8. Juli 2014
Am 11. April bekam Melanie Ohme unerwartet Post aus Skandinavien. Das Sportkomitee des Norwegischen Schachverbandes hatte die deutsche Großmeisterin zur Olympia-Botschafterin erkoren. Neben solchen Größen wie Magnus Carlsen, Anatoli Karpow oder Susan Polgar.
Inzwischen hat Melanie bereits ein Film- und Fotoshooting im hohen Norden absolviert.
Im Reigen der deutschen Olympioniken beantwortete sie als Vierte unsere Fragen.
In wenigen Wochen beginnt die Schacholympiade. Welche Erwartungen hast Du an das Abschneiden der deutschen Frauenmannschaft?
Die Mindesterwartung ist für mich immer das Erreichen des Setzlistenplatzes. Dieser wird wahrscheinlich so um Platz 10 herum liegen. Ich glaube aber, dass wir durchaus das Potential für eine Top-5-Platzierung haben. Es wär toll, wenn wir das dieses Jahr schaffen könnten.
Du bist eine/r der Botschafter/Innen der Olympiade in Tromsø, wie ist diese Zusammenarbeit entstanden?
Der Kontakt wurde durch Dr. René Gralla hergestellt. Er hat den Organisatoren der Schacholympiade von meinem Engagement gegen Rassismus berichtet und mich als geeignete Kandidatin vorgestellt. Dann ging alles ganz schnell und ich durfte schon wenige Tage später nach Norwegen fliegen und wurde dort offiziell zur Botschafterin ernannt.
Was bedeutet für Dich der olympische Gedanke?
Das Besondere an der Olympiade ist für mich, dass Schachspieler und Schachspielerinnen aus aller Welt aufeinandertreffen. Fast alle Nationen sind vertreten und haben ein gemeinsames Interesse: Schach. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit empfinde ich als sehr wertvoll und als wichtige Grundlage gegen Rassismus im Sport. Für mich persönlich bedeutet der olympische Gedanke Fairness, Respekt und Toleranz.
Hast Du einen speziellen Trainingsplan zur Vorbereitung auf der Olympiade? Wenn ja, wie sieht der aus?
Dieses Jahr bin ich vor der Olympiade schachlich sehr aktiv: Momentan nehme ich an der griechischen Mannschaftsmeisterschaft teil, anschließend geht es direkt weiter zur Europameisterschaft der Frauen und Ende Juli wird es noch einen Lehrgang für die Nationalmannschaft geben. Meine Vorbereitung besteht also hauptsächlich im Spielen und Auswerten von Turnierpartien. Ansonsten versuche ich mich körperlich fit zu halten, damit ich den Anforderungen der Olympiade dann bestmöglich gewachsen bin.
Die Schacholympiade ist das Highlight des Schachjahres. Viele deutsche Schachliebhaber werden dieses große Event intensiv verfolgen. Inwiefern kriegt man während so eines anstrengenden Turniers diese Unterstützung mit?
Durch meine Homepageaktivitäten bekomme ich während eines Turniers sehr viele Rückmeldungen und Unterstützung. Das ist sehr motivierend, insbesondere da Frauenschach ansonsten meiner Meinung nach eher wenig Aufmerksamkeit erhält. Dennoch gilt es, sich auf das Turnier und die Mannschaft zu fokussieren und sich nicht unnötig ablenken zu lassen.
Wie schätzt Du als Referentin für Mädchenschach die Entwicklung des Frauenschach in Deutschland ein?
Ich glaube, dass noch ein weiter Weg vor uns liegt. Nach wie vor ist die Prozentzahl schachspielender Frauen und Mädchen sehr gering und die Förderung von Spitzenspielerinnen verbesserungswürdig. In den letzten Jahren wurde aber auch schon Einiges unternommen, um die Entwicklung des Frauenschachs in Deutschland voranzutreiben. Beispielsweise wird es dieses Jahr eine geschlossene Deutsche Meisterschaft und ein Frauenschachfestival geben und die DSJ hat eine Ausbildung ins Leben gerufen, die sich gezielt mit dem Training und der Betreuung von Mädchen beschäftigt. Trotzdem gibt es noch viel zu tun, und als Referentin für Mädchenschach versuche ich aktiv meinen Teil dazu beizutragen.
Was machst Du derzeit, neben Deinen Schachaktivitäten, sonst noch?
Hauptsächlich studieren :-). Ich mache gerade meinen Master in Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität in Groningen. Momentan bin ich mitten in der Datenerhebungsphase für meine Masterarbeit und noch auf der Suche nach hilfsbereiten Teilnehmern. Es wär unglaublich toll, wenn noch einige Schachspieler/innen an meiner ca. 30-minütigen Online-Studie teilnehmen könnten. Das wäre nicht nur ein großer Gewinn für meine Forschung, sondern auch super Unterstützung für die Olympiade, da ich dann eine Sorge weniger hätte :-)
Ganz lieben Dank schon mal!
Die Fragen für den DSB stellte Jonathan Carlstedt.
Bisherige Interviews: Elisabeth Pähtz | Tatjana Melamed | Liviu Dieter Nisipeanu
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9902