14. Mai 2025
Roman Krulich brachte es auf den Punkt. “Ich bin stolz, dass wir die nationale Elite hier haben.” Die Top-Spieler und –Spielerinnen der deutschen Schachszene versammelten sich heute Abend zur Eröffnungsfeier und zur Auslosung. Bei herrlichem Münchner Frühlingswetter, kühlen Getränken und leckerem Essen vom Edel-Italiener gab es in der Münchner Schachakademie, einen Steinwurf vom Spiellokal Fat Cat (Gasteig) entfernt, eine stilvolle Einstimmung. Matthias Wolf und Levian Raschke vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit haben alles mit ihren Kameras eingefangen (siehe Video). würdiger Rahmen, auch dank Krulich, der neben der UKA zweiter Sponsor dieser Meisterschaften de luxe ist. Er mache das gerne, sagte er auf die Frage, warum er als Inhaber einer Immobilienfirma sein Geld nicht anderweitig verwende. Schach sei sein Hobby, habe sein Leben geprägt, ihm viele schöne Stunden geschenkt – und er genieße es, auch ein wenig solche Events mitgestalten zu können. Im Organisationskomittee, aus dem Krulich heute nur seinen größten Mitstreiter GM Gerald Hertneck namentlich hervorhob. Der genoss den Abend auch sichtlich, “ab morgen”, sagte Hertneck, “konzentriere ich mich dann auch voll auf Schach - dann ist die viele Arbeit im Vorfeld vergessen.” Er spielt im Kandidatenturnier mit.
Zur Eröffnung waren Akteure der Meisterklassen gekommen. Angeführt von den beiden Ranglistenersten GM Vincent Keymer und IM Dinara Wagner. “Schön hier”, sagte Keymer, “das Ambiente weckt schonmal Vorfreude auf morgen” - und setzte sich sogar mal kurz für eine TV-Kamera mit Hertneck ans Brett. Nach wenigen Zügen einigte man sich auf Remis - Gespräche mit den Kumpels aus der Nationalmannschaft waren wichtiger. Logisch. Er sei zwiegespalten, so Keymer, einerseits freue er sich auf die Duelle gegen Kumpels, andererseits “spiele ich doch lieber nicht gegen sie”.
Die einen fangen jetzt an, sich auf ihre heute ausgelosten Gegner vorzubereiten, die anderen schaffen weiterhin den Rahmen. Es gibt auch morgen noch einige zu tun. Turnierdirektorin WIM Veronika Exler brachte es so auf den Punkt: “Der Aufwand für die Turniere ist gigantisch – und das seit Wochen und Monaten.” Kurzer Einblick, hoher Stressfaktor: Die Tische kamen am Nachmittag und wurden in die Spielsäle gewuchtet. Überall standen Kisten mit Rollups und Bannern, die verteilt werden mussten. Mittendrin: Exler, die selbst Hand mit anlegte. “Ich bin hier in gewisser Weise das Mädchen für alles”, sagte sie. Und Stev Bonhage, der Foto-Künstler, baute ganz unprätentiös seine Ausstellung “Capture” selbst auf. “Das macht mir Spaß.” Das Veranstaltungszentrum Fat Cat in München wurde am Mittwoch vom Deutschen Schachbund in Beschlag genommen- quasi gebrandet.
So viel ist jetzt schon klar: Eine stilvolle Atmosphäre herrscht im Fat Cat. “Ein wirklich toller Ort, um Schach zu spielen”, sagte Bonhage, der Hobbyspieler, “das strahlt hier was aus.” Die Spielsäle atmen. Allein die Black Box – mag sie so ganz ohne Tageslicht vielleicht nicht jedermanns Sache sein, wer die Black Box betritt, kann jedenfalls festhalten: Dieser Raum für die Meisterklassen, mit kleinen Tribünen, hat die Aura einer kleinen Arena. Es riecht jetzt schon nach Schweiß und Drama - zumindest gefühlt. Oder, wie sagte GM Stefan Kindermann, nach seinem kurzweiligen Vortrag zur Historie der Schachakademie (die ins 20. Jahr ihres Bestehens geht): Er wünsche allen an diesem Ort “super Partien, die in die Schachgeschichte eingehen”.
