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Serbien gewinnt die IBCA-Mannschafts-Europameisterschaft

5. Juni 2023

Die deutsche Mannschaft mit dem Bundestrainer: stehend v. l.: DBSB-Bundestrainer Wilfried Bode, Mirko Eichstaedt und Frank Schellmann, sitzend v. l.: Olaf Dobierzin und Gerhard Dyballa.

Deutschland belegte einen guten 5. Rang. Olaf Dobierzin und Gerhard Dyballa erkämpften Brettmedaillen.

Die 3. Mannschafts-Europameisterschaft der International Braille Chess Association (IBCA; Weltschachbund der Blinden und Sehbehinderten) fand vom 19. bis 30. April 2023 in Genua statt. Wir waren im Tower-Genova-Airport-Hotel untergebracht, das direkt am Flughafen gelegen ist. Die Spielbedingungen Im Hotel waren für die Teilnehmer hervorragend.

An diesem Turnier nahmen 14 Mannschaften teil, die zum europäischen Schachverband gehören. Dazu zählte wie in allen anderen Sportarten auch Israel. Eigentlich waren 16 Mannschaften angemeldet, doch Litauen und Ungarn meldeten sich kurzfristig ab.

Für die deutsche Mannschaft begann das Turnier unter schwierigen Umständen. Der Berichterstatter Gerhard Dyballa erfuhr erst zehn Tage vorher, dass er für einen verhinderten Spieler einspringen solle. Einen Tag vor Beginn der Meisterschaft konnte unser 2. Brett René Adiyaman aus Krankheitsgründen nicht nach Genua anreisen. Wir hofften auf sein Erscheinen, aber er war bis zum Ende der Veranstaltung krank ausgeblieben.

Runde 1

Vor der 1. Runde gegen Italien

Deutschland bezwang in der 1. Runde Italien mit 2,5:1.5. Nachdem Frank Schellmann ein Remis gegen den etwa gleichstarken Präsidenten des italienischen Schachverbandes, Bersan Vrioni, erspielen konnte, steuerte Olaf Dobierzin ein weiteres Remis bei. In der Folge gewann Mirko Eichstaedt nach einem langen Kampf gegen Italiens Mannschaftskapitän Marco Casadei in Zeitnot eine Qualität und damit die Partie. Dadurch entschloss ich mich trotz besserer Stellung auf „Nummer sicher“ zu gehen und bot meiner Gegnerin ein Remis an, das sie sofort annahm.

In der Auftaktrunde gewannen alle Favoriten, nur Spanien gegen Frankreich und Bulgarien gegen Kroatien spielten 2:2 unentschieden.

4 Italien Elo 1½:2½ Deutschland Elo
1 Casadei, Marco 1982 0:1 CM Eichstaedt, Mirko 2241
2 Vrioni, Bersan 1910 ½:½ CM Schellmann, Frank 1936
3 Badano, Giancarlo 1742 ½:½ Dobierzin, Olaf 1935
4 Pezzolato, Erica 1453 ½:½ Dyballa, Gerhard 1912
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C54

Runde 2

Vor der 2. Runde gegen Polen

In der 2. Runde traten wir gegen den aktuellen Weltmeister Polen an. Nach drei Remisen besiegelte Mirko Eichstaedts Niederlage das 2,5:1,5 für Polen. Er kämpfte gegen den auf dem 1. Ranglistenplatz gesetzten Großmeister Marcin Tazbir (Elo 2503) und unterlag nach einem langen und harten Kampf. Eichstaedt erspielte ein ausgeglichenes Turmendspiel, das er aber in Zeitnot nicht halten konnte.

Serbien schlug überraschend sehr hoch 3,5:0,5 die Ukraine und gewann wie Polen seinen zweiten Mannschaftskampf. Nur diese zwei Mannschaften verbuchten zwei Siege nach zwei Runden.

4 Deutschland Elo 1½:2½ Polen Elo
1 CM Eichstaedt, Mirko 2241 0:1 GM Tazbir, Marcin 2503
2 CM Schellmann, Frank 1936 ½:½ IM Stachanczyk, Jacek 2159
3 Dobierzin, Olaf 1935 ½:½ IM Dukaczewski, Piotr 2091
4 Dyballa, Gerhard 1912 ½:½ Migala, Andrzej 1938
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E06

Runde 3

Vor der 3. Runde gegen Israel

Nach einem langen und spannenden Kampf musste sich Deutschland in der 3. Runde gegen Israel mit einem Unentschieden begnügen. Zuerst siegte Olaf Dobierzin. Sein Gegner stellte im Mittelspiel einen Springer ein und gab sofort die Partie auf. Dann einigten sich Frank Schellmann und der Berichterstatter mit ihren Gegnern auf die Punkteteilungen. Mirko Eichstaedt versuchte sehr lange gegen den FM Alexej Strelzow seine schwierige Stellung zu halten. In einem Leichtfigurenendspiel verlor er einen Bauern und gab nach 85 Zügen die Partie auf.

