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Der Harzer Schachbund und seine Protokollbücher

13. März 2019

Übergabe der Protokollbücher durch das Ascherslebener Urgestein Günter Thormann (mitte) an Museumsleiter Konrad Reiß (rechts) und Thomas Richter

Seit Donnerstag, dem 28. Februar 2019 bereichern die Protokollbücher des Harzer Schachbundes die Saale-Schachbund-Ausstellung im Schachmuseum Löberitz und sind damit jedermann zugänglich. 1882 als eigenständiger Bund gegründet, trat der Harzer Schachbund 1921 in Dessau bei der 31. Bundesversammlung dem Saale-Schachbund bei und wurde dort ein eigenständiger Unterverband. Nach der Umbenennung in Gaue wurde er dann am 7. Oktober 1928 beim 38. Bundeskongress des Saale-Schachbundes in Nordhausen zum Harzgau. Die beiden Bücher befanden sich schon lange Zeit im Besitz des Ascherslebener Günter Thormann.

Über die Herkunft der Bücher berichtet Günter Thormann:

Nach meiner Erinnerung habe ich die Unterlagen nach dem Tod von unserem `Schachverrückten´ Erhard Wald bekommen. Wo er sie her hatte, weiß ich nicht genau. Meine Vermutung sind zwei Schachfreunde, die ich aus den Erzählungen von meinem Vater und auch selbst kenne: Hans Kohlermann (viele Jahre im Nachwuchsschach in Aschersleben tätig) oder Friedrich Elzemann (viele Jahre aktiv für Lok tätig, u.a. einer der Hauptorganisatoren der DDR-Einzelmeisterschaft 1963 in Aschersleben). Sie gehörten beide vor dem Krieg viele Jahre zum Schachklub in Aschersleben.

Hotel „Zum Deutschen Hause“ Aschersleben (Zeitgenössische Postkartenansicht)
Archiv Konrad Reiß
Hotel „Zum Deutschen Hause“ Aschersleben (Zeitgenössische Postkartenansicht)

Grund genug, einmal auf den Harzer Schachbund zurückzuschauen.

Der Harzer Schachbund wurde ebenfalls wie der Saale-Schachbund 1882 gegründet. Der genaue Gründungstag war Mittwoch, der 3. Mai 1882. Damit ist er noch einige Monate älter als der Saale-Schachbund. Am bewussten Tag trafen die sich Schachklubs der Städte Halberstadt, Quedlinburg, Aschersleben und Nordhausen im Hotel „Zum Deutschen Hause“ in Aschersleben.

Ihre Vereine vertraten C. Schwarzhaupt (Halberstadt), Zimmermann (Quedlinburg), F. Diesing (Aschersleben) und Stadtrat Ed. Dornstein (Nordhausen). Nach dem Beschluss eines Statutes wurde der Ascherslebener F. Diesing zum Gründungspräsidenten gewählt. Schwarzhaupt wurde Sekretär, Stadtrat Dornstein Rendant und Zimmermann Schriftführer.

Für Bekanntmachungen wurden folgende Zeitungen bestimmt: „Halberstädter Zeitung“, „Quedlinburger Kreisblatt“, „Die Nordhäuser Zeitung“ und für Aschersleben „Der Anzeiger“. Diese, und viele weitere Informationen können den beiden Protokollbüchern des Harzer Schachbundes entnommen werden. So kann auch das in unterschiedlichen Publikationen veröffentlichte Gründungsjahr 1884 eindeutig widerlegt werden. Lange stand die Geschichte des Harzer Schachbundes im Schatten der an sein Verbandsgebiet grenzenden wesentlich größeren Verbände. Neben den Vereinen aus Braunschweig, Goslar und Nordhausen, rekrutierte sich der Bund vor allem mit Schachclubs aus dem jetzigen Sachsen-Anhalt. Hierzu gehörten u.a. Aschersleben, Derenburg, Emersleben, Halberstadt, Hohenmölsen, Köthen, Oschersleben, Quedlinburg, Ströbeck und Wegeleben.

