth Pähtz | 2458 | 0:1 | IM Mario Schachinger | 2416 |
Pl. | Mannschaft | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | MP | BP |
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1. | Österreich | * | 3 | 3 | 2½ | 2½ | 3 | 10 | 14,0 | |||||
2. | Deutschland | 1 | * | 2 | 2½ | 3½ | 3 | 7 | 12,0 | |||||
3. | Slowakei | 1 | 2 | * | 3½ | 2½ | 3 | 7 | 12,0 | |||||
4. | Tschechien | ½ | * | 1 | 2 | 3 | 2½ | 5 | 9,0 | |||||
5. | Schweiz | 1½ | 3 | * | 2 | 2 | 1½ | 4 | 10,0 | |||||
6. | Kroatien | 2 | 2 | * | 1½ | 2 | 2 | 4 | 9,5 | |||||
7. | Frankreich | 1½ | 1 | 2 | 2½ | * | 2 | 4 | 9,0 | |||||
8. | Italien | 1½ | ½ | 1½ | 2 | * | 3½ | 3 | 9,0 | |||||
9. | Slowenien | 1½ | 2 | 2 | ½ | * | 2 | 3 | 8,0 | |||||
10. | Ungarn | 1 | 1 | 1 | 2½ | 2 | * | 3 | 7,5 |
Unser Frauenteam trennte sich von den Österreicherinnen 1:1 und behält damit dritten Platz inne.
Sarah Hoolt an Brett 1 spielte gegen Veronika Exler. Aus der Eröffnung sicherte sie sich, dank des Läuferpaars einen Vorteil, übersah dann aber leider eine taktische Pointe und büßte einen Bauer ein. Sarah spielte weiter offensiv, holte sich den Minusbauer zurück und endete in einem Endspiel mit Turm/Läufer gegen Turm/Springer, indem Sarah aufgrund des Läufers besser stand. Die Stellung bewegte sich aber immer in der Remisbreite und so wurde die Friedenspfeife nach deutlich über 50 Zügen geraucht.
Judith rundete den „Tag der Turmendspiele“ ab. Mit ihrer Caro-Kann-Verteidigung erreichte sie schnell Ausgleich. Ihre Gegnerin Katharina Newrkla spielte die Abtausch-Variante und keiner der beiden kam in nennenswerten Vorteil. Das bereits erwähnte Turmendspiel war zwar leicht besser für Judith, aber ernsthafte Gewinnversuche waren nicht möglich. Die deutschen Damen belegen also Platz 3 und sind voll im Soll!
5 | Deutschland | Elo | 1:1 | Österreich I | Elo |
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1 | WGM Sarah Hoolt | 2283 | ½:½ | WFM Veronika Exler | 2193 |
2 | WIM Judith Fuchs | 2286 | ½:½ | WFM Katharina Newrkla | 2153 |
Pl. | Mannschaft | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | MP | BP |
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1. | Ungarn | * | 1 | 1½ | 2 | 1½ | 2 | 9 | 8,0 | |||||
2. | Italien | * | 1½ | 1 | 1 | 1½ | 2 | 8 | 7,0 | |||||
3. | Deutschland | 1 | ½ | * | 1½ | 1 | 2 | 6 | 6,0 | |||||
4. | Slowakei | ½ | ½ | * | 1 | 1½ | 2 | 5 | 5,5 | |||||
5. | Österreich I | 0 | 1 | 1 | 1 | * | 1½ | 5 | 4,5 | |||||
6. | Slowenien | ½ | 1 | ½ | * | 1½ | 1 | 4 | 4,5 | |||||
7. | Tschechien | ½ | 0 | * | 1 | 1 | 2 | 4 | 4,5 | |||||
8. | Österreich II | ½ | ½ | 1 | * | 0 | 2 | 3 | 4,0 | |||||
9. | Schweiz | 0 | 0 | 1 | 2 | * | ½ | 3 | 3,5 | |||||
10. | Kroatien | 0 | 1 | 0 | 0 | 1½ | * | 3 | 2,5 |
Es gab bisher bessere Tage für die Deutschen beim Mitropa-Cup in Mayrhausen. Nun stehen noch vier wichtige Runden an und die Mannschaften werden alles geben, um am Ende eine möglichst gute Platzierung zu erreichen. Weiter Daumen drücken, heute gegen Slowenien!
Jonathan Carlstedt
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19886