24. Januar 2025
GM Henrik Teske ist durchs Schachspielen wahrlich schon weit herumgekommen. Über 50 Länder hat er bereist, Land und Leute kennen gelernt, Museen und Gotteshäuser besucht, unzählige Fotos geschossen – und Schachtraining gegeben. Von Kuba und Barbados über Südafrika und Indien. Nicht nur als unermüdlich spielender Großmeister (allein im Jahr 2016 waren es 37 Vor-Ort-Turniere mit 330 Wettkampf-Partien mit unterschiedlichen Bedenkzeiten) ist er in der Schachszene bekannt, sondern auch als erfolgreicher Jugend-Trainer. Folgerichtig ist er für seine Verdienste um die Weiterentwicklung von jungen Spielerinnen und Spielern vom Deutschen Schachbund als Trainer des Jahres geehrt worden – und das gleich zweimal, 2015 (als sein Schützling GM Roven Vogel U-16-Weltmeister wurde) und 2022, für das Projekt Peglau. Seit einigen Jahren ist Teske der Privattrainer der Familie Peglau. Und auch der Mann hinter dem ungewöhnlichsten Team in der Frauen-Bundesliga: Das Schachzentrum Seeblick – und damit die Familie Peglau - mischt im Konzert der Großen mit.
Am Wochenende ist wieder Bundesliga – Heimspieltag für Aufsteiger Schachzentrum Seeblick. Das SZ Seeblick sind vor allem sechs Peglau-Schwestern, deren Freundinnen - und Henrik Teske im Hintergrund. „Ohne ihn, sein unfassbares Schach-Wissen und seine Verbindungen wäre das hier nicht machbar“, sagt das weibliche Familien-Oberhaupt Adelheid Peglau: "Aber sein größtes Plus ist seine unendliche Geduld."
Die Peglaus und die Bundesliga. Eine Konstellation, wie es sie im Spitzensport wohl noch nie gab. „Es ist ein Familienprojekt – und damit schon ein Kontrastprogramm zu anderen“, sagt Teske im Gespräch mit Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit. Wohl wahr: Andere Bundesligisten holen sich für die Spieltage gut bezahlte Spitzenspielerinnen aus Nah und Fern – in Dippoldiswalde bleibt alles bodenständig.
Die 16jährigen Zwillinge WFM Charis Peglau und Dora Peglau, die im Jugendbereich auf nationaler und internationaler Ebene schon als Titelhamster bekannt sind (und die auch beim ersten Bundesliga-Punktgewinn, dem 3:3 gegen die SF Deizisau punkteten), bilden mit den älteren Schwestern Mirjam Peglau (18) und Sarah Peglau (21) schon „einen gefürchteten Mädchen-Vierer“ (O-Ton Teske), ergänzt um Mutter Adelheid und Lorena Peglau (13), sowie Nesthäkchen Louise Deborah (8). Zum Aufstieg trugen die Jugendlichen Rebecca Browning und Lena Hentschel bei. Neu im Team sind WIM Dr. Gundula Heinatz, WIM Ulrike Rößler, WFM Katerina Bräutigam, WIM Evelyn Wagenschütz und WFM Dr. Anita Just – ausschließlich Spielerinnen, die die Peglaus auf Jugend- und Erwachsenen-Turnieren kennenlernten.
Seit 2016 arbeitet Henrik Teske mit der Familie zusammen. Damals kam er mit ihnen bei der Jugend-EM in Prag ins Gespräch. „Erstmal war nur abgesprochen, dass ich mithelfe, die Kinder im Schach voranzubringen.“ Aber längst wurde mehr daraus. Während der Pandemie wurde Teske zeitweise sogar zum Ersatzlehrer in Fächern wie Russisch und Mathematik. „In dieser Zeit war ich fast durchgehend bei den Peglaus. Wir haben diese Zeit gemeinsam gut überstanden. Oft trainierten wir und konnten sogar noch an einigen Turnieren in Tschechien teilnehmen. Mit dem E-Bike erkundete ich zudem die gesamte Gegend“, so Teske.
„Obwohl die Kinder ihn immer noch beharrlich Siezen, woran man sieht, wie groß der Respekt vor ihm ist“, sagt Adelheid Peglau, „kann man doch auch sagen, dass er längst ein Teil der Familie geworden ist.“ Ein Mix aus freundschaftlichem Verhältnis und beruflicher Beziehung. Wohl wissend, so Adelheid Peglau, dass der Faktor Freundschaft entscheidend dafür ist, dass man sich die Dienste von Teske überhaupt leisten könne. „Wir haben eine Basis gefunden, bei der er uns extrem entgegengekommen ist.“ Teske formuliert es mit einem Lächeln so: „Ich war und bin ein Schachverrückter. Wer das Spiel so liebt wie ich, bekommt Training gern zu sehr günstigen Preisen.“
Entscheidend ist der Wohlfühlfaktor – für beide Seiten. Henrik Teske war viele Jahre ständig in Sachen Schach auf Achse. Als Schachprofi und eine zeitlang auch als ein Teilzeitmitarbeiter eines kleinen österreichischen Schachversandes. Der 56-Jährige liebt das Reisen, spricht verhandlungssicher Englisch, Spanisch und Russisch. Auf vielen Gebieten passen die Interessen gut zusammen. „Überall stehen meine Reisesachen. Und eine Reisetasche ist meist irgendwo mit mir unterwegs“, sagt Teske und lacht.