Die Versammlungen und Kongresse sowie Veranstaltungen des Harzer Schachbundes

Nr. Datum Ort Bemerkungen
  3. Mai 1882 Aschersleben
Hotel „Zum Deutschen Hause“
Gründungsversammlung
1 11. Juni 1882 Alexisbad  
2 20. August 1882 Thale
Hotel „Zur Blechhütte“
 
3 24. Juni 1883 Nordhausen
Restaurant Aug. Schaum
 
4 9. September 1883 Halberstadt
Restaurant F. Breitenbach
 
5 11. Mai 1884 Stubenberg bei Gernrode
Al. Breithaupt
 
6 19./20. Juli 1884 Clausthal
Gasthaus zum Rathaus
 
  7. September 1884 Quedlinburg
Richters Garten
Schachturnier
  18. Januar 1885 Derenburg
Lokal des H. F. Duderstadt
Schachturnier
7 12. April 1885 Halberstadt
Hotel „Thüringer Hof“
 
8 20./21. Juni 1885 Ströbeck
Gasthöfe „Zum Prinz v. Preußen“ u. „Zum Schachspiel“
 
  20. September 1885 Oschersleben
Lokal des H. Schreyer
Schachturnier
9 15. November 1885 Wegeleben
Sperling'schem Lokale
 
  18. Juli 1886 Treffen auf den Stubenberg Ausflug
10 26. September 1886 Aschersleben
Arburg's Kaffegarten
 
11 15. Mai 1887 Quedlinburg
Richter's Garten
 
12 10. Juni 1888 Oschersleben
Schreyer's Restaurant
 
  25. August 1889 Halberstadt
„Thüringer Hof“
Pfingstturnier
13 10. November 1889 Derenburg
Lokal des H. F. Duderstadt
 
14 30. Mai 1890 Halberstadt
Stadtpark zu Halberstadt
 
15 28.-30. Juni 1890 Ströbeck  
16 21. September 1890 Blankenburg
Gaststätte „Weißer Adler“
 
17 24. Mai 1891 Braunschweig
Restaurant Ulrici
 
18 ? 1891 Halberstadt
Café Central
 
19 9. Oktober 1892 Quedlinburg  
20 15. Oktober 1893 Oschersleben  
21 13. Oktober 1895 Halberstadt  
22 4. Oktober 1896 Blankenburg
Hotel „Kaiser Wilhelm“
 
23 3. Oktober 1897 Lauterberg
Hotel „Zur Krone“
 
24 2. Oktober 1898 Quedlinburg
Restaurant „Kaiserhof“
 
25 8. Oktober 1899 Halberstadt
Café Central
 
26 4.-6. Juni 1900 Ströbeck Pfingstkongress
27 26.-27. Oktober 1901 Braunschweig
Café Lück
 

Quelle

  • Protokollbuch des Harzer-Schachbundes, Buch 1, 1882-1902, Schachmuseum Löberitz

Mit dem Protokoll zur Bundesversammlung in Braunschweig auf Seite 178 endet das Protokollbuch des Harzer Schachbundes für die Jahre 1882-1901. Der folgende zweite Band umfasst die Jahre nach 1901 bis zum letzten Eintrag 1939.

Die Versammlungen und Kongresse sowie Veranstaltungen des Harzer Schachbundes

Nr. Datum Ort Bemerkungen
28 7./8. Juni 1902 Quedlinburg
Hotel „Kaiserhof“
 
29 21. Juni 1903 Blankenburg
Hotel „Bestehorn“
 
30 26. Juni 1904 Halberstadt
Café Central
 
31 4. Juni 1905 Braunschweig
Café Lück
 
32 10. Juni 1906 Quedlinburg
Hotel „Kaiserhof“
 
33 1907   Kein Eintrag im Protokollbuch
34 1908 Ströbeck Kein Eintrag im Protokollbuch
35 14. Juni 1909 Blankenburg  
36 1.-3. Oktober 1910 Gernrode  
37 14.-16. Oktober 1911 Quedlinburg
Restaurant „Reiterhof“
 
38 23. Dezember 1911 Halberstadt
Café Central
Außerordentliche Generalversammlung
39 29. August 1920 Thale Erster Nachkriegskongress
40 31. Oktober 1920 Quedlinburg  
41 1921 Quedlinburg Auflösungskongress

Quelle

  • Protokollbuch des Harzer-Schachbundes, Buch 2, 1902-1936, Schachmuseum Löberitz
Prof. Hugo Poßner

Die Harzer Vereine beschlossen 1921 bei dem Kongress in Quedlinburg die Angliederung an den Saale-Schachbund. Hauptinitiatoren für diesen Entschluss waren zwei Quedlinburger, Kaufmann Wust und Studienrat Professor Hugo Poßner. [Schach in Sachsen-Anhalt, Konrad Reiß (Leiter der Autorengruppe) unter maßgeblicher Mitwirkung von Dr. Günter Reinemann / Halle, Löberitz 2010, S. 62ff]

Eine Eintragung über diesen Kongress im Protokollbuch fehlt. Das letzte Protokoll stammt vom Kongress 1920. Das Protokollbuch wurde auch für den nunmehrigen Unterverband des Saale-Schachbundes weitergeführt. Allerdings erst 1932 mit dem Protokoll der Generalversammlung des Harzgaus in Ströbeck. Die Anzahl der in dieser Zeit durchgeführten Veranstaltungen und Kongresse Nr. 42-49 in den Jahren 1922-1931 können dem Protokollbuch deshalb nicht entnommen werden.

