9. Juni 2021
Im Mai 2019 hat der DSB einen Anti-Cheating-Arbeitskreis eingerichtet und einen Anti-Cheating-Officer bestellt. Sie sollen innerhalb des DSB Aufgaben wahrnehmen, welche die FIDE allen Föderationen dringlich ans Herz gelegt hat.
Anti Cheating-Regeln sind nicht neu. Die FIDE-Schachregeln enthalten seit jeher das Verbot, „irgendwelche Notizen, Informationsquellen oder Ratschläge zu benutzen”. Flankiert wird diese zentrale Vorschrift durch das Verbot, Spielraum und Turnierareal zu verlassen, das Verbot des Mitsichführens eines elektronischen Geräts und das Verbot, sich in eine Partie einzumischen. Spektakuläre Verstöße gegen diese Regeln führten zu intensiverer Beschäftigung mit dem Thema und schließlich zum Erlass zweier Regelwerke zur Verhinderung, Aufklärung und Sanktionierung von Cheating durch die FIDE:
Nach den FIDE-Regularien begeht Cheating, wer
Dabei umfasst „unternehmen” sowohl den vollendeten als auch den versuchten Verstoß.
Es ist bisher nicht gelungen, einen dem englischem Begriff „Cheating“ entsprechenden deutschen Begriff zu finden. Die nahe liegende deutsche Übersetzung „Betrug” ist ein bereits besetzter Spezialbegriff, der die Problematik nicht zutreffend erfasst. Cheating ist nicht auf die Benutzung elektronischer Geräte beschränkt, sondern meint jede Art von Benutzung unzulässiger Mittel, die in Artikel 11.3.2.1 FIDE-Regeln verboten wird.
Die FIDE unterteilt ihre Turniere je nach Bedeutung und Spielstärke verschiedenen Stufen – „level 1“ bis „level 3“ – zu und fordert oder empfiehlt in ihren Anti-Cheating Protection Measures für jede Stufe Maßnahmen zum Schutz vor „Cheating“, jeweils unter Erhöhung der Anforderungen. Während unter die höchste Schutzstufe (level 1) die ranghöchsten Turniere und solche mit hohem Elo-Schnitt fallen, sind ein großer Teil der Verbandsturniere und offenen Turniere, in denen Titelnormen erworben werden können, der erhöhten Schutzstufe (level 2) zugeordnet. Zur Standard-Schutzstufe (level 3) zählen alle übrigen Elo-gewerteten Turniere, wenn an der Partie, bei welcher der Cheating-Verdacht besteht, kein FIDE-Titelträger beteiligt ist.
Als Schutzmaßnahmen empfiehlt die FIDE u.a.:
Die vorstehenden Schutzmaßnahmen sind im Einzelnen erläutert in den „Anti Cheating Guidelines for Arbiters 2021”, verabschiedet vom FIDE-Kongress 2020.
Diese Kommission ist für die Aufklärung von Cheating-Fällen der "Level 1"- und "Level 2"-Turniere zuständig. Um nicht mit fragwürdigen Anzeigen und Anfragen überschwemmt zu werden, hat sie ein formalisiertes Verfahren eingeführt. Spieler oder sonstige Turnierteilnehmer, die den Verdacht haben, Opfer von Cheating geworden zu sein, müssen ein sog. „Tournament Complaint” (während eines noch laufenden Turniers) oder ein „Post-Tournament Complaint” (nach Turnierabschluss) ausfüllen. Es müssen alle wichtigen Fakten aufgeführt werden. Anonyme Anzeigen werden nicht bearbeitet. Kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass tatsächlich Cheating vorliegt, gibt sie das Verfahren an die FIDE Ethics & Disciplinary Commission ab, die die Sanktion gemäß dem FIDE Code of Ethics festlegt.
Dieses Gremium ist zuständig für Fälle von Cheating (siehe oben „Was ist Cheating?”) in allen Turnieren unterhalb der Ebene, für welche die FIDE Fair Play Commission zuständig ist, oder welche die Fair Play Commission wegen fehlender internationaler Bedeutung an den DSB zurückgibt.
Der Arbeitskreis besteht aus dem Anti-Cheating-Officer als Vorsitzenden (bis 2021 Ralph Alt, Internationaler Schiedsrichter, ab dem 31.7.2021 Klaus Deventer, Internationaler Schiedsrichter), der vom DSB-Kongress gewählt wird, und zwei Beisitzern (derzeit die beiden Internationalen Schiedsrichter Jürgen Kohlstädt und Jürgen Klüners), die von der Schiedsrichter-Kommission des DSB gewählt werden. Der Anti-Cheating-Officer ist automatisch Mitglied der Schiedsrichter-Kommission. Der englischsprachige Titel des Vorsitzenden wurde gewählt, da er direkt mit der Fair Play Commission in Verbindung treten kann.
Die Aufgaben des Anti-Cheating-Arbeitskreises sind in § 61a DSB-Satzung geregelt: Er ist ausschließlich für Ermittlung und Sanktionierung von Cheating-Fällen bei Spielen am Brett zuständig. Online-Schachturniere fallen nicht darunter. Die Landesverbände und andere Mitgliedsorganisationen, deren Untergliederungen, die Vereine und auch die einzelnen Mitglieder der Schachvereine sind verpflichtet, dem Anti-Cheating-Arbeitskreis auf Aufforderung Amtshilfe zu leisten und Auskünfte zu erteilen, Kontaktdaten mitzuteilen und Schriftstücke zur Einsichtnahme zu überlassen.
Die Strafgewalt des Arbeitskreises geht so weit wie die eines DSB-Turnierleiters. Dem DSB-Präsidium bleibt die Befugnis zum Ausschluss eines Spielers aus dem DSB, sofern der Arbeitskreis dies für die angemessene Strafe hält. Unterliegt der Betroffene nicht der Sanktionsgewalt des DSB, stellt der Anti-Cheating-Arbeitskreis den fraglichen Verstoß fest und teilt seine Feststellungen mit einer Empfehlung zur Verhängung von Maßnahmen dem zuständigen Verband mit. Über Rechtsmittel hiergegen entscheidet das Bundesturniergericht.
Informationen über die abgeschlossenen Verfahren und sonstigen Aktivitäten des Arbeitskreises sind den jährlichen Berichten an den DSB-Kongress und den DSB-Hauptausschuss zu entnehmen.
Website der FIDE Fair Play Commission
Ralph Alt
Falls Sie Kontakt mit dem Anti-Cheating Arbeitskreis aufnehmen wollen, können Sie folgende E-Mail-Adresse verwenden: anticheating@schachbund.de - auf Wunsch können etwaige Informationen vertraulich behandelt werden.
// Archiv: DSB-Nachrichten - Schiedsrichterkommission // ID 10666