15. Mai 2025
Erster Tag der Deutschen Meisterschaften. Und das erste Schach-Drama. Es ereignete sich um 19.10 Uhr. GM Frederik Svane stürmte aus dem Spielsaal, der Black Box, wütend auf sich selbst, rang er mühevoll um Fassung – die er nur langsam wieder gewann. Die deutsche Nummer zwei hatte gegen GM Dennis Wagner eine Partie noch verloren, in der er den Gegner fast erdrückte. “Im Moment fühle ich mich wirklich schlecht - für Frederik”, sagte der Sieger, der sein Glück kaum fassen konnte: “Er war über einen sehr langen Zeitraum deutlich besser, es sah nie aus, als ob er verlieren könnte. Dann machte ich ein Verzweiflungsopfer – und er bekam Panik und reagiert völlig falsch.” So, wie es Wagner niemals gehofft hatte. Ein Deja-vu-Erlebnis, denn vor zwei Jahren beim German Masters in Rosenheim gab es das schonmal. Svane, drückend überlegen, unterlag auch damals noch Wagner, der damals wie heute fair einräumte: “Ein sehr glücklicher Sieg.” Mitgefühl bekam Frederik Svane von seinem Bruder Rasmus. “Es gibt nichts Schlimmeres als eine gewonnene Partie noch zu verlieren. Frederik ärgert sich immer sehr über Niederlagen – und über solche besonders.” GM Rasmus Svane hingegen gewann eine sehr lange und intensive Partie, in der GM Niclas Huschenbeth bis zum Schluss um ein Remis fightete. Passend zum Spielort, wie Rasmus Svane befand: “Das ist schon eine besondere Atmosphäre hier. Wie in einer kleinen Arena, mit wenig Platz zum Spazierengehen – aber es passt zu solchen Titelkämpfen.” Psychologisch wähnt er sich jetzt in einer guten Position. Und sein Bruder, da dürften alle sicher sein: “Der kommt wieder zurück. Es ist erst eine Runde gespielt – und es ist Frederik.” Der Kämpfer aus Lübeck.
Insgesamt begannen die 96. Deutschen Meisterschaften mit einem ersten, vorsichtigen Staunen beim Betreten der ungewöhnlichen Spielstätte. “Sehr schön hier”, sagte WGM Fiona Sieber, wobei sie einräumte: normalerweise mag sie es heller. “Echt coole Atmosphäre in dem Saal”, sagte hingegen ohne Einschränkung IM Leonardo Costa – beide drückte damit kurz und knapp aus, was viele sagten. Klar, der ein oder andere hätte sich Tageslicht in der Black Box gewünscht - aber das Ambiente hat was. Es ist keine Spielstätte von der Stange – passt also zu einem besonderen Turnier.
Sportlich erfüllten die Topgesetzten die Erwartungen - bis auf Frederik Svane. IM Dinara Wagner besiegte WGM Hanna Marie Klek und räumte danach ein, dass sie zwar – ebenso wie ihr männliches Pendant – Favorit in München sei, “aber Vincent hat es doch etwas schwerer. Vieler seiner Gegner sind von den Elo-Punkten her näher dran als die meisten in meinem Turnier”. Wagner räumte mit der fast elogleichen Klek jedenfalls bereits einen großen Brocken aus dem Weg. “Ich bin glücklich über diesen Start.”
Keymer und das Duell der verschiedenen Elo-Welten. IM Marco Dobrikov (2404 Elo) traf auf die deutsche Nummer eins, die über 300 Elo-Punkte mehr hat. Ein zähes Ringen, der Underdog wehrte sich mit Klauen und Zähnen. Vergeblich. “Vincent hat mich in der Eröffnung überrascht, wo ich aber danach das Gefühl hatte, noch gut drin zu sein – aber dann hat er im Mittelspiel seine Skills ausgespielt“, so Dobrikov. Keymer bewertete seinen Auftakt so: Es sei “immer unangenehm, wenn man eine Partie hat, die man im Prinzip gewinnen muss. Das macht die Vorbereitung anstrengend, macht die generelle Einstellung auf die Partie anstrengender – weil man das nicht so locker angehen kann wie sonst.” Dobrikov jedenfalls sah am Ende das Glas halb voll, genoss den Augenblick. “Ich fühle mich geehrt, hier dabei sein zu können.” Das sehen andere genauso.
