24. November 2011
Bochum, den 23.November 2011
Sehr geehrter Herr Bastian,
nach einigem Nachdenken, möchte ich Ihr Angebot auf der Homepage des Verbandes annehmen, und nachfolgend einige Gedanken zur aktuellen Debatte um die Nationalmannschaft zur Diskussion stellen.
Es ist nunmehr fast zwei Wochen her, dass die deutsche Nationalmannschaft Mannschaftseuropameister geworden ist.
Das – während des Turniers spürbare – Interesse, das sich vorwiegend in Diskussionen über gespielte Partien, Spekulationen über Erfolgsaussichten unserer Mannschaft bis hin zu Tippspielen auf den allseits bekannten Schachseiten im Internet gezeigt hat, ist innerhalb kürzester Zeit einer Diskussion über einzelne Spieler, Funktionäre und Angestellte des DSB gewichen.
Schon während die EM noch lief, war auf der Homepage des DSB die Berichterstattung dadurch gekennzeichnet, dass auf der einen Seite die Arbeit von Uwe Bönsch gelobt wurde, um – augenscheinlich – die Position des beim Verband angestellten Bundestrainers zu stärken; auf der anderen Seite aber auch immer die Leistungen von Rustam Kasimdschanow hervorgehoben wurde, um – genauso augenscheinlich – die Nationalspieler nicht zu verärgern, die seit Jahren die Unterstützung durch einen „qualifizierten Vorbereiter“ gefordert haben.
Die Frage, wer welchen Anteil an diesem Turniersieg gehabt hat, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass den Hauptanteil an diesem Ergebnis die beteiligten Spieler gehabt haben.
Vielleicht sollte man dies nicht vergessen, sofern man noch den Wunsch hat, diesen Erfolg als Grundstein für weitere erfolgreiche Turniere zu nutzen.
Dieser Beitrag soll kein weiterer zu der sogenannten „Bundestrainerfrage“ sein.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Art und Weise, in der – zum Teil im Schutz der Anonymität des Internets – Uwe Bönsch aber auch Arkadij Naiditsch angegriffen werden, in keiner Weise akzeptabel ist.
Klar stellen möchte ich auch, dass die in einem Zeitungsartikel enthaltenen Aussagen zwar von mir stammen, jedoch aus dem Zusammenhang gerissen worden sind und nur zu einen Bruchteil eines ca. halbstündigen Gesprächs mit dem „Journalisten“ ausmachen, der den Artikel verfasst hat. Die Aussagen sind im Zusammenhang mit Fragen nach den Unterschieden in den Tätigkeiten von Uwe Bönsch und Rustam Kasimdschanow während des Turniers getätigt worden.
Dass Sie, sehr geehrter Herr Bastian, in dieser – zum Teil in der Form nicht hinnehmbaren – Diskussion jedoch auf die deutsche Geschichte verweisen, halte ich jedoch ebenfalls für völlig überzogen.
Ich darf aber nun zum Kern meiner Stellungnahme kommen.
In Ihrem Beitrag vom 19.11.2011 auf der Homepage des DSB schreiben Sie:
Worum geht es dann in der Debatte wirklich?
„Es dürfte klar sein, dass im Deutschen Schachbund Weichenstellungen anstehen. Es geht im Wesentlichen um das von mir schon öfter thematisierte Verhältnis von Breitensport und Leistungssport, insbesondere um das Verhältnis der Basis zur Nationalmannschaft. Uwe Bönsch nimmt bisher Aufgaben aus beiden Bereichen wahr, die Nationalmannschaft will aber das gesamte für ihn eingesetzte Geld für ihre Belange und außerdem einen anderen Trainer (Weltklassespieler), der nur noch für sie arbeitet und mehr das Doppelte kosten würde, ohne dass die Basis noch etwas direkt von ihm hätte. Das wäre nur über gravierende Beitragserhöhungen machbar.“
Hierzu sind einige Richtigstellungen angezeigt:
Zunächst stellt sich die Frage, wer „die Nationalmannschaft“ ist?
Sind damit die Spieler, die an der EM teilgenommen haben (Arkadij Naiditsch, Georg Meier, Jan Gustafsson, Rainer Buhmann und Daniel Fridman gemeint? Oder handelt es sich nur um die sogenannten „Nationalmannschaftsrebellen“ (wie in der „Schach“ regelmäßig die Vorgenannten mit Ausnahme von Rainer Buhmann betitelt worden sind)?
Ich gehe davon aus, dass hier die Spieler gemeint sind, die eine Teilnahme an der Schacholympiade abgelehnt haben.