In dieser Runde kam es zu zwei Spitzenpaarungen. Polen spielte 2:2 gegen Serbien und Spanien gewann knapp mit 2,5:1,5 gegen die Ukraine.

4 Israel Elo 2:2 Deutschland Elo
1 FM Strelzow, Alexej 2326 1:0 CM Eichstaedt, Mirko 2241
2 Radowilskij, Jan 2014 ½:½ CM Schellmann, Frank 1936
3 Alon, Levi 1668 0:1 Dobierzin, Olaf 1935
4 Marchenko, Juri - ½:½ Dyballa, Gerhard 1912
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D00

Runde 4

Vor der 4. Runde gegen Slowenien

Deutschland trennte sich in der 4. Runde mit einem 2:2-Unentschieden gegen das schwächer eingeschätzte Slowenien. Mirko Eichstaedt machte mit seinem Gegner kurzen Prozess. In der Eröffnung gewann er eine Qualität und dann schnell auch die Partie. Frank Schellmann verpasste in Zeitnot die Möglichkeit eines Bauerngewinns und das Spiel endete mit einem Remis. Die Bretter 3 und 4 kämpften sehr lange. Meine Partie wurde in der Eröffnung lange unterbrochen, da es ein Verständigungsproblem gab, was zur Folge hatte, dass wir beide dachten, die Partie gewonnen zu haben. Dann machte ich einige ungenaue Züge und stand mit zwei Minusbauern auf Verlust. Mein Gegner spielte einige schwächere Züge und ich konnte im Doppelturmendspiel ein Dauerschach finden. Olaf Dobierzin verlor in Zeitnot ein remisliches Endspiel und unser Kampf gegen Slowenien endete mit einem 2:2.

Es war ein Tag voller Überraschungen: Polen verlor sensationell gegen Bulgarien mit 1,5:2,5 und Serbien spielte gegen Spanien 2:2 unentschieden.

4 Deutschland Elo 2:2 Slowenien Elo
1 CM Eichstaedt, Mirko 2241 1:0 Ursic, Aleksander 1834
2 CM Schellmann, Frank 1936 ½:½ Znuderl, Matej 1838
3 Dobierzin, Olaf 1935 0:1 Stimec, Marjan 1771
4 Dyballa, Gerhard 1912 ½:½ Muri, Emil 1799
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D11

Runde 5

Vor der 5. Runde gegen Rumänien

Deutschlands 3:1-Sieg gegen die Mannschaft aus Rumänien in der 5. Runde war verdient. Nachdem Frank Schellmann und Olaf Dobierzin sich mit ihren Gegnern den Punkt geteilt hatten, gewann Mirko Eichstaedt eine interessante Partie. Er bekam im Mittelspiel einen kleinen Vorteil, den er zum Sieg ummünzen konnte. Ich griff meinen Gegner auf dem Damenflügel an, eroberte dort seinen Springer und nachdem seine Dame geschlagen werden sollte, gab mein Gegner die Partie auf.

4 Rumänien Elo 1:3 Deutschland Elo
1 FM Pribeanu, Mihail-Dacian 2130 0:1 CM Eichstaedt, Mirko 2241
2 Dima, Mihai 1944 ½:½ CM Schellmann, Frank 1936
3 Morariu, Ionel 1914 ½:½ Dobierzin, Olaf 1935
4 Bursuc, Mihai 1808 0:1 Dyballa, Gerhard 1912
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A12

Runde 6

Vor der 6. Runde gegen die Ukraine

In der 6. Runde mussten wir eine unglückliche Niederlage mit 1:3 gegen die Ukraine hinnehmen. Mirko Eichstaedt erreichte gegen den gleichstarken Wladislaw Kolpakow nach der Eröffnung eine ausgeglichene Stellung und gab sich mit der Punkteteilung zufrieden. Olaf Dobierzin spielte gegen die mehrmalige Frauenweltmeisterin Lubov Ziltzowa-Lisenko, die wie immer sehr schnell agierte. Dobierzin gewann einen Bauern und stand besser, musste sich aber in seiner Zeitnot mit einem Unentschieden zufrieden geben.

