23. August 2016
In unserem südlichen Nachbarland hat es das wahrscheinlich größte deutsche Schachtalent seit Emanuel Lasker mal wieder richtig krachen lassen. Der erst 11-jährige Vincent Keymer, der im Oktober zum deutschen Kader in der Altersklasse U12 bei der Jugend-Weltmeisterschaft in Batumi (Georgien) gehört, erzielte beim Wiener Open sensationelle 7½ von 9 Punkten. Ab Runde 5 bekam er es dabei ausschließlich mit Großmeistern zu tun, von denen er drei besiegte und mit zweien remis machte! Sein letztes Opfer war in Runde 9 der 75-fache deutsche Nationalspieler Gerald Hertneck, dessen Königsangriff er überzeugend verpuffen ließ.
Das grandiose Ergebnis von Vincent bedeutete am Ende Platz 3 unter 310 Teilnehmern - nur einen halben Punkt hinter dem Turniersieger GM Markus Ragger und dem mit Vincent punktgleichen Ukrainer IM Wolodimir Wetoschko. Damit wurde Vincent natürlich auch bester deutscher Spieler und eine GM-Norm* dürfte sein Ergebnis bei einer Eloleistung von 2586 auch wert sein.
Gratulation!
Rd. | Br. | Titel | Name | Elo | Land | Erg. | Elo+/- |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 38 | Marcus Lechner | 2017 | s ½ | -7,60 | ||
2 | 68 | Marcel Marentini | 2032 | w 1 | 2,60 | ||
3 | 34 | Riccardo Marzaduri | 2128 | s 1 | 4,40 | ||
4 | 22 | FM | Petter Stigar | 2236 | w 1 | 7,00 | |
5 | 11 | GM | Simon Williams | 2443 | s ½ | 2,60 | |
6 | 12 | GM | Nikolaus Stanec | 2457 | w 1 | 13,00 | |
7 | 5 | GM | Keith Arkell | 2464 | s 1 | 13,20 | |
8 | 3 | GM | David Shengelia | 2572 | w ½ | 5,60 | |
9 | 5 | GM | Gerald Hertneck | 2469 | s 1 | 13,20 |
Hinter dem Knirps aus Saulheim in Rheinland-Pfalz, der mit früheren Leistungen schon die Nichtfachpresse und das Fernsehen magisch anzog, verblassen die Leistungen der anderen deutschen Kaderspieler. Baku-Olympionik Rainer Buhmann erreichte souverän Platz 4, Thorben Koop glänzte mit Platz 7 und Josefine Heinemann machte mit ihrem sensationellen 20. Platz fast so viele Elo-Punkte plus wie Vincent.
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www.vienna-chess-open.at | ChessResults
Frank Hoppe
* Wie uns verschiedene Leser per E-Mail, Chat oder sozialen Medien mitteilten, hat Vincent wohl doch keine GM-Norm gemacht. Sein Gegnerschnitt sei dafür nicht ausreichend - oder/und auch die Turnierleistung. Ein Leser merkt aber an, daß es sein kann, daß die schwächeren Gegner auf 2.200 angehoben werden und Vincent dadurch die nötigen Kriterien erfüllt. Das ließe sich aus dem Regelwerk herauslesen.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 21258
Kommentare
Kommentar von Thomas Richter |
Als einer von mehreren die sich gemeldet hatten: Das Regelwerk ist zwar kompliziert aber wohl eindeutig - doch keine GM-Norm für Vincent Keymer. Einerseits wird (Artikel 1.46) die Elo des schwächsten Gegners auf 2200 angehoben [aber nur für einen, nicht für drei nominell schwächere Gegner] - damit liegt seine "korrigierte" Turnierleistung knapp über 2600 die man minimal braucht. Andererseits (Artikel 1.48a) braucht man einen minimalen Gegnerschnitt von Elo 2380 - wohl deshalb sind in den Tabellen unter Artikel 1.72 erforderliche Punktzahlen bei schwächeren Gegnern nicht erwähnt. Und auch korrigiert ist Keymers Gegnerschnitt nur 2333 - auch Wetoschko hat wegen zu niedrigem Gegnerschnitt wohl keine GM-Norm erzielt.
Eine IM-Norm ist es natürlich für Keymer. Manchmal akzeptiert FIDE vielleicht auch "grenzwertige" GM-Normen - aber wenn Keymer sich weiter entwickelt, sind vollwertige Normen wohl nur eine Frage der Zeit. Für den GM-Titel braucht er neben (meistens) drei Normen ja auch Elo 2500, nach diesem Turnier fehlen dazu noch knapp 100 Elopunkte.
Kommentar von Leo Evers |
Ich hab's gerade auch noch mal nachgerechnet und gebe Thomas Richter recht - es kann (aus deutscher Sicht - leider) nur einer der drei Spieler mit ELO <2200 auf ebendiesen Wert angehoben werden, wodurch der notwendige Gegnerschnitt von 2380 nicht erreicht wird. Nach dem Remis in Runde 1 war es halt schon schwer, bei diesem Teilnehmerfeld die 2380 überhaupt zu erreichen. Übrigens liegen auch 4 der 5 GM-Gegner von Vincent unter aktuell unter den ELO 2500, ab denen der Titel verliehen wird - das hat auch noch zum geringeren Wertungsschnitt beigetragen.
Der Mindest-Wertungsschnitt ist auch sinnvoll, denn sonst könnte man ja mit 8,5 aus 9 gegen einen Schnitt von 2170 GM-Normen erzielen - das kanns ja auch nicht sein...
Die Zeiten der Anerkennung "grenzwertiger" Normen durch die FIDE gehören hoffentlich der Vergangenheit an - zuviel wurde da früher "gemauschelt".
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