Medaillenträume platzen für deutsche Frauen gegen Polen. Männer besiegen Argentinien souverän. „Morgen nochmal ackern für eine Top-Ten-Platzierung.“

Katharina Reinecke

Jetzt hat es auch die deutsche Frauen-Nationalmannschaft erwischt. 1,5:2,5 gegen Polen. Die erste Niederlage bei dieser 45. Schacholympiade. Das bedeutet: Die zarten Medaillen-Hoffnungen sind dahin. Denn in Budapest geht es morgen in die finale Runde – da ist nicht mehr viel in der Punktetüte. „Das ist schon super ärgerlich und die Stimmung bei uns gerade nicht gut“, sagte GM Josefine Heinemann. FM Lara Schulze, die heute nicht nominiert wurde, sprach davon, es sei schon „ziemlich schmerzvoll gewesen, nur zuschauen zu können“. Und zu sehen, wie abgezockte Polinnen das Ding zogen. Besser war die Laune, in einem bisher recht wechselhaften Turnier, heute bei den deutschen Männern. Sie besiegten Argentinien überzeugend mit 3:1. Beide Teams verbuchen nun 14 Zähler nach zehn Runden. „Mit viel Glück“, befand Sportdirektor Kevin Högy, seien noch zwei Top-Ten-Platzierungen drin. „Dafür müssen wir aber morgen nochmal richtig ackern.“

Katharina Reinecke

Es war schon ein amüsantes Bild, wie der Team-Kapitän von Argentinien an seinem Apfel knabberte. Faustino Oro, der jüngste IM aller Zeiten (10 Jahre, acht Monate) saß neben dem Schiedsrichter und unserem 45 Jahre alten DSB-Teamkapitän, Bundestrainer GM Jan Gustafsson. Aber auch das sind die Szenen, von denen so eine Schacholympiade lebt. Denn das produzierte die Schacholympiade in jedem Fall wieder: Bunte Bilder voller Vielfalt, beim Treffen der Schachnationen aus der ganzen Welt. Hobbyspielern aus der Karibik neben dem, gerade von der FIDE zum „besten Spieler aller Zeiten“ ausgezeichneten, GM Magnus Carlsen oder Weltmeister GM Ding Liren.

Zurück zu Deutschland gegen Argentinien. Das Treffen der Großmeister. Nach dem herben Dämpfer gestern gegen Armenien, dem Ende aller Träume von Edelmetall, ging es heute um Wiedergutmachung – und eigene Elo-Politur. Die gelang. „Sehr geschmeidig“ sei es gelaufen, so Högy. GM Vincent Keymer siegte gegen GM Fernando Peralta absolut überzeugend. Ganz klassisch: Dem Gegner einen Isolani angedreht, den geduldig belagert – und dann auch eingesammelt. Der Rest war für einen Spieler seiner Klasse mit einem Mehrbauern nicht so schwer. GM Matthias Blübaum gewann mit starker Eröffnungsvorbereitung gegen GM Diego Flores. Der Gegner brauchte viel Zeit, übersah dann Entscheidendes – ein klarer Sieg.

GM Dimitrij Kollars musste sich lange sehr wacker verteidigen, schuftete schwer für das Remis gegen GM Leandro Krysa. GM Frederik Svane, über dessen Nichtnominierung gestern gegen Armenien viel diskutiert worden war (Begründung der Teamleitung war, er benötige für sein Spiel immer sehr viel Energie und habe den Akku aufladen müssen), holte sich ein Remis – das zwischendurch stark nach Sieg duftete - gegen GM Tomas Sosa. Das war durchaus spektakulär anzusehen, weil es ein Damenopfer von Svane beinhaltete. Der Lübecker hat damit eine Performance von sieben Punkten aus acht Partien– und liegt in der Individualwertung (Board 5) ganz vorne. Das könnte noch Einzelgold werden. Es wäre ein Trostpflaster für den Deutschen Schachbund.

Ähnlich ist das bei GM Elisabeth Pähtz. Auch sie ist vorne mit dabei in der Individualwertung (Brettd 2). Kein Wunder, mit nunmehr 7 Punkten aus neun Partien. Aber ihr Remis heute gegen die, ebenso wie sie, unbesiegte GM Monika Socko war zu wenig. Überhaupt: Die Polinnen, nach Elo-Wertung der klare Favorit und mit zwei Achtungszeichen bei dieser Olympiade (Siege gegen Indien und China), erwiesen sich heute als zu dicker Brocken. „Ein Brett hätte halt für uns ausschlagen müssen“, so Kevin Högy: „Leider hatten wir dieses Glück heute nicht.“

An Brett eins traf IM Dinara Wagner auf IM Alina Kashlinskaya, die wie sie noch keine Partie verloren hatte – es blieb für beide dabei. „Dinara ist wie eine Wand“, lobt Högy, wusste aber auch: Da war objektiv betrachtet nicht mehr drin. Denn die Partie verflachte schnell in einer symmetrischen Struktur, und viele Figuren verließen das Brett.

Remis auch für WGM Josefine Heinemann gegen IM Aleksandra Maltsevskaya. Das waren dann die 1,5 Punkte. Weil WGM Hanna Marie Klek gegen IM Oliwia Kiolbasa sehr früh schlecht stand, ärgerten sich die DSB-Frauen danach. Sie habe die Situation von Elisabeth Pähtz falsch eingeschätzt, so Josefine Heinemann: „Ich dachte, sie steht besser und gewinnt. Ich hätte weiterspielen müssen und nicht das Remis geben sollen.“ Denn sie hatte ihrer Gegnerin in Eröffnung und Mittelspiel klar den Schneid abgekauft – da war womöglich mehr drin. „Morgen wünschen wir uns nochmal zwei Siege“, sagt Högy, „damit wir mit einem guten Gefühl nach Hause fahren können.“ Derzeit ist die Gefühlslage beim DSB sehr ambivalent. (mw)

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