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Norditalienische Idylle und spannende Wettkampfatmosphäre – Brigitte Burchardt will bei der Senioren-EM die nächste Medaille holen

24. Oktober 2024

Brigitte Burchardt

Auf ihren gepackten Koffern sitzt Brigitte Burchardt. Sie freut sich auf die Reise zur ECU-Senioren-Europameisterschaft im norditalienischen Badeort
Lignano Sabbiadoro, rund 90 Kilometer nordöstlich von Venedig. Am Freitag, den 25. Oktober, startet dort die neunrundige Europameisterschaft im Schweizer System in zwei Altersgruppen: „Über 65“ und „Über 50“.

Die seit rund 40 Jahren für den Berliner Klub Rotation Pankow spielende Internationale Meisterin der Frauen startet in der 65+. Sie ist wahrscheinlich die erfolgreichste deutsche Spielerin im Seniorenbereich. „Meine Titel habe ich nicht genau gezählt. Aber am schönsten war wohl letztes Jahr meine Vizeweltmeisterschaft in Sizilien, insofern verbinde ich mit Italien sehr gute Erinnerungen, auch an die wunderschöne Landschaft der Insel. Dann natürlich mein Europameistertitel 2018 in Norwegen und im Mannschaftsbereich wohl unsere erste Mannschaftsweltmeisterschaft noch vor den Russinnen, die nominell eindeutig stärker waren als unser deutsches Team. Ein ganz wunderbares Gefühl in der Rückschau. Das war am Anfang meiner Seniorenschachzeit. Und ich habe 2016 die Berliner Seniorenmeisterschaft gewonnen. Im Open!“, erinnert sich Burchardt an ihre schönsten Erfolge im Seniorenbereich zurück.

Vor ihrer Zeit als Schachseniorin war Brigitte Burchardt auch schon sehr erfolgreich: Zum Schach über eine Schulschachgruppe gekommen, war es anfangs nur ihr Ziel, mal gegen ihren Bruder im Schach zu gewinnen. Mit viel Ehrgeiz und Arbeit für das Schach wurde sie später drei mal DDR-Meisterin und 1975 erhielt sie den Titel WIM. Später spielte sie auf zwei Schacholympiaden mit: 1990 in Novi Sad für die DDR, die es damals seit einem Monat schon nicht mehr gab, 1992 dann für das geeinte Deutschland in Manila: „Das war natürlich ein Highlight für mich. Ich erzielte das beste Teamergebnis mit 7,5 aus 12 an Brett 2. Und die Stadt Manila war ein touristischer Traum“, blickt sie zurück. Zu den insgesamt 182 für Lignano Sabbiadoro gemeldeten Spielerinnen und Spielern gehören 23 Deutsche, darunter IM Christof Sielecki in der Gruppe Ü50 sowie GM Rainer Knaak in der Gruppe Ü65. Die beiden Deutschen stehen jeweils auf Platz 3 der Setzliste ihrer Altersgruppe und gehören damit zu den Favoriten.

Top-Favorit in der Ü65 ist der englische GM John Nunn, der 2022 im italienischen Assisi schon Seniorenweltmeister war. Alle an die Adria Angereisten eint der Wunsch, ein sportlich interessantes Turnier an einem touristisch reizvollen Ort zu spielen. „Ich möchte gerne in schönen Städten oder landschaftlich reizvollen Turnierorten mitspielen, wo man bei der Freizeitgestaltung Ruhe und Entspannung findet. Das Sporthotel in Lignano Sabbiadoro ist direkt an der Adria gelegen, mit Pool, da kann man vielleicht noch mit den Füssen ins Wasser gehen und eine schöne Zeit auch außerhalb des Turniersaales haben. Das reizte mich“, beschreibt Burchardt ihre Motivation, die sie wohl mit den meisten Angereisten teilen wird. Denn das Feld der Turnierteilnehmerinnen und -teilnehmer bei solchen internationalen Seniorenevents besteht nicht aus Fremden: „Es ist wie eine große Familie. Viele Spielerinnen und Spieler sind immer wieder dabei. Man kennt sich, trifft sich, grüßt sich, freut sich aufeinander, tauscht sich aus, verbringt Zeit mit den deutschen und internationalen Teilnehmern“, beschreibt sie den Reiz des internationalen Seniorenschachs. Es geht um Schach und Geselligkeit in erholsamer Umgebung.  Mit dabei an der herbstlichen Adriaküste ist auch die Ex-Weltmeisterin GM Nona Gaprindashvili, die bei den Frauen 65+ an eins gesetzt ist, direkt vor Brigitte Burchardt. Der georgischen Schachlegende gelang es als erster Frau überhaupt, 1978 den Großmeistertitel im Schach zu erringen. Aber es könnte sein, dass es gar nicht zu einer Partie zwischen den beiden topgesetzten Frauen kommt, ahnt Burchardt: „Wir sind in unserer Gruppe nur 5 Frauen. Ich gehe davon aus, dass wir dann im Open spielen werden. Für die 11 Frauen der Altersgruppe +50 könnte es einen eigenen Wettbewerb geben. Bei der letzten WM haben sogar beide Altersgruppen 50+ und 65+ komplett in einer Gruppe gespielt, was ich nicht so glücklich finde. Die 50+ ist aus meiner Sicht eine ganz andere Generation, die sind anders groß geworden, mit Computern und ähnlichem. Das macht mir nicht so viel Spaß.

Eine besondere Vorbereitung auf die Europameisterschaft hat es bei der sehr erfahrenen Titelsammlerin übrigens nicht gegeben: „Ehrlich gesagt, habe ich mich auf das Turnier in Italien null vorbereitet. Ich spiele einfach und schaue, was dabei rauskommt. Ich habe fast alle Titel schon erreicht und bereite mich nur während des Turnieres auf den nächsten Gegner vor.“ Zu einem ganz speziellen Wiedersehen könnte es mit dem slowakischen GM Lubomir Ftacnik (Elo 2444) kommen: „Gegen ihn habe ich schon zwei Partien remisieren können, jedes mal war er völlig verzweifelt. Diese Partien gehören zu meinen Schönsten“, schmunzelt Burchardt. Mal sehen, ob es wieder zu einem Platz auf dem Treppchen für sie reicht, auch ohne besondere Vorbereitung.

Bis zum 2. November sind neun Runden Schweizer System in beiden Gruppen zu spielen, 8.000 Euro beträgt der Preisfonds insgesamt. (kr)

Patricia Claros
Brigitte Burchardt (links)

// Archiv: DSB-Nachrichten - Senioren // ID 36167

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