27. Oktober 2015
Als Abschluß der Veranstaltungen zum 25. Jahrestag der Gründung des Schachverbandes Sachsen lud die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit Ran ans Brett e.V. und der Emanuel Lasker Gesellschaft zu einem zweitägigen Symposium "Schach (in) der DDR" ein. Themen waren unter anderem der DTSB-Leistungssportbeschluss von 1969 mit den Folgen für den DDR-Schachsport einige Jahre später und die deutsch-deutschen Schachvergleiche während des Kalten Krieges. Dazu wurden mehrere Personen der Zeitgeschichte für Diskussionsrunden eingeladen und einige Vorträge vorbereitet.
Am 16. und 17. Oktober 2015 war es dann soweit. Über dreißig Redner, Diskussionsteilnehmer und Zuschauer folgten am Freitagabend der Einladung in die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung in der Schützenhofstraße in Dresden. Fast genauso viele Gäste waren es am nächsten Morgen im Stadtmuseum Dresden in der Wilsdruffer Straße, ganz in der Nähe zur von 1992 bis 2005 wiederaufgebauten Frauenkirche.
Schirmherr des Symposiums war der Großmeister und einstige Weltklassespieler Wolfgang Uhlmann. Der 80-Jährige war in Begleitung seiner Frau Christine erschienen und saß an beiden Tagen teils in den Zuschauerrängen, teils als kompetenter Gesprächspartner auf dem Podium. Hier berichtete er so begeistert und ausführlich von seinen Erfolgen in Hastings und anderswo, das Moderator Paul Werner Wagner ihn schon stoppen mußte, um mit den eigentlichen Themen der Veranstaltung fortfahren zu können. Zu denen trug Uhlmann dann natürlich auch etwas bei, wobei auch deutlich wurde, daß die DDR-Schachlegende nicht in der Schaltzentrale der Macht waltete, sondern als erfolgreicher Schachspieler Privilegien genoß. Privilegien, die ihm und vielen anderen später geborenen DDR-Spitzenspielern ab etwa 1973 verwehrt blieben. Zu einer Zeit als der Leistungssportbeschluss des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) der DDR auch den Schachsport erreichte. Schach gehörte nicht zu den förderungswürdigen, medaillenträchtigen und olympischen Sportarten, womit auch die Reisen zu Wettkämpfen in das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet der Vergangenheit angehörten. Das wäre ja eigentlich nicht weiter schlimm, doch Zonen- und Interzonenturniere als Vorstufe der Weltmeisterschaften und Schacholympiaden fanden nunmal auch im westlichen Ausland statt. Damit blieb dem Schachsport, wie auch vielen anderen Sportarten der Weg zu internationalem Ansehen und Erfolgen verwehrt.
Der Direktor der gastgebenden Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, eröffnete am Freitag das Symposium mit unterhaltsamen Worten. Auch der Präsident des Schachverbandes Sachsen, Hans-Joachim Schätz, hielt eine kurze Rede. Damit war die Veranstaltung eröffnet und der Vorsitzende der Emanuel Lasker Gesellschaft, Paul Werner Wagner, trat an das Pult für seinen Vortrag zum Thema "Schachspieler als Diplomaten auf der Weltbühne des Sports - Schach zur internationalen Anerkennung der DDR bis 1973."
Nach Wagner war der seit Mai 2015 zum DSB-Beauftragten für Schachgeschichte und Schachkultur ernannte Dr. Michael Negele an der Reihe. Sein Thema war "'Schach blüht aus den Ruinen' - organisiertes Schach in der Bundesrepublik bis 1955". Er meinte allerdings selbst zu Beginn seines Vortrages, das Thema verfehlt zu haben, was der Aufmerksamkeit der Zuhörer und der Qualität seines Vortrags keinen Abbruch tat. Ersatzweise erfuhren die Anwesenden so sehr viel über Schachpersönlichkeiten aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg bis in die 1960er Jahre der Bundesrepublik. Ein Schwerpunkt seines stets interessanten Vortrages war die nicht aufgearbeitete Nazi-Vergangenheit bekannter Schachfunktionäre aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg bis in die 60er Jahre. Garniert hatte er das Ganze mit viel Bildmaterial in einer Präsentation per Computer und Beamer. Hier hatte allerdings erbarmungslos der Fehlerteufel zugeschlagen und seine PowerPoint-Datei zunichte gemacht und damit das verfügbare Material auf ein Minimum reduziert. Michael Negele versprach aber, die fehlerfreie Datei über die DSB-Website in absehbarer Zeit zur Verfügung zu stellen (s.u.).
Zum Abschluß des ersten Tages versammelte Paul Werner Wagner um sich mehrere Persönlichkeiten des deutschen Schachs zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Deutsch-deutsche Schachvergleiche im Kalten Krieg". Fernschach-Exweltmeister Dr. Fritz Baumbach und die Großmeister Dr. Helmut Pfleger, Wolfgang Uhlmann und Hans-Joachim Hecht saßen Wagner zur Seite. Baumbach vertrat dabei den ursprünglich geplanten GM Dr. Burkhard Malich.
Von besonderem Interesse erwiesen sich für die Zuhörer dabei die Erlebnisse von Hans-Joachim Hecht, der mit DDR-Ausweis am südlichen Rand von Berlin lebte, in Westberlin aber Schach spielte. Als Wanderer zwischen den Welten pendelte er hin und her. Seine letzte Reise führte ihn wenige Tage vor dem Mauerbau 1961 wieder gen Westberlin. Dabei entging er nur knapp einer Verhaftung, was ihm aber erst nach einem Besuch der Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen über 30 Jahre später bewußt wurde.
Nachfolgend noch einige Tondokumente (als Extrakt aus Videos) von der Podiumsdiskussion.
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 20391