Wie sieht es aus in der Black Box. Matthias Wolf und Levian Raschke vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit haben Bilder mit ihren Kameras eingefangen. Und danach auch viele Spielerinnen und Spieler zum Interview bekommen. Nur wenige haben sich gedrückt...schaut rein.
Blicken wir kurz auf die Talente im Teilnehmerfeld. “Sehr nervös” sei sie gewesen, sagte WFM Lisa Sickmann, nach dem Remis gegen Sieber, die sie als “unser neues Nachwuchstalent” adelte, war sie aber trotzdem zufrieden. “Was soll ich sagen? Ich bin hier jedenfalls kein Favorit. Aber das ist auch gut, es nimmt Druck raus.” Einfach den jugendlichen Elan ausspielen, unbekümmert agieren – so sieht es auch Leonardo Costa: “Ich mache das mittlerweile so, dass ich nicht mehr während der Partie das Ergebnis im Kopf habe”, sagte er, “ich spiel es einfach.” Es sei “sehr glücklich”, seine erste Partie gegen GM Martin Krämer gewonnen zu haben, er sehe das als “psychologischen Vorteil”. In seiner Heimatstadt ist der 17-Jährige Münchner klar auf Erfolg programmiert. “Seit 15 Partien zeige ich hervorragende Leistungen. Mit jedem Sieg steigt mein Selbstvertrauen.” Auch morgen gegen GM Niclas Huschenbeth, erneut mit den schwarzen Steinen? “Mal sehen,” sagte Costa - und lächelte. Tiefenentspannt. Ebenso wie WFM Charis Peglau. Aufgeregt sei sie nicht gewesen. Ihr Ergebnis: Ein Remis gegen die favorisierte WGM Kateryna Dolzhykova. Einerseits freue sie sich, so Peglau, andererseits: “Ich stand lange besser.”
Es herrscht insgesamt eine ruhige und gelassene Atmosphäre im Fat Cat (ehemals Gasteig). Am ersten Tag war das Publikumsinteresse mit rund 100 Fans noch überschaubar. Darunter war aber auch ein besonderer Fan: Steffi Klawun-Schulze, die Mutter von FM Lara Schulze. “Ich fiebere immer sehr mit”, sagte sie. Vor eineinhalb Jahren hat sie wegen Lara sogar selbst noch mit dem Schachspiel angefangen – und zuletzt beim grenke Open im C-Turnier mitgewirkt. “Die ganze Familie unterstützt Laras Leidenschaft für diesen Sport – und ihren Wunsch, das beruflich zu machen.” Die beiden sind gemeinsam angereist, wie so oft. Lara, ganz Medienprofi, gab auf der Hinfahrt schon Antenne Bayern ein Interview. Quasi während der Fahrt. Heute, vor der Runde besuchten die beide die Frauenkirche. Sightseeing als Ergänzung zum Schach. “Natürlich ist der Vormittag wichtig für die Vorbereitung. Aber man muss auch ein bisschen abschalten“, sagte Lara Schulze. Die richtige Dosierung vor dem Duell gegen Nationalmannschafts-Kollegin WGM Josefine Heinemann, bei der Schulz einen Bauern opferte – und sich danach fragte, ob das wirklich so gut war. “Es wurde dann sehr spannend.” Letztlich ein Remis, mit dem Heinemann nicht glücklich wirkte. Es sei wahrlich “kein Traumergebnis. Ich denke, ich stand ein bisschen besser”. Insgesamt sei es “nicht so angenehm”, gegen Kolleginnen aus der Nationalmannschaft zu spielen. “Man kennt sich sehr gut, bereitet oft gemeinsam was vor – und muss sich demzufolge was Neues ausdenken.”
