7. Mai 2021
Auf die jungen Talente ist Verlass, wenn die alten Hasen schwächeln! Diese Erkenntnis kann man bisher von diesem Mitropa-Cup mitnehmen.
Bei den Männern gab es einen sensationellen 3:1-Überraschungserfolg gegen die kroatische Auswahl. Während an den vorderen beiden Brettern der spielende Kapitän Michael Prusikin und der älteste unserer C-Kader-Talente Ashot Parvanyan gegen großmeisterliche Gegnerschaft zwei halbe Punkte beisteuerten, holten die beiden jüngsten Spieler die Kohlen aus dem Feuer. Die beiden noch-FIDE-Meister Ruben Gideon Köllner und Alexander Krastev bogen auf ihre jeweils eigene unwiderstehliche Art die Partien gegen GM Zelcic und IM Tica zu Siegen um: Ruben überspielte (mal wieder muss man fast schon sagen) seinen erfahrenen Gegner im Endspiel(!), während Alexander im taktischen Getümmel kurz vor der Zeitkontrolle die bessere Übersicht behielt und mit einer petite combinaison den Sack zumachte, als sich die Gelegenheit bot. Was für ein Sieg, wunderbar!
Br. | Kroatien | Elo | 1:3 | Deutschland | Elo |
---|---|---|---|---|---|
1 | GM Davor Rogic | 2492 | ½:½ | GM Michael Prusikin | 2547 |
2 | GM Blazimir Kovacevic | 2410 | ½:½ | IM Ashot Parvanyan | 2436 |
3 | GM Robert Zelcic | 2539 | 0:1 | FM Ruben Gideon Köllner | 2412 |
4 | IM Sven Tica | 2396 | 0:1 | FM Alexander Krastev | 2340 |
Pl. | Mannschaft | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | MP | BP |
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1. | Tschechien | x | 2 | 2½ | 3 | 5 | 7,5 | |||||||
2. | Frankreich | x | 2½ | 2½ | 2 | 5 | 7,0 | |||||||
3. | Deutschland | x | ½ | 3 | 3 | 4 | 6,5 | |||||||
4. | Österreich | 1½ | 3½ | x | 2 | 3 | 7,0 | |||||||
5. | Ungarn | 1½ | 2 | x | 2½ | 3 | 6,0 | |||||||
5. | Italien | 2 | 1½ | x | 2½ | 3 | 6,0