Nach der Niederlage von Frank Schellmann wurde der Mannschaftskampf am Brett 4 entschieden. Gegen den spielstarken Iwan Jazischin, der noch bei der Weltmeisterschaft in Ohrid auf dem 4. Brett die Goldmedaille erkämpft hatte, stand ich schon in der Eröffnung nach nur 18 Zügen auf Gewinn. Statt einfache Gewinnzüge zu spielen, schob ich einen Bauern nach vorne, tauschte die Schwerfiguren und landete in einem schwer zu spielenden Springerendspiel. In einer unklaren Stellung gewann ich zwar einen Springer für zwei Randbauern, konnte die Partie nicht halten und gab sie nach 65 Zügen auf.

Polen besiegte Spanien mit 3:1 und stand nach sechs Runden zusammen mit Serbien mit 9 Punkten an der Tabellenspitze.

4 Ukraine Elo 3:1 Deutschland Elo
1 Kolpakow, Wladislaw 2248 ½:½ CM Eichstaedt, Mirko 2241
2 Schepeljow, Igor 2076 1:0 CM Schellmann, Frank 1936
3 WIM Zilzowa-Lisenko, Lubov 2151 ½:½ Dobierzin, Olaf 1935
4 Jazischin, Iwan 2049 1:0 Dyballa, Gerhard 1912
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C77

Runde 7

Vor der 7. Runde gegen Serbien

Gegen den späteren Europameister Serbien verloren wir in der 7. Runde ebenfalls mit 1:3. Frank Schellmann spielte eine interessante Partie, in der er die Remismöglichkeit übersehen hatte und die Partie verlor. Auch in der Partie von Olaf Dobierzin entstand eine komplizierte Stellung, die in beiderseitiger Zeitnot zu einem Unentschieden führte.
Ich bekam nach der Eröffnung eine ausgeglichene Stellung, machte dann einige ungenaue Züge und verlor das Turmendspiel. Mirko Eichstaedt konnte einen Mehrbauern nicht verwerten.

Nach dieser Runde wurde Deutschland mit den erzielten sechs Mannschaftspunkten auf den 9. Platz durchgereicht und stand nur noch mit einem Punkt vor der Mannschaft aus Nordmazedonien, die den vorletzten Rang belegte.

4 Deutschland Elo 1:3 Serbien Elo
1 CM Eichstaedt, Mirko 2241 ½:½ FM Dimic, Pavle 2349
2 CM Schellmann, Frank 1936 0:1 CM Jandric, Damjan 2110
3 Dobierzin, Olaf 1935 ½:½ Janjic, Stefan 2089
4 Dyballa, Gerhard 1912 0:1 Bjelanovic, Mile 2059
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C93

Die Partie von Brett 1 fehlt.

Runde 8

Vor der 8. Runde gegen den Kosovo

In der vorletzten 8. Runde wurde der Kosovo mit 3,5:0,5 von uns geschlagen. Olaf Dobierzin bekam nach einer halben Stunde einen freien Tag, da sein Gegner nicht zur Partie erschienen war. Frank Schellmanns Gegner opferte schon in der Eröffnung einen Bauern und griff wild an. Schellmann konnte sich aber behaupten und verwertete seinen Materialvorteil zum Sieg. Ich griff auf dem Damenflügel an, wo ich einen Freibauern bekam. Nach einer späteren Damenumwandlung gab mein Gegner die Partie auf. Mirko Eichstaedt kämpfte sehr lange gegen den starken Muhamet Asilani bis zu „nackten“ Königen.

4 Kosovo Elo ½:3½ Deutschland Elo
1 Asllani, Muhamet 2238 ½:½ CM Eichstaedt, Mirko 2241
2 Gashi, Gani 1741 0:1 CM Schellmann, Frank 1936
3 Ymeri, Rinor 1618 -:+ Dobierzin, Olaf 1935
4 Berisha, Xhafer 1448 0:1 Dyballa, Gerhard 1912
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C54

Runde 9

Vor der 9. Runde gegen Kroatien

In der letzten Runde wurde Kroatien mit 3,5:0,5 bezwungen. Am 4. Brett kannte ich mich besser als mein kroatischer Gegner in der Eröffnung aus und verbuchte schnell den ersten vollen Punkt auf dem Mannschaftskonto. Nach einem Unentschieden von Olaf Dobierzin gewannen Mirko Eichstaedt und Frank Schellmann ihre Partien. Eichstaedt war zwar mit einem leichten Nachteil aus der Eröffnungsphase rausgekommen, konnte die Partie aber nicht nur ausgleichen, sondern sogar in vorteilhafter Stellung eine Leichtfigur erobern. Schellmann überspielte seinen Gegner, gewann zwei Bauern und in einem Doppelturmendspiel die Partie.