Der Anfang ist jedenfalls gemacht. DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach, die gemeinsam mit Sponsor Roman Krulich den ersten Zug machte, wirkte nach dem Auftakt recht zufrieden: “Im Grunde hat fast alles geklappt, das ist das Wichtigste. Es läuft gut.” Er wolle noch ein, zwei Runden abwarten, ergänzte Bundesturnierdirektor Michael Rütten, bevor er aber doch ein erstes Fazit abgab: “Der Auftakt ist gelungen. Und das ist schon ein gutes Gefühl.” Mit solchen Schwingungen kann es weitergehen. Und gerne auch, aus Fan-Sicht: mit weiteren Schach-Dramen. (mw)
Br. | Weiß | DWZ | - | Schwarz | DWZ |
---|---|---|---|---|---|
1 | GM Rasmus Svane | 2634 | 1:0 | GM Niclas Huschenbeth | 2625 |
2 | GM Alexander Donchenko | 2605 | 0:1 | GM Matthias Blübaum | 2645 |
3 | IM Marco Dobrikov | 2366 | 0:1 | GM Vincent Keymer | 2717 |
4 | GM Frederik Svane | 2678 | 0:1 | GM Dennis Wagner | 2632 |
5 | GM Martin Krämer | 2571 | 0:1 | IM Leonardo Costa | 2550 |
Br. | Weiß | DWZ | - | Schwarz | DWZ |
---|---|---|---|---|---|
1 | WFM Lisa Sickmann | 2028 | ½:½ | WGM Fiona Sieber | 2277 |
2 | WGM Kateryna Dolzhykova | 2342 | ½:½ | WFM Charis Peglau | 2154 |
3 | WGM Hanna Marie Klek | 2331 | 0:1 | IM Dinara Wagner | 2394 |
4 | WFM Tetyana Kostak | 2106 | ½:½ | FM Jana Schneider | 2313 |
5 | WGM Josefine Heinemann | 2311 | ½:½ | FM Lara Schulze | 2334 |
Br. | Weiß | DWZ | - | Schwarz | DWZ |
---|---|---|---|---|---|
1 | GM Niclas Huschenbeth | 2625 | - | IM Leonardo Costa | 2550 |
2 | GM Dennis Wagner | 2632 | - | GM Martin Krämer | 2571 |
3 | GM Vincent Keymer | 2717 | - | GM Frederik Svane | 2678 |
4 | GM Matthias Blübaum | 2645 | - | IM Marco Dobrikov | 2366 |
5 | GM Rasmus Svane | 2634 | - | GM Alexander Donchenko | 2605 |
Br. | Weiß | DWZ | - | Schwarz | DWZ |
---|---|---|---|---|---|
1 | WGM Fiona Sieber | 2277 | - | FM Lara Schulze | 2334 |
2 | FM Jana Schneider | 2313 | - | WGM Josefine Heinemann | 2311 |
3 | IM Dinara Wagner | 2394 | - | WFM Tetyana Kostak | 2106 |
4 | WFM Charis Peglau | 2154 | - | WGM Hanna Marie Klek | 2331 |
5 | WFM Lisa Sickmann | 2028 | - | WGM Kateryna Dolzhykova | 2342 |
Simultan an 20 Brettern mit GM Pawel Eljanow. 2010 Olympiasieger mit der Ukraine, Sieger der Dortmunder Schachtage 2021 und 2022.
16. Mai 2025, 14-18 Uhr
Carl-Orff-Foyer
Internet-Problemlöseturnier der Problemschachvereinigung Schwalbe
Aufgabenlösungen sind einzusenden bis zum 24. Mai.
Stev Bonhage (* Aschersleben/DDR) ist einer der besten Schachfotografen der Welt. In München werden in der Capture-Ausstellung seine schönsten Fotos gezeigt.
15. - 24. Mai 2025
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 11587