11. Mai 2025
Er hat sich innerhalb von drei Jahren einen Ruf erarbeitet. Den, der weltbeste Schach-Fotograf zu sein. Stev Bonhage, Rufname “Stevo”, geboren in Aschersleben, aufgewachsen bei Hamburg und in Schweden, hat schlichtweg den Blick für das perfekte Foto. Nicht nur im Schachsport, sondern in vielen Sportarten. Bonhage wird auch in München (15. bis 24. Mai) mit seiner Ausstellung „Capture“ die Deutschen Meisterschaften bereichern. Erstmals ist "Capture" in Deutschland zu sehen - allein das wird schon viele Fans ins Veranstaltungszentrum Fat Cat (ehemals Gasteig) ziehen. Im Interview mit Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit spricht Stev Bonhage über kamerascheue Großmeister wie Vincent Keymer und darüber, warum die Jagd nach dem besonderen Augenblick im Schach wie Angeln ist. Manchmal beißt ein Großmeister an – oder auch nicht.
Stev, Du zeigst in München Deine Schach-Ausstellung „Capture“, die auch schon an anderen Orten der Welt großes Interesse erregte. Nimm uns mal mit, was uns erwartet – und was Dir diese Ausstellung bedeutet.
Ich denke, die Leute erleben eine komplett andere Seite vom Schachsport – anders als das, was man eventuell glaubt, von diesem legendären Brettspiel normalerweise zu sehen.
Wie schwer fiel es Dir, aus dem Buch „Capture“, mit vielen faszinierenden Schach-Fotografien, die wenigen Bilder für die Ausstellung auszuwählen?
Uff. Ich habe grade erst angefangen, diesen Prozess emotional verarbeiten zu können. (lacht) Spaß beiseite. Es war ein Auf und Ab. Bei manchen Bildern wusste ich sofort: Die musst Du unbedingt zeigen. Und bei anderen dauerte es länger. Besonders schwer fällt es bei Aufnahmen, zu denen man eine persönliche Beziehung hat - die aber nicht unbedingt in die Bildsprache der Ausstellung passen. Natürlich hole ich mir auch Rat oder Meinungen ein von Leuten die an diesem Projekt mit mir beteiligt sind.
In anderen Städten, wo die Ausstellung gezeigt wurde, wurde zwischen Deinen Foto-Wänden Schach gespielt. Ist Dir das wichtig – und wenn ja, ist das für München auch geplant?
Schachbretter zwischen den Foto-Wänden zu haben hilft, um Atmosphäre aufzubauen - und umgekehrt bieten die Foto-Wände eine interessante Location für ein Spiel oder auch gerne zwei. Ich hoffe, dass der Platz in München dafür ausreicht.
Stev, keiner ist so nah dran an den Schachprofis wie Du. Was fasziniert Dich an den Spielern und dem Spiel, das Du ja auch sehr gerne spielst?
An dem Spiel Schach interessiert mich sehr viel - aber ich glaube so viel Zeit haben wir nicht. Es ist so viel mehr als nur ein Brettspiel und trägt, glaube ich, den Titel “Spiel des Lebens” zurecht. Zu den Spielern: Ich habe generell ein großes Interesse an Menschen die extrem gut in etwas sind - und dabei aufblühen, wenn sie es tun. Wenn ich dies mit meiner Arbeit verbinden kann - umso besser.
Macht es einen Unterschied, ob Du Formel-1-Profis, UFC-Kämpfer oder Schachspieler fotografierst? Schachspieler gelten ja als ganz schwierige Menschen. Und wie unterschiedlich ist die Ansprache?
Defenitiv! Schachspieler sind mit weitem Abstand die kompliziertesten Sportler mit denen man arbeiten kann – das ist zumindest meine Meinung. In der Pit Lane bei der Formel 1 oder im MMA-Gym herrscht schon eine ganz andere Tonart. Wo andere Profisportler auch mal was riskieren, kalkuliert der Schachspieler eher alles, inklusive Photo-Shoots.
Wer ist scheu – und wer lässt sich voll auf Dich als Fotografen ein? Wer ist Dein Lieblingsmotiv bei Turnieren?
Die Liste ist lang, auf beiden Seiten. Ein Lieblingsmotiv an sich habe ich nicht - da ein gutes Bild aus weitaus mehr besteht als nur dem Schachspieler. Da müssen mehrere Sachen gleichzeitig zusammenkommen. Und das weiß man wirklich erst wenn man es sieht.
Da würde uns natürlich interessieren, wie Du die deutschen Spieler siehst: Wer ist offen für Deine Arbeit – und wer nicht?
