USA bei den Männern und China bei den Frauen Olympiasieger

Rasim Chuseinow

42. Schacholympiade vom 1. - 13. September 2016 in Baku

Die Schacholympiade 2016 ist vorbei, die Nationalmannschaften sind aus Baku abgereist und die meisten wohl auch inzwischen wieder zuhause angekommen. Bei den Männern bzw. im sogenannten Open siegten die US-Amerikaner, bei den Frauen die Chinesinnen.

Die USA lieferten sich in den letzten Runden ein Fernduell mit der Ukraine, das bereits in Runde 6 vorentschieden wurde, als die USA der Ukraine den einzigen Punktverlust beibrachte - eine 1½:2½-Niederlage. Am Ende waren beide Länder punktgleich mit 20:2 durch das Ziel gekommen. Die als Zweitwertung herangezogene Sonneborn-Berger-Wertung sah den neuen Olympiasieger mit 9 Punkten im Vorteil. In der Drittwertung (Brettpunkte) gab es sogar nur einen halben Punkt Differenz.

Im Frauenturnier gab es mit China gegen Russland ein echtes Finale. Die Chinesinnen hatten zwei Punkte Vorsprung, aber die schlechtere Zweitwertung. Als Russland mit 1:0 in Führung ging, sah alles nach einem Erfolg der Verfolgerinnen aus. Doch China drehte das Match und gewann sogar noch 2½:1½.

Sind wir international nicht konkurrenzfähig?

Raj Tischbierek

Die beiden deutschen Mannschaften hatten einen verhältnismäßig guten Start in Baku. Im weiteren Verlauf dominierte aber bestenfalls der Durchschnitt. Gegen schwächere Gegner wurden meistens Siege eingefahren, gelegentlich aber auch mal Punkte liegengelassen. Gegen stärkere Gegner gingen die Wettkämpfe immer verloren. Mit so einem Ergebnisrhythmus kann man natürlich nicht auf der Sonnenseite landen.

Einzig und allein Matthias Blübaum spielte über dem Durchschnitt. Mit einer Turnierleistung von 2744 war er die Nummer 11 am 3. Brett, über alle Bretter die Nummer 34. Nur Liviu Dieter Nisipeanu konnte halbwegs Schritt halten mit einer 2684er Leistung. Damit konnte er wie auch Marta Michna und Elena Levushkina bei den Frauen sein derzeitiges Potenzial abrufen. Aber mehr leider auch nicht.

Ein Spieler in Bestform, drei Spieler in Normalform. Das ist zu wenig um im Konzert der Weltelite - und sei es auch nur am Rand - mitzuspielen. Woran lag es? Falsche Vorbereitung oder hatten die Gegner einfach eine bessere Form? Oder sind die FIDE-Elozahlen der deutschen Spieler einfach zu hoch und damit die Einordnung auf Platz 13 (Männer) bzw. 10 der Setzliste einfach ungerechtfertigt?

Das Phänomen mit Wertungszahlinseln kenne ich noch aus meiner Arbeit in der Wertungskommission von 1996 bis 2010. In diesem Zeitraum wurden von der Systemkontrolle immer wieder Gebiete mit einem Wertungszahlinzest festgestellt. Wenn ein Gebiet relativ autark ist und die Spieler dort kaum über die Grenzen ihres Gebietes hinauskommen, verselbständigt sich die Entwicklung der Wertungszahlen in diesem Gebiet. Meistens nach oben.
Ist Deutschland inzestverdächtig? Ich würde eher sagen nein, denn in Deutschland findet man auf den Turnieren viele Ausländer und viele deutsche Spitzenspieler spielen auch im Ausland. Ob wirklich etwas an einem abnormalen Elo-Durchschnitt in Deutschland dran ist, werden Mathematiker und Statistiker besser beantworten können.

Das unfaire Schweizer System

140 Mannschaften bei den Frauen, 180 bei den Männern. Da kann natürlich unmöglich jeder gegen jeden spielen, was das faireste aller Spielsysteme wäre. Deshalb wurde das Schweizer System erfunden, von einem Schachspieler namens Julius Müller. Angewandt wurde es erstmals am 15. Juni 1895 bei einem Turnier in Zürich. Und Zürich liegt in der Schweiz, wodurch das System wahrscheinlich seinen Namen bekam.

Beim traditionellen Schweizer System werden die Teilnehmer am Anfang nach der Spielstärke sortiert und in Runde 1 spielt die obere Hälfte der Teilnehmer gegen die untere Hälfte. Das setzt sich in den folgenden Runden so fort, wobei als erstes Zuordnungskriterium die erzielten Punkte berücksichtigt werden.

Mit der zunehmenden Computerisierung in den 1990er Jahren wurde das Schweizer System weiter verfeinert. Es entstanden viele Modifikationen, von denen die einen sinnvoll waren und die anderen eher lieber eingemottet werden sollten. Ein Punkt ist bei diesen Modifikationen immer zu beachten:

• Die Paarungen müssen so zugeordnet werden, daß sich nach der letzten Runde eine möglichst gerechte Plazierung ergibt, die einem Vollrundenturnier nahe kommt.

Bei 180 Teilnehmern und nur 11 Runden nach Schweizer System ein schier aussichtsloses Unterfangen. Da fehlen ganz einfach 168 Runden. Gerade einmal 6,1 % aller Paarungen wurden bei den Männern gespielt. Wie soll man mit so wenig Partien eine vernünftige Rangliste bekommen?!

DSB-Turnierseite

Frank Hoppe