22. November 2011
Am 19. November rief DSB-Präsident Herbert Bastian aus aktuellem Anlass zu einem Leserforum "Sie fragen - wir antworten!" auf der DSB-Website auf. Die nachfolgende Wortmeldung erreichte uns aus Thüringen von Cornelius Middelhoff, die wir hier mit seiner Zustimmung veröffentlichen!
Lieber Schachfreund Herbert Bastian,
erst einmal Gratulation zur Goldmedaille bei der EM! Spitze! Anbei meine Anregungen und Vorschläge bezüglich der Nationalmannschaft.
Sie schreiben:
"Überlassen wir die Initiative nicht Journalisten, die sich mit provozierenden Fragen aus Interviews das Passende heraussuchen und mit einer einhergehenden Instrumentalisierung unserer Nationalspieler gegen gewählte Funktionäre oder Angestellte (und leider oft auch gegen sich selbst) ihr persönliches Zerrbild transportieren!"
Also handelt es sich bei in der Presse zitierten Naiditsch-Äußerungen leider nicht um eine reine Erfindung eines Journalisten!
Der Spitzenspieler der Nationalmannschaft muss endlich seine Verantwortung begreifen! Sponsoren für die Nationalmannschaft findet man nur, wenn sie sich auch als Mannschaft präsentiert. Ansonsten hilft auch die Goldmedaille nicht weiter. Derartige Pöbeleien in der Presse sind besonders gravierend, da Intelligenz das Markenzeichen für Schach ist. Wenn ein solches Verhalten folgenlos bleibt, sind auch die Folgen für die Jugendarbeit verheerend, die Trainer werden zur Lachnummer. Der Naiditsch macht's uns ja vor! Man sieht es bereits bei den Damen in vergleichsweise harmloser Form: Raj Tischbierek ist der "Kiwischäler" (O-Ton Melanie Ohme in ihrem Blog) und "hat manch gute Idee, ist aber eröffnungsmäßig leider nicht up to date" (O-Ton Elisabeth Pähtz im ND-Interview).
Falls der Spieler sich einsichtig zeigt, erwarte ich eine öffentliche Stellungnahme des Spielers UND einen substanziellen positiven Beitrag als Wiedergutmachung. Wie wäre es, wenn Herr Naiditsch sich die Zeit nimmt und die Damen-Nationalmannschaft unterstützt? Zum Beispiel durch Analyse der letzten zehn Partien aller fünf Spielerinnen und Einzeltraining mit allen fünf Spielerinnen am Brett oder via Skype mit gezielter Bearbeitung ihrer schachlichen Schwächen. Zusätzlich wäre damit der Forderung von Frau Pähtz und Frau Ohme nach mehr Förderung genüge getan.
Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass Herr Naiditsch auch in Zukunft nicht in der Lage sein wird, professionell und fair mit den Angestellten und Funktionären des Schachbundes umzugehen, darf er nicht mehr nominiert werden. Es wäre schade, wenn die deutsche Nummer eins bei der Olympiade 2012 nicht für uns antritt. Das Image des Schachs darf aber nicht aus rein sportlichen Erwägungen heraus nachhaltig beschädigt werden!
Der Schachwelt-Blog von Jörg Hickl repräsentiert allenfalls die Interessen eines kleinen und keinesfalls repräsentativen Teils der deutschen Schachspieler. Zudem hat Jörg Hickl bei der Hetze gegen Uwe Bönsch persönlich eine Hauptrolle gespielt mit Äußerungen wie dieser:
"Für mich völlig unverständlich ist hierbei die Vorgehensweise des Schachbundes, der trotz der nahezu militanten Vorgeschichte, die in Naiditschs Brandbrief auf Chessvibes.com ihren Höhepunkt fand, an seinem Bundestrainer festhielt und alle zusammen zur EM nach Griechenland schickte." (Quelle: www.schach-welt.de)
Die Zusammenarbeit mit Jörg Hickl als Werbepartner (Schachreisen Hickl) sollte angesichts eines solchen verbalen Tiefschlags ernsthaft überprüft werden. Eine Beteiligung des DSB-Präsidenten an diesem teilweise anonymen Blog trägt mehr zur Verwirrung als zur Aufklärung bei. Sie sollten sich in heiklen Fragen ausschließlich offiziell über die Website des DSB äußern.