Die Versammlungen und Kongresse des Harzgaus im Saale-Schachbund

Nr. Datum Ort Bemerkungen
50 17. September 1932 Ströbeck 50. Jubiläum des ehemaligen Harzer-Schachbundes
51 2./3. September 1933 Hettstedt 25. jähriges Bestehen der Schachvereinigung Hettstedt
52 9. September 1934 Halberstadt
„Harmonie“, Spiegelstraße
 
53 7./8. September 1935 Quedlinburg
Hotel „Kaiserhof“
 
54 1936 unbekannt Kein Eintrag im Protokollbuch
55 14./15. August 1937 Blankenburg  
56 1938 Bad Harzburg Kein Eintrag im Protokollbuch
57 10./11. Juni 1939 Ströbeck
Gasthaus „Zum Schachspiel“
Letzter Eintrag im Protokollbuch
58 1940 Quedlinburg Beschlossen auf dem 57. Kongress 1939 in Quedlinburg

Quelle

  • Protokollbuch des Harzer-Schachbundes, Buch 2, 1902-1936, Schachmuseum Löberitz

Nach dem Ende des Krieges, besiegelt durch eine bedingungslose militärische Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945, kam es zu einer völligen politischen, aber auch gesellschaftlichen Neuordnung. Ganze Landstriche, wie Pommern, Schlesien, das Sudetenland oder Ostpreußen gingen an die Sowjetunion, Polen und die Tschechoslowakei. Das übrige Territorium wurde von den Siegermächten in vier Zonen aufgeteilt. In den drei westlichen Besatzungszonen bekam der Deutsche Schachbund wieder die Möglichkeit zur Fortführung seiner einmaligen Tradition und Geschichte. Die 12 Jahre Naziherrschaft wurden ausgespart und man begann auf die Zeit vor 1933 aufzubauen.

Rigoroser ging es in der sowjetischen Besatzungszone zu. Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10.10.1945 und vor allem mit der Kontrollratsdirektive 23 vom 17.12.1945 wurden alle nationalsozialistischen Sportorganisationen verboten. Im Osten Deutschlands bekräftigte dies zusätzlich noch der Befehl 126 der Sowjetischen Militäradministration (SMAD).[Schach in Sachsen, 2008, Kommission Schachgeschichte des Schachverbandes Sachsen e.V. unter der Leitung von Dr. Gerhard Schmidt, S. 64]

Der Großdeutsche Schachbund samt seinen Landesverbänden, also auch der „Saale-Schachbund“ mit seinem Unterverband, dem Harzgau, galten damit als aufgelöst. Dennoch wurde in der Sowjetischen Besatzungszone durch die Sparte Schach, später Deutscher Schachverband der DDR, im Deutschen Turn- und Sportbund das schachliche Leben neu geregelt. Die zentrale Orientierung baute auf dem Arbeitersport auf und ließ damit keinen Platz für die erfolgreichen bürgerlichen Traditionen. Das frühere Gebiet des Saale-Schachbundes wurde vorrangig durch die Bezirksfachausschüsse der Bezirke Halle und Magdeburg repräsentiert.

Erst nach der politischen Wende begab sich das Schach wieder in die Obhut des Deutschen Schachbundes und die neu oder wieder entstandenen Bundesländer gründeten eigenständige oder belebten die früher bestehenden Landesverbände. Leider wurde im Land Sachsen-Anhalt [Besser wurde die Traditionsbesinnung nach 1990 in den ehemals im Kartellverband befreundeten Schachbünde in Thüringen und Sachsen vorangetrieben.] mangels historischer Kenntnisse vieler alter und in der DDR groß gewordener Funktionsträger und im Übereifer eines neuen Aufbruchs nicht wieder der Name „Saale-Schachbund“ für den Landesschachverband verwendet. Von einem Harzer Schachbund wurde gar nicht mehr gesprochen. Doch die wechselhafte Schachgeschichte des Saale-Schachbundes bleibt für alle Zeiten die Wurzel des organisierten Schachsports in Mitteldeutschland und speziell im Bundesland Sachsen-Anhalt. Einen großen Anteil hatten auch die Vereine des ehemaligen Harzer Schachbundes. Ganz besonders der Verein des Schachdorfes Stöbeck mit seiner einmaligen Tradition.

Das Schachmuseum Löberitz hat inzwischen schon begonnen, die beiden einzigartigen Protokollbücher im Rahmen eines FSZ-Projektes zu digitalisieren und somit für die Zukunft zu sichern.

Konrad Reiß

// Archiv: DSB-Nachrichten - Schachgeschichte // ID 9596

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