12. Mai 2025
München 2025 – Die Titelkämpfe der Frauen bieten ein Top-Teilnehmerfeld, sieht man mal von der fehlenden GM Elisabeth Pähtz ab. Und alle Teilnehmerinnen betonen immer wieder: In München wird es wohl auch um die Tickets für die Mannschafts-EM in Georgien im Herbst gehen. So sieht es WGM Kateryna Dolzhykova. Die 36-Jährige ist in München bei der Deutschen Frauen-Einzelmeisterschaft an Nummer drei gesetzt – hinter IM Dinara Wagner und FM Lara Schulze, die einen gewaltigen Elo-Satz gemacht hat. Im Interview mit Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit macht Dolzhykova über ihre Ambitionen keinen Hehl. Worüber sie hingegen nicht mehr so gerne sprechen will, ist ihre Ehe mit GM Sergey Karjakin, Putins Schachagitator. Der FAZ hat sie einmal gesagt, das sei ein „furchtbarer Fehler in meiner Jugend“ gewesen. Heute sagte sie auf die Fragen zu diesem Thema: „Dies ist nicht mehr mein gegenwärtiges Leben. Es gibt keine Schnittpunkte mehr.“ Kurzum: Der Blick geht nach vorne. Erstmal nach München.
Du spielst seit 2023 für den deutschen Verband, wurdest in dem Jahr gleich Deutsche Meisterin. Was bedeutet Dir dieser Titel?
Er hat mich sehr glücklich gemacht – und war damals für mich ein wichtiger Schritt im Schach. Auch, um in Deutschland sportlich anzukommen.
Wie sehr ärgerst Du Dich noch, dass Du den Titel 2024 in Ruit nicht verteidigen konntest? Und: Wie groß ist Dein Ehrgeiz, ihn Dir 2025 in München zurück zu holen?
Ein Spiel ist ein Spiel. Damit will ich sagen: Ich kann jetzt nicht planen, in München wieder zu gewinnen. Das wird sich zeigen. Mein Plan ist es, einfach gut zu spielen.
Wie schätzt Du das Teilnehmerfeld in München ein? Wie hart wird es? Wer sind Deine größten Konkurrentinnen?
Ich will da keine Namen nennen. Die Zusammensetzung des Teilnehmerfeldes ist ziemlich stark. Alle verfügen über gute Erfahrungen - und ich betrachte alle Teilnehmerinnen des Turniers in gewisser Weise als meine Hauptkonkurrenten.
Viele sprechen derzeit von einer Krise im deutschen Frauenschach. Auslöser war das schwache Abschneiden der vier Spielerinnen bei der Einzel-WM auf Rhodos, auch die Platzierung bei der Olympiade 2024. Wie siehst Du das Niveau im deutschen Frauenschach?
Das Leben besteht aus Veränderungen und Entwicklungen, auch im Schach. Dieses Jahr entsprechen die Erfolge möglicherweise nicht den Erwartungen, nächstes Jahr könnte sich das jedoch schon wieder ändern - und zwar grundlegend. Ich glaube an das deutsche Frauenschach und seine erfolgreiche Entwicklung in der Zukunft.
Nach 125 Jahren findet wieder eine Deutsche Meisterschaft in München statt. Die Landeshauptstadt von Bayern und die Location ist ein besonderes Highlight für die Spielerinnen. Wir haben mit WGM Josefine Heinemann, WGM Jana Schneider, WGM Hanna Marie Klek und FM Lara Schulze gesprochen. Die Antworten der deutschen Topspielerinnen gibt es hier.
Was könnte vielleicht Deutschland von der Förderung des Schachsports, im speziellen des Frauenschachs, in Russland und der Ukraine lernen? Wie läuft das dort?
In der Ukraine wird Schach in jedem Verein und an fast jeder Schule angeboten. Auch in Vereinen gibt es Schachtrainer, die dies als Beruf ausüben. In Deutschland hingegen ist Schach für die meisten Menschen nur ein Hobby. Ich denke, das Beste was man für das Schach in Deutschland tun kann, wäre Schach als Schulfach populärer zu machen, mehr Schachclubs zu gründen - und es mehr Spielern und Spielerinnen zu ermöglichen, Schach als Beruf auszuüben.
Du warst beim Trainingslager in Oberhaching mit dabei – welchen Eindruck hattest Du dort von den anderen Kaderspielerinnen?
Der Eindruck ist durchweg positiv. Das gesamte Team ist sehr freundlich, talentiert und ergebnisorientiert. Es hat richtig Spaß gemacht.