4 Deutschland Elo 3½:½ Kroatien Elo
1 CM Eichstaedt, Mirko 2241 1:0 Cajzler, Hinko 2030
2 CM Schellmann, Frank 1936 1:0 Culjak, Miso 1705
3 Dobierzin, Olaf 1935 ½:½ Kljaic, Kresimir 1520
4 Dyballa, Gerhard 1912 1:0 Madjeric, Miroslav -
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E18

Es gab noch zwei Überraschungen: Bulgarien spielte nur Remis gegen den Kosovo und verschaffte dadurch dem Kosovo den ersten Mannschaftspunkt. Italien erkämpfte ein 2:2-Unentschieden gegen Israel, das auf den siebten Platz abrutschte. Damit stand Deutschland am Ende anderthalb Brettpunkte vor Bulgarien mit zehn Mannschaftspunkten auf dem 5. Platz. Die ersten vier Plätze belegten Serbien, Polen, die Ukraine und Spanien.

Zusammenfassung

Wir waren auf der Rangliste auf Platz 4 gesetzt, aber spielen nach dem Fehlen von Adiyaman ersatzgeschwächt. Nach unserem schwachen Start mit vier Mannschaftspunkten aus vier Spielen und den zwei unglücklichen Niederlagen gegen die Ukraine und Serbien waren wir mit dem 5. Platz sehr zufrieden.

Bei der Siegerehrung verbesserte sich unsere Laune. Olaf Dobierzin erkämpfte am 4. Brett die Silber- und ich am Ersatzbrett die Bronzemedaille.

Der Bundestrainer des DBSB, Wilfried Bode bereitete einzeln die Spieler auf die Partien vor, analysierte diese mit ihnen und stand jederzeit mit guten Ratschlägen zur Verfügung. Auch die Begleiter hatten ihren Anteil an unserem Spiel. Luise Schellmann, Jana Eichstaedt und Elisabeth Dyballa betreuten uns herzlich und gingen stets auf unsere Wünsche ein.

Endstand

Pl. Mannschaft Land MP BP 1 2 3 4 5 6 7 8 9
1 Serbien 15 25,5 8s3½ 3w3½ 2s2 4w2 7s2 6w2½ 5s3 9w3½ 11w3½
2 Polen 14 23,5 12w3½ 5s2½ 1w2 6s1½ 8w2½ 4s3 3w2 7s3 9w3½
3 Ukraine 13 23,0 14w4 1s½ 4s1½ 11w3½ 10s2½ 5w3 2s2 6w3 12s3
4 Spanien 13 21,0 11w2 9s2½ 3w2½ 1s2 6w2 2w1 10s2½ 13s3½ 8w3
5 Deutschland 10 20,0 10s2½ 2w1½ 7s2 8w2 9s3 3s1 1w1 14s3½ 13w3½
6 Bulgarien 10 18,5 13w2 11s2 9w2½ 2w2½ 4s2 1s1½ 8w3 3s1 14w2
7 Israel 9 17,5 9w1½ 14s2½ 5w2 12s2½ 1w2 8s1½ 13w2½ 2w1 10s2
8 Slowenien 9 16,5 1w½ 13s2½ 11w3 5s2 2s1½ 7w2½ 6s1 12w2½ 4s1
9 Rumänien 8 17,5 7s2½ 4w1½ 6s1½ 10w3 5w1 12s3 14w4 1s½ 2s½
10 Italien 7 18,5 5w1½ 12s2 13w3 9s1 3w1½ 14s4 4w1½ 11s2 7w2
11 Frankreich 7 15,0 4s2 6w2 8s1 3s½ 14w3 13w2 12s2 10w2 1s½
12 Nordmazedonien 5 14,5 2s½ 10w2 14s3 7w1½ 13s2 9w1 11w2 8s1½ 3w1
13 Kroatien 5 13,5 6s2 8w1½ 10s1 14w2½ 12w2 11s2 7s1½ 4w½ 5s½
14 Kosovo 1 7,5 3s0 7w1½ 12w1 13s1½ 11s1 10w0 9s0 5w½ 6s2

Impressionen von der Siegerehrung

Gerhard Dyballa
Pressewart des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten- Schachbundes (DBSB)

Redaktionell leicht bearbeitet

Dieser Bericht beim DBSB | Ergebnisse bei ChessResults

// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 11130

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