Ganz so krass scheint es aber mit der Reiserei allerdings aktuell nicht mehr zu sein. In gewisser Weise ist er sesshaft geworden. Das Haus Seeblick, in dessen Saal auch die Bundesligakämpfe stattfinden, bietet sehr viel Platz. Teske hat dort ein kleines Zimmer. „Wenn einer aus der Familie Schachtraining haben möchte, dann bekommt er das auch zu jeder Zeit“, sagt er. „Vormittags ist meist noch etwas Zeit für einen Ausflug in die Natur und in die vielen schönen Museen. Der Badesee vor der Nase, E-Bike, Deutschland-Ticket, Schlösserlandkarte und Museumskarte für Dresden machen es angenehm.“
Häufig pendelt Teske zwischen seinem Wohnort in Suhl, wo seine Eltern leben, nach Dippoldiswalde und begleitete die Kinder zu fast allen Turnieren. Auch seine Eltern haben alle Peglaus in ihr Herz geschlossen. Während des Turnieres in Bad Königshofen wird etwas zusammengerückt und die Familie Peglau übernachtet in Suhl. „In diesem Jahr haben Louise und Dora ein kleines Weihnachtskonzert am Klavier gegeben, letztes Jahr Lorena an der Querflöte und Mutti an der Gitarre im Duett. Meine Eltern haben sich riesig über den Besuch gefreut.“
Was ein Trainer so macht? Im Fall von Charis und Dora bedeutete das, dass er bei der Jugend-WM in Brasilien zuletzt teils um vier Uhr nachts aufgestanden ist, um die Mädchen vorzubereiten. Es galt, Material über die Gegner in unterschiedlichsten Quellen suchen. „Manchmal erdrückt einen die Datenflut, manchmal findet man fast nichts und man stochert im Nebel“, so Teske und schildert den Ablauf detailliert: „Den Spielstil der Gegner analysieren, Schwächen und Stärken herausfiltern, abschätzen, welcher Gegner wie flexibel ist. Danach konkretere Varianten überprüfen, diese möglichst mit neuen Ideen verbessern. Danach ab zum Schwimmen ins Meer. Frühstück. Und danach die Spielerinnen briefen – möglichst in der richtigen Dosis, dass noch genug Kraft für die eigentliche Partie bleibt, auch wenn es Überraschungen gibt. Nach der Partie noch Besprechung, was gut und was schlecht gelaufen ist. Auch ein Sieg ist kein Ruhekissen. Fehler dürfen nicht wiederholt werden, denn die modernen PC-Programme bringen sie ans Licht und der nächste Gegner ist in der gleichen Variante garantiert besser vorbereitet.“
Natürlich kümmert er sich auch um viel Organisatorisches rund um die Schach-Bundesliga – gemeinsam mit Sarah und Adelheid Peglau. „Mein Herz hängt an der Familie – und an diesem Projekt. Ich bewundere, wie sie das alles unter einen Hut kriegen“, sagt er. Er ist selbst beeindruckt, wie gut organisiert die Peglaus sind, auch welche Multi-Talente es unter den Kindern gibt – in Sachen Musik und Sport. „Ich finde diese Vielseitigkeit gut. Dora könnte bald am Klavier Konzerte geben, so gut ist sie – und im Fußball war sie Jahre lang Kapitänin in einer Liga-Mannschaft der Jungen“, sagt Teske. „Natürlich denke ich manchmal, was im Schach für die Kinder alles möglich wäre, wenn der Fokus noch mehr darauf liegen würde.“ Und, das ist ihm wichtig: Alle Peglaus seien im Übrigen auch der Beweis dafür, „dass Talent nur ein Aspekt ist.“ Alle würden hart arbeiten, um sich zu verbessern. Der Trainer: „Ich glaube, Fleiß ist wichtiger als Talent. Aber am besten ist es, wenn beides zusammenkommt.“
Dass alle gerne für den Erfolg schuften, soll sich auch in der Bundesliga bezahlt machen. Rein von den Elo-Zahlen her ist Dippoldiswalde bei jeder Partie Außenseiter, meist sogar: krasser Außenseiter. „Wir wissen, dass das eher unwahrscheinlich ist – aber wir wollen irgendwie drinbleiben in der Bundesliga“, sagt Teske. Auch, weil die Liga den großen Talenten Charis und Dora die ideale Bühne biete, um sich auf hohem Niveau weiterzuentwickeln. „Es gibt Partien, da spielen die Mädchen praktisch fehlerlos. Charis ist eine solche Partie in Brasilien bei der WM gelungen“, sagt er und schwärmt: „96 Prozent Computer-Übereinstimmung hat ein Schüler von mir bei Dora festgestellt. Auch sie kann genial spielen, ein bisschen mehr Konstanz bräuchte sie noch.“
Die älteren Mitspielerinnen im Bundesliga-Team würden bisher ihre Sache ebenfalls prima machen. „Wir haben oft gute Stellungen. Wenn es uns noch besser gelingt, die auch nach Hause zu bringen, sind wir für Überraschungen gut“, sagt Teske. Wer vielleicht eine erleben will: Im Haus Seeblick in Dippoldiswalde-Paulsdorf, Talsperrenstraße 56, geht es an diesem Wochenende gegen TuRa Harksheide (Samstag, 14 Uhr) und dann am Sonntag, 9 Uhr, gegen den Hamburger SK. Zuschauer sind herzlich willkommen. (mw)
Den ersten Teil unserer Story über das SZ Seeblick findet Ihr hier:
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36278