Historie – ein gutes Stichwort. 125 Jahre nach den letzten Titelkämpfen sind die Deutschen Meisterschaften wieder in der bayrischen Landeshauptstadt angekommen. DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach erinnerte an das Jahr 1900, als im Unterschied zu heute sogar Eintritt verlangt wurde. 50 Pfennige. Der bayerische Infanteriechor habe aufgespielt – und irgendwann ging das Essen aus, weil der Wirt den Andrang unterschätzt hatte bei der Meisterschaft, die damals noch “Kongress” hieß. Die Chronik sagt, “Laib und Magen hatten zu leiden”, zitierte Lauterbach. Soll diesmal nicht passieren, versprach die DSB-Chefin. Alles sei angerichtet, nicht nur kulinarisch: “Wir versuchen ein Angebot für alle zu schaffen und sagen: Seid dabei, es lohnt sich. Das sind so stark wie nie besetzte Turniere.”
Morgen werden ab 14 Uhr die ersten Partien gespielt. In der Stadt, wo sich Carl Schlechter und die amerikanische Legende Harry Pillsbury nach Play-offs den ersten Platz mit jeweils neun Siegen und sechs Remis geteilt hatten, kämpft die heutige Großmeister-Generation um die Titel. Mit allem Ehrgeiz. Wie hatte Keymer so schön gesagt: “Ich fahre nach München, um das Turnier zu gewinnen. Alle anderen werden mich jagen“. Gemeint sind damit in erster Linie die deutsche Nummer zwei, GM Frederik Svane, und der doppelte Europameister GM Matthias Blübaum. Aber auch ein Talent wie IM Leonardo Costa, der vorf seinem Münchner Heimspiel sagt: “Ein bisschen nervös bin ich schon im bisher stärksten Turnier für mich in diesem Jahr – aber ich bringe die nötige Portion Selbstbewusstsein mit.”
Es geht um Ruhm, Ehre, Pokale – und viel Preisgeld. Bei den Männern bekommt der Sieger 5.000 Euro, bei den Frauen ist Platz eins mit 3.200 Euro dotiert. Die Kandidatenturniere, in denen Männer wie Frauen die Aufsteiger für 2026 ermitteln lassen den Gesamtpreisfonds in München auf fast 50.000 Euro ansteigen. Die Kandidaten und Kandidatinnen spielen jeweils über sieben Runden. Die Preisgelder kommen einmal mehr von der UKA und ihrem Firmenchef IM Gernot Gauglitz. Er übermittelte ein Grußwort, betonte er könne wegen einer Großveranstaltung in der Firma nicht kommen. Trotzdem “fiebern wir natürlich mit Ihnen allen mit und wünschen Ihnen viel Energie für brillante Züge”. Er freue sich “über die Meisterzüge der kommenden Tage”.
Herzblut, wie es auch Roman Krulich mit seiner Immobiliengruppe an den Tag legt. Er ist auch Unterstützer der Münchner Schachakademie und betonte, mit diesen Titelkämpfen in seiner Heimatstadt werde für ihn ein Traum wahr. Und er erfülle ein Versprechen: Nach dem Frauen-Grand-Prix 2023 hatte er angekündigt, noch ein weiteres Top-Turnier an die Isar zu holen. Für ihn sei diese Meisterschaft nun ein weiterer Beweis dafür, “dass der Schachbund auf dem Weg ist, wieder eine super Organisation zu werden”. Vorschuss-Lorbeeren, die es auch von der Stadt München gab, die das Turnier kräftig finanziell unterstützt. In Vertretung des Oberbürgermeisters Dieter Reiter sagte Stadtrat Dr. Jörg Hoffmann, man sei “stolz, dass die besten Schachspieler hier sind – weil sich die Stadt München als Sportstadt versteht”. Er nannte die Meisterschaften in einem Atemzug mit der Bewerbung der Stadt um Olympische Spiele.
Morgen, 14 Uhr, geht es los. Mit einem Rahmenprogramm in Schachfestival-Qualität. Hobbyspieler können sich auch im Fat Cat messen: etwa in einem offenen Blitz-, einem Chess960-Schnellturnier oder einem Problemschachlöse-Wettbewerb. Zudem gibt GM Pawel Eljanow vom MSA Zugzwang ein Simultan an 20 Brettern. Ein Symposium zur Münchner Schachlegende GM Wolfgang Unzicker, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, und ein Round-Table-Gespräch zum kürzlich verstorbenen GM Robert Hübner sind für Schachkultur-Fans interessant. Ebenso die Ausstellung „Capture“ - vom Großmeister der Schach-Fotografie eigenhändig aufgebaut. (mw)
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36674