Die Nationalmannschaft muss sich zeigen! Simultanveranstaltungen, Präsenz bei Massen-Veranstaltungen mit zahlungskräftigen Schachspielern (z.B. Deutsche Amateur-Schachmeisterschaft) und vieles mehr. Stichwort: Ein Europameister zum Anfassen! Das ist erst einmal mühselig, hilft aber unschätzbar bei der Sponsorensuche.
Die Nationalmannschaft sollte in die Trainingsarbeit eingebunden werden. Ich habe auf der DSB-Seite von Paten gelesen (Hanna Maria Klek als Pate im Schulschach). Dieses System sollte auch auf höhere Ebene übertragen werden. Herr Naiditsch als Pate für den deutschen A-Jugend-Meister, etc. Bei den Damen das Gleiche. Dies verbessert das Image der Nationalmannschaft und hilft so ebenfalls bei der Sponsorensuche. Zudem bekommt die Nationalmannschaft dadurch auch einen größeren Rückhalt bei der Basis. Der tatsächliche Aufwand für die Nationalspieler dürfte aufgrund der großen Spielstärkeunterschiede überschaubar bleiben.
Obwohl Herr Kasimdschanow bei der Schacholympiade 2012 am Spitzenbrett von Usbekistan teilnehmen wird, sollte eine weitere Zusammenarbeit zwischen ihm und der Nationalmannschaft - vorbehaltlich einer Finanzierbarkeit - ganz oben auf der Agenda stehen.
Die hauptamtlichen Mitarbeiter (darunter auch die Trainer Uwe Bönsch und Bernd Vökler) des DSB sollen sich mehr als bisher auf der Website des DSB präsentieren. Es geht nicht um Kontrolle, sondern darum, dass das einfache DSB-Mitglied eine besseren Eindruck von der geleisteten Arbeit im Deutschen Schachbund bekommt.
Herr Bönsch (ELO 2530, wenige Turnierpartien im Jahr) kann der A-Nationalmannschaft (ELO 2600 - 2750, schachlich sehr aktiv) offensichtlich selbst keine relevante schachliche Hilfestellung mehr leisten. Sein Tätigkeitsfeld sollte deshalb klarer abgegrenzt werden. Bei der Schacholympiade sollte er Herrn Tischbierek bei der Betreuung der Damen helfen und darüber hinaus lediglich als "Teamchef" fungieren. Damit wäre auch ein Schritt in Richtung der von Frau Pähtz und Frau Ohme gewünschten Unterstützung getan.
Die öffentliche Vielstimmigkeit in der Nationalmannschaft ist ineffektiv. Die Nationalmannschaften sollten einen geeigneten Sprecher und/oder eine Sprecherin bestimmen, der ihre Interessen dann innerhalb des DSB vertritt.
Mit freundlichem Gruß
Cornelius Middelhoff
Cornelius Middelhoff, Jahrgang 1970, ist Diplom-Statistiker, und schachlich unterwegs seit 1982 in Bayern, Hamburg und Thüringen. Zur Zeit spielt er beim SV Jenapharm Jena in der Thüringenliga. Größter schachlicher Erfolg war 2004 ein Remis gegen Großmeister Wolfgang Uhlmann im Fischer-Random-Schach bei den Chess Classics in Mainz.
P.S.: Ihre Fragen schicken Sie mit Ihrem Vor- und Familiennamen - nur diese werden beantwortet - bitte bis 30. November an presse@schachbund.de.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 128