Handbuch des FIDE-Schiedsrichters

9. Januar 2025

5. aktualisierte Auflage erschienen (Rezension)

Vor einigen Wochen ist das „Handbuch des FIDE-Schiedsrichters“ in einer aktualisierten 5. Auflage erschienen. Der Herausgeber und Autor, der renommierte Internationale Schiedsrichter Thomas Strobl, konnte sich offenbar noch nicht zu einer Neuauflage entschließen – die ist spätestens für 2027 angekündigt –, sah sich aber aufgrund zahlreicher zwischenzeitlich in Kraft getretener Regeländerungen zu einer Überarbeitung seines Werks gezwungen. Und so löst jetzt die „5. aktualisierte Auflage“ mit Stand 15.10.2024 die „5. Auflage“ von Anfang 2023 ab.

Das Handbuch, ursprünglich konzipiert als eine kommentierte Zusammenfassung der wichtigsten Unterlagen für das Seminar zur Erlangung des Titels FIDE-Arbiter (FIDE-Schiedsrichter) mit einer deutschsprachigen Übersetzung der einschlägigen Regelwerke der FIDE, ist längst zu einem Standardwerk avanciert und zum unverzichtbaren Begleiter für alle Schiedsrichter, Turnierorganisatoren, Fair-Play-Beauftragte und alle anderen, die sich über die einschlägigen Regularien der FIDE informieren wollen oder müssen.

Bereits die 5. Auflage stellte einen Quantensprung gegenüber der Vorauflage dar, wuchs das Werk doch um 80 Seiten, um zwei weitere Kapitel, nämlich die Fairplay-Bestimmungen und (in wesentlichen Auszügen) den Ethik- und Disziplinarkodex der FIDE aufzunehmen. In der aktualisierten Fassung sind nochmals fast 20 Seiten hinzugekommen. So wurden etwa die ab dem 1. August 2024 gültigen neuen Tie-Break-Bestimmungen eingearbeitet, die neuen Wertungsbestimmungen und die neuen Titelbestimmungen. Auch die völlig neu gefassten „FIDE Arbiter Disciplinary Regulations“ – natürlich immer mit der deutschsprachigen Übersetzung – fehlen nicht.

Die jedem Kapitel vorangestellte, sachkundige Einführung, die zumeist schon kommentierenden Charakter hat, erleichtert das Verständnis der verschiedenen Regelwerke und bezieht an manchen Stellen auch Position zu aktuellen Zweifelsfragen. So werden in der Einleitung zu Kapitel 5 („Die FIDE-Turnierbestimmungen“) ausführlich die Befugnisse der Mannschaftsführer, insbesondere zu der Frage, ob sie zu einem beabsichtigen oder erfolgten Remisangebot Stellung nehmen dürfen, dargestellt. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass sich dazu die Regelwerke der FIDE widersprechen. Strobls Rat, es bei Turnieren, die nicht von den zuständigen FIDE-Kommissionen organisiert werden, bei der bisherigen Regelung zu belassen (Der Mannschaftsführer darf ja oder nein sagen oder die Entscheidung dem Spieler überlassen, mehr aber nicht) entspricht der Auffassung der Schiedsrichterkommission des DSB.

Das führt mich nahtlos zu der Frage, ob ich in dem Handbuch etwas vermisse. In der Tat würde ich mir wünschen, wenn die Auslegungshinweise der DSB-Schiedsrichterkommission aufgenommen würden. Sie enthalten ganz überwiegend Hinweise zur Interpretation der FIDE Laws of Chess und sind für Schiedsrichter, die auf DSB-Ebene eingesetzt werden, etwa in den Bundesligen, verbindlich. Demgegenüber halte ich den im Kapitel 4 („Das Schiedsrichterwesen der FIDE“) enthaltenen Abschnitt „Annex 2: Anti Cheating Guidelines for Arbiters“ für veraltet. Er könnte – aber nur in Auszügen - in das Kapitel 7 („Die Fairplay-Bestimmungen“) verschoben werden. Die Hinweise hatten ohnehin schon immer eher halbamtlichen Charakter.

Apropos Fairplay-Bestimmungen. Die von der FIDE gewählte Begrifflichkeit halte ich ja eher für unglücklich, in Wirklichkeit geht es um Anti-Cheating und sonst nichts. Das wird man aber wohl nicht mehr ändern können. Geändert und ergänzt hat das FIDE-Council in seiner letzten Sitzung im November 2024 fast alle Bestimmungen zu diesem Komplex. Die Anti-Cheating-Regulations heißen jetzt Fair Play Regulations, sind aber inhaltlich im Wesentlichen unverändert geblieben. Die Anti-Cheating Protection Measures heißen jetzt Fair Play Protection Measures und sind völlig neu gefasst. Hinzugekommen sind neue Title Regulations, denn es gibt neue FIDE-Titel, den Fair Play Officer (FPO) und den Fair Play Expert (FPE). Auch in anderen Bereichen ist die Regelungswut der FIDE ungebrochen. Thomas Strobl wird nicht umhin können, demnächst eine weitere Aktualisierung vorzunehmen oder vielleicht die 6. Auflage doch vorzuziehen.

Stellt sich abschließend die Frage: Lohnt es sich, die aktualisierte 5. Auflage anzuschaffen, wenn ich vielleicht die 5. Auflage aus 2023 schon besitze? Ich denke ja. Zur Arbeit mit aktuellen Regelwerken gibt es einfach keine Alternative und die Kosten sind überschaubar geblieben. In den 20,00 € sind schon Porto und Versand enthalten. Das bezeichnet Thomas Strobl zu Recht als „Unkostenpauschale“.

 

Werl, den 31. Dezember 2024

IA/FPO Klaus Deventer
Anti-Cheating-Officer des Deutschen Schachbunds e.V.

// Archiv: DSB-Nachrichten - Schiedsrichterkommission // ID 36265

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