Welche Rolle traust Du Dir zu im deutschen Frauenschach? München dürfte auch ein wichtiger Termin für die Nominierung zur Team-EM sein. Ist es Dein Ziel, im Herbst bei der EM in Georgien für Deutschland zu spielen?
Ich arbeite viel an meinem Schach. Ich will mich weiterentwickeln. Erfolge bei Einzelturnieren oder Mannschaftsmeisterschaften erzielen. Ich denke, dass für alle Teilnehmerinnen des Turniers in München die Bedeutung dieses Turniers groß ist. Auch mit Blick darauf, bei der Europameisterschaft oder bei der Olympia zu spielen. Daher bin ich bestimmt keine Ausnahme, wenn ich sage: Auch ich habe die Absicht so gut zu spielen wie andere. (lacht)
Elisabeth Pähtz zieht sich erstmal aus dem Turniersport zurück. Glaubst Du an die Chance, mittel- oder langfristig mit Dinara Wagner um die Nummer eins in Deutschland zu kämpfen?
Schach ist im Gegensatz zu anderen Sportarten wie Turnen ein Sport, den man in jedem Alter spielen kann. Ich denke also, dass Elisabeth zwar eine Pause vom Schachspiel einlegen wird – aber sie kann zurückkommen. Was meine Ambitionen im Schach angeht, glaube ich an meine Chance. Aber es geht nicht um Titel und Ranglisten oder darum, mit wem und gegen wen man spielt – sondern darum, mein persönliches Schachverständnis zu verbessern. Ich setze mir keine konkreten Ziele, jemanden zu schlagen oder besser zu sein als jemand anderes. Das Einzige, was mich interessiert, ist die Verbesserung meiner Fähigkeiten und meine persönliche Weiterentwicklung im Schach.
Kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine bist Du 2022 nach Deutschland geflüchtet. Ich glaube, Du hast hier Dein Glück gefunden – sportlich und privat. Erzähl mal...
Ja, leider haben mich die traurigen Ereignisse in meinem Land dazu veranlasst, nach Deutschland zu ziehen. Ich wurde vor Beginn der Militäraktionen im Winter 2022 ukrainische Schachmeisterin – und denke, dass ich auch die Aussicht gehabt hätte, für die ukrainische Nationalmannschaft zu spielen. Doch das Leben wollte es anders. Gleich, nachdem ich nach Deutschland gekommen bin und hier begonnen hatte, an Turnieren teilzunehmen, durfte ich auch schonmal für die deutsche Nationalmannschaft spielen. Zuletzt ja beim Mitropa-Cup 2024. Das war schön. Und privat kann ich sagen, dass ich mit FM Samuel Weber mein persönliches Glück gefunden habe – das ist eine wunderbare Wendung in meinem Leben. (lächelt)
Dein Freund Samuel Weber ist ja auch Schachspieler. Trainiert Ihr zusammen?
Ja. Er ist ein starker Schachspieler - und ein ausgezeichneter Trainer. Wir spielen und trainieren zusammen. Man kann sagen: Es passt alles.
Wird Deutschland jetzt Deine Heimat bleiben - oder hast Du Sehnsucht nach der Ukraine?
Ich betrachte Deutschland als meine zweite Heimat – und ich kann sagen: Ich habe inzwischen auch eine tolle deutsche Familie. Ich bezeichne meinen Mann und seine Eltern, sowie meine Freunde hier, als meine Familie.
Wer aus Deiner Familie ist noch in der Ukraine - und was weißt Du über die aktuelle Situation dort?
Meine Eltern sind die einzigen aus meiner Familie, die dort noch leben. Wir alle glauben an ein schnelles Ende des Krieges. Meine Vergangenheit ist Teil meiner Geschichte - und natürlich kann ich nicht anders, als mit Traurigkeit an die Gegenwart zu denken …
Wie groß ist Dein Friedenswunsch für die Ukraine?
Groß. Nur ein Satz: Ich wünsche meinem Heimatland so viel Frieden wie irgendwie möglich.
Zum Schluss noch eine sportliche Frage: Du hast im vergangenen Jahr den WGM-Titel erreicht. Was sind Deine weiteren persönlichen Ziele? Der IM-Titel?
Ja. Letztes Jahr war für mich rechte erfolgreich. Auch in diesem Jahr war ich in der Frauenbundesliga ganz nah dran, die Doppelnorm eines Internationalen Meisters zu erreichen. Ich habe es nach Leistung und Rating abgeschlossen – aber leider fehlten mir bei der Neuberechnung der durchschnittlichen Ratings der Spielerinnen ein paar Einheiten. Aber ich denke, dass ja noch viele weitere Turniere anstehen - und das ich das schaffen kann.
https://www.schachbund.de/deutsche-meisterschaften-2025.html
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36393