Dazu ist festzustellen, dass es selbstverständlich weitgehende Interessenüberschneidungen der sogenannten „Rebellen“ gab und immer noch gibt. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass es sich um vier Einzelsportler mit eigenen Ansichten handelt, die trotz vielfach gemeinsamer Interessen keine gemeinsame Haltung gegen das Breitenschach haben. Meines Erachtens hat keiner meiner Mannschaftskollegen eine – wie auch immer geartete – Haltung gegen das Breitenschach.
Unklar ist mir auch, woher Sie entnehmen wollen, dass „die Nationalmannschaft“ das für Uwe Bönsch eingesetzte Geld für „ihre Belange“ und in letzter Konsequenz für einen Trainer, der ausschließlich für sie arbeitet und mehr als das Doppelte kosten würde.
Es hat zwei Gespräche zwischen den „Rebellen“, mit dem damaligen Präsidium, dem Sie seinerzeit noch nicht angehört haben, gegeben.
Über den Inhalt dieser Besprechungen ist Stillschweigen vereinbart worden. Daher möchte ich in aller Kürze nur auf die folgenden Punkte eingehen:
In keiner dieser Besprechungen ist seitens der Spieler eine solche Forderung erhoben worden. Protokolle über die Sitzungen sind von mir noch mal im Hinblick auf diese Forderung gesichtet worden.
Gefordert worden ist ein Theorietrainer, der uns bei der letzten Europameisterschaft auch gestellt worden ist.
Thematisiert worden ist der – nach wie vor bestehende – Wunsch, finanzielle Mittel, die für den Leistungssport vorgesehen sind, optimal zur Förderung der stärksten Spieler einzusetzen. Forderungen nach Beitragserhöhungen oder konkrete Umverteilungswünsche oder –forderungen hat es dabei nicht gegeben.
Zudem ist die Forderung nach mehr Transparenz, einer klareren Definition der Verantwortlichkeit einzelner Funktionäre und Angestellter des DSB, mehr Engagement bei der Sponsorensuche und nach dem Unterlassen von öffentlichem „Wehklagen“ über die Unmöglichkeit der Sponsorengewinnung im Schach.
Nach meiner damaligen Einschätzung sind erste Schritte in die richtige Richtung unternommen worden. Kompromisse sind aber vor allem auch von den Spielern gemacht worden.
Will man sich nicht auf diesem Erfolg ausruhen, sondern auch bei den anstehenden Aufgaben (Schacholympiade, Mannschafts-WM) mit der besten Mannschaft an den Start gehen, sollte man aber diesen Weg weiter gehen und jetzt nicht stehen bleiben.
Aus meiner Sicht ist es auch weiterhin erforderlich, die Förderung der stärksten deutschen Spieler zu verbessern. Die Forderung meines Mannschaftskollegen Jan Gustafsson, uns nicht reicher, sondern vor allem besser zu machen, behält weiterhin ihre Gültigkeit.
Natürlich muss auch weiterhin die Sponsorensuche mit großem Engagement vorangetrieben werden. Nur muss dafür auch weiter mit der stärksten Mannschaft gespielt werden. Und es dürfte auch im Interesse aktueller und zukünftiger Sponsoren liegen, dass Erfolge wie der aktuelle besser in der Öffentlichkeit – vor allem außerhalb der Fachpresse – dargestellt werden.
Im Übrigen stehe ich selbstverständlich auch gerne für Gespräche zur Verfügung, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Spitzenspielern und Jugendschach oder Breitensport zu erörtern. Ich hoffe doch sehr, dass man „der Nationalmannschaft“ nicht den Vorwurf machen möchte, dass die Spieler hierzu noch keine Konzepte entworfen haben.
Die Behauptung, „die Nationalmannschaft“ wolle ihre Interessen einseitig auf Kosten des Breitensports durchsetzen und damit einen Konflikt zwischen „denen da oben (elomäßig) und der breiten Masse der „Freizeitspieler“ zu inszenieren oder zumindest billigend in Kauf zu nehmen, weise ich jedenfalls mit Nachdruck zurück.
Nun zur Unterhaltung der Mitglieder eine öffentliche Auseinandersetzung weiter zu befeuern, halte ich für falsch und letztlich für niemanden im Deutschen Schach für hilfreich-
Zuletzt darf ich mich bei allen bedanken, die während der Europameisterschaft mit uns, der Mannschaft mitgefiebert haben. Wir haben das auch schon während des Turniers mitbekommen und uns über die Unterstützung gefreut.
Mit freundlichen Grüßen,
Daniel Fridman
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 132