Ganz ehrlich, bisher habe ich nur mit Vincent Keymer gearbeitet und das hat eine ganze Weile gebraucht. Nicht nur weil er lange vor Kameras weggelaufen ist, sondern auch weil ich eher selten Turniere fotografiere mit deutscher Beteiligung. Auch hat es ein wenig gedauert bis man von mir in Deutschland gehört hat – mit Blick auf deutsche Turniere. Ich habe ja 2022 damit begonnen, das Kandidatenturnier und dann die Weltmeisterschaft zu fotografieren.
Wir vom Team Öffentlichkeitsarbeit vom DSB haben manchmal auch das Gefühl: Sobald wir mit der Kamera auftauchen, dreht sich mancher Spieler lieber weg. Passiert Dir das auch?
Logisch! Das ist normal und am Ende kommt es immer darauf an was man daraus macht. Einen guten Fotografen erkennt man daran, dass niemand merkt, dass er da ist. Auch ist das eine Frage der Energie, die man ausstrahlt. Ist der Spieler oder die Spielerin nur ein Objekt, um Clicks und Likes zu generieren? Oder ist der Spieler oder die Spielerin nur Teil eines Bildes an dem ich genauso ein Interesse habe es zu finden wie der Spieler und die Spielerin den besten Zug? Das ist ein großer Unterschied – und den muss man ausstrahlen.
Wie knackst Du die Spieler, um Dein Foto zu bekommen? Und wenn Du sie geknackt hast, wie stellst Du die Verbindung her – um zu bekommen, was Du willst?
Respect and trust is earned, not given.
Ich habe Dich in Budapest, bei der Olympiade, beobachtet: Dieses Lauern auf den einen Moment, teilweise auf dem Boden liegend – ist Schach-Fotografie die Jagd nach diesem einen Moment?
Das kann man wirklich so sagen. Im Schach ist dieser berühmte “Augenblick” so selten, oft so versteckt - es ist wirklich wie eine Jagd, oder Angeln. Manchmal sitzt man stundenlang am falschen Platz und nichts beißt an.
Richtige Fotografie ist prinzipiell schwer - nicht die Unterschiede zwischen den verschiedenen Sportarten. Während bei dem einem Sport Geschwindigkeit das Wichtigste ist, ist es beim Schach die Geduld. Ich denke, verschiedene Wege oder Lösungen für verschiedene Objekte oder Geschichten zu finden - das ist Teil richtiger Fotografie.
Was willst Du mit Deinen Bildern vom Schachsport, der ja um Aufmerksamkeit kämpft, transportieren?
Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich meine Zeit im Schach damit verbringen möchte eine andere Perspektive und ein modernes Bild vom Schach zu erschaffen.
Stimmt es, dass Du anfangs der FIDE vor drei Jahren Deine Fotografie umsonst angeboten hast? Warum? Und wie ging die Geschichte weiter?
Ja das ist korrekt. (lacht) Die beste Visitenkarte ist, in der Szene aufzutauchen, mit einer anderen Perspektive zum großen Ganzen beizutragen - und seine Arbeiten für sich sprechen zu lassen. Die FIDE bestand allerdings darauf, mich nicht nur zu bezahlen, sondern auch direkt als offiziellen Fotografen für das Kandidatenturnier 2022 in Madrid anzuheuern. The rest is history … Olympiade, Weltmeisterschaften, große Turniere sowie auf Schach bezogene Sozialprojekte und vieles mehr. Dann kam das Buch, dann die Ausstellung – und zwei bis drei Projekte sind noch in Arbeit.
Du bist eine Art fotografierender Globetrotter. Was bedeutet es Dir, auch mal Foto-Reisen wie zuletzt für den Spiegel nach Kenia zu unternehmen? Was hat Dir der Besuch dieser Schach spielenden Flüchtlinge persönlich gegeben?
Mit einem Wort: Stolz! Ich denke, mit solchen Aufträgen geht auch eine große Verantwortung einher. Das Vertrauen von meinen Kunden, anderen Organisationen, sowie der Menschen in solchen Gebieten. Deren Geschichte erzählen zu dürfen, das macht mich stolz. It keeps you humble and appriciative of things in life. I always struggle to reconnect to society for a few days after leaving Kakuma.
Wir übersetzen mal: Du brauchst ein paar Tage, um nach solchen Reisen wie nach Kakuma wieder runterzukommen. Solche Erfahrungen lassen Dich demütig bleiben und die Dinge des Alltags wertzuschätzen. Das bringt mich zu der Frage: Du kommst aus Aschersleben – inwiefern gibt es noch Verbindungen in die Heimat? Und wie wichtig ist Heimat womöglich auch, um nach Foto-Reisen mit Prominenten wieder geerdet zu werden?
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36387