Positive Zahlen, hitzige Diskussionen – und ein Abwahlantrag.

4. Oktober 2025

Diskussion zu Transfrauen im Schach: DSB-Vize Jannik Kiesel, Online-Referent Jannik Liebelt, Referentin Sylvia Schenk

Sitzung des Hauptausschusses in Hofgeismar: Großer Überschuss im ersten Halbjahr, neuer Mitgliederrekord – und Kritik an präsidialer Personalentscheidung.

In der Evangelischen Tagungsstätte in Hofgeismar, Landkreis Kassel, gibt es traditionell eine Tageslosung, die öffentlich gemacht wird: Diese lautete zur Anreise der Delegierten des Deutschen Schachbundes: „Wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und an wem ist der Arm des Herrn offenbart?“ (Jesaja 53,1). Nun, verkündet wurde in Hofgeismar so einiges. Keine Prophezeiungen, aber viele Fakten - und harte Tatsachen. Einen Überschuss von 300.000 Euro im ersten Halbjahr 2025 konnte der Vizepräsident Finanzen, Alexander von Gleich, vermelden. Der werde zwar durch Nachbuchungen noch schmelzen, aber von Gleich sprach von "Einnahmen über Plan“ im Bereich Sponsoring, Mitgliedsbeiträge und Ausgabendisziplin. Und: Mit 98.353 Mitgliedern hat der Deutsche Schachbund in diesem Bereich einen neuen Höchststand erreicht. Die Schach-Familie wächst also kontinuierlich, aber nicht immer ging es beim Hauptausschuss familiär-harmonisch zu: Bei einigen Themen wurde sehr kontrovers diskutiert. Fünf Landesverbände kündigten an, über einen außerordentlichen Bundeskongress eine Abwahl des Präsidiums und Neuwahlen erreichen zu wollen. Der Antrag wurde in Hofgeismar bereits schriftlich eingereicht.

Ein Meinungsbild war nicht möglich - dann schritten fünf Landsverbände zur Tat.

Vorneweg: 35 Delegierte und Referenten waren vor Ort, oder online dabei. Getagt wurde (inklusive Pausen) von 9.05 bis 17.42 Uhr. Da der Hauptausschuss diesmal (wie immer in Jahren, wenn der Bundeskongress stattfindet) nichtöffentlich war, betonten einige Delegierte auch, dass sie keinesfalls zitiert werden möchten. Wir versuchen als DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit an dieser Stelle dennoch, die Diskussionen zusammenzufassen – so wie das nach eigener Aussage auch einige Landespräsidenten im Nachklapp der Versammlung gegenüber ihren Mitgliedern tun werden.

Klar, die Trennung von DSB-Geschäftsführerin Dr. Anja Gering, erhitzte einige Gemüter. Das wurde schon in den Tagen vor der Sitzung deutlich – und nun auch in Hofgeismar. Von drei Landesverbands-Präsidenten gab es harsche Kritik am Vorgehen des Präsidiums. Im Kern lautete der Vorwurf, der vom DSB-Betriebsrat im Rahmen eines Statements in Hofgeismar untermauert wurde, die Trennung sei von langer Hand vorbereitet worden, hätte so nicht erfolgen dürfen – und löse nun große Verunsicherungen bei weiteren DSB-Mitarbeitern und –Mitarbeiterinnen aus. Das könne zudem dem Verband im Zuge einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung finanziellen Schaden zufügen. Präsidentin Ingrid Lauterbach betonte, dass ihr bei Auskünften zu Personalfragen die Hände gebunden seien, sie könne und dürfe über die Gründe der Trennung folglich nichts oder nur sehr wenig sagen. Sie würdigte die Verdienste von Anja Gering in 19 Jahren für den DSB in unterschiedlichsten Funktionen noch einmal und betonte, man habe sich die Entscheidung nicht leichtgemacht.

Wie geht es weiter in der DSB-Zentrale? Einstweilen, so Lauterbach, würden vor allem sie und Alexander von Gleich viele Aufgaben übernehmen, die bisher bei der Geschäftsführerin lagen. Für die Nachfolge sei eine externe Lösung gefragt. Der DSB müsse sich in Teilen neu aufstellen, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden – das habe sie bereits in der Vergangenheit mehrfach betont. Von Gleich strich hervor, dass ihm die Erfolge, die das Präsidium zu verzeichnen habe, bei der aktuellen Diskussion zu kurz kämen. Er war es auch, der sich ein Meinungsbild wünschte, im Prinzip sogar die Vertrauensfrage an die Versammlung stellte – was aber die Geschäftsordnung nicht zulässt, wie der Jurist und Versammlungsleiter Klaus Deventer betonte. Und während ein Delegierter noch alle bat, doch zum Wohle des deutschen Schachs weniger zu streiten, kam es nach der Kaffeepause zu einer unerwarteten Eskalation: Fünf Landesverbände (Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Bayern, Thüringen) reichten einen Antrag für einen außerordentlichen Verbandstag ein – mit dem Ziel der Abwahl des Präsidiums und gleichzeitiger Neuwahlen. Hierzu wäre eine einfach Mehrheit ausreichend.

Transfrauen im Spielbetrieb: Ab sofort gilt eine Fristenregelung

Ein weiterer emotionaler Punkt: Wie geht der DSB mit Transfrauen um? Hierzu hatte der Schachbund eine Kennerin der Materie eingeladen: Sylvia Schenk, ehemalige Olympia-Teilnehmerin, Juristin, Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK) und ein führender Kopf von Transparency International. Auf dem Gebiet der Zulassungsregeln für Transpersonen im Leistungssport gilt sie als Expertin. „Ich habe Ihnen keine Lösung mitgebracht“, sagte sie zu Beginn – aber sie lieferte sehr gute Lösungsansätze, da waren sich am Ende alle einig. Schenk spannte den Bogen sehr anschaulich und sehr weit – von US-Präsident Donald Trump, der per Dekret nur noch zwei Geschlechter dulden möchte, bis zur Algerierin Ismane Khelif, die bei Olympia 2024 Gold im Frauenboxen gewann – aber im Jahr zuvor bei der WM einen Geschlechtstest nicht bestanden hatte. Solche Fälle, so Schenk würden eines zeigen: „Mann oder Frau – das ist nicht nur schwarz-weiß.“ Es seien stets schwierige Entscheidungen, zwischen Fairness im Wettkampf und Diskriminierung, auch Stigmatisierung. „Es gibt keine Lösung, bei der Sie sagen können: Das ist gerecht, das ist richtig.“ Deshalb würden sich – im Unterschied zum DSB – einige Verbände „nicht an das Thema herantrauen“. Erschwerend komme hinzu, dass in dieser Frage bei den Sportverbänden ein Flickenteppich herrsche. „Mein Plädoyer: So weit es geht, Menschen mit einem neuen Geschlecht im Breitensport zulassen, Inklusion zulassen. Im Leistungssport sollte man die Waage der Fairness beachten.“ Mit „so vielen Einschränkungen wie nötig“. Sie selbst könne Schachsport, wo die Physis keine große Rolle spielen, jedenfalls keine Vorteile für Transfrauen sehen.  

Im Anschluss ging es um diese Einschränkungen. Hierzu wurde mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit ein Dringlichkeitsantrag angenommen. Es ging darum eine verbindliche Regelung für Transgender-Personen für den Spielbetrieb zu finden. Wie geht der DSB zum Beispiel damit um, wenn während der laufenden Saison ein Spieler oder eine Spielerin ihr Geschlecht neu bestimmt? Bisher galt, dass ab dem Zeitpunkt der Eintragung ins Personenstandsregister für eine Transfrau sofort das Spielrecht für Turniere erteilt wurde. Die Teilnahme an der weiblichen Wertungsklasse steht allen Spielerinnen offen – aber erst ab der Folgesaison. Das kann eine Wartezeit zwischen einem und elf Monaten bedeuten, betonte ein Landespräsident, das sei eine gute, vertretbare Regelung, ein Kompromiss der das Thema befrieden könne. Und der auch mit knapper Mehrheit von der Frauenkommission so gewünscht wird. Genau so sahen es auch die Delegierten. 89 Prozent stimmten für diese Fristenlösung. Unabhängig davon – dafür votierten 98 Prozent – werde der Vorschlag von Schenk aufgegriffen und eine Arbeitsgruppe gegründet. Die Frauenbundesliga, so Ligachef Klaus Deventer, sei von der Fristenlösung (die sofort greift) nicht betroffen – weil es hier ohnehin immer Melde-Stichtage für die Teamlisten gibt.

Neu gewählt: Cleve-Prinz, Niemann und Gersinska

Als nichtzulässig eingestuft - so etwas gehöre auf den Bundeskongress, betonte Deventer - wurde ein Antrag auf Erhöhung des Seniorenbudgets. Aber der Antragsteller, der bisher nur kommissarische arbeitende Referent für Seniorenschach, Wolfgang Cleve-Prinz, wurde heute von der Versammlung bestätigt. Allerdings wurde es knapp, er erhielt nur 50,72 Prozent der Stimmen. Bei der Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden des Bundesturniergerichts war es deutlicher: 91 Prozent der Stimmen für Jannis Niemann, von Beruf Staatsanwalt. Zum neuen stellvertretenden Kassenprüfer wurde Jürgen Gersinska gewählt. Der stellvertretende Vorsitzende des Badischen Schachverbandes erhielt glatte 100 Prozent. Das schafft sonst nur der Vizepräsident Finanzen.

Eine Sonder-Briefmarke zum DSB-Jubiläum?

Informiert wurde über den Schachgipfel 2026. „Das schaut gut aus“, sagte Lauterbach. So ist unter anderem geplant, dass auch die Emanuel Lasker Gesellschaft in Dresden im Rahmen des Gipfels ihr 25jähriges Jubiläum feiern wird, mit einem olympischen Abend. Auch Teil des Rahmenprogramms nehmen bereits Gestalt an. Zum Jubiläum 125 Jahre DSB, das 2027 gefeiert wird, informierte Vizepräsident von Gleich: Man habe beim Bundesfinanzministerium die Auflage einer Sonder-Briefmarke beantragt, zudem werde Chessbase das Projekt Jubiläumsbuch von DSB-Ehrenpräsident Herbert Bastian digital begleiten. Von Gleich: „Wir wollen auch die jüngere Generation ansprechen.“ Mit Blick auf das Jubiläum ist die Gründung einer Kommission geplant.  

Und ja, es gab auch noch eine bemerkenswerte Szene: DSB und DSJ haben sich geeinigt, einen Streit um Mittelverwendung bei der Jugendorganisation beizulegen. Alexander von Gleich: „DSJ und DSB sind ja eine Familie.“ DSJ-Chef Finn Petersen nickte. Das hatte dann doch immerhin noch was Versöhnliches. (mw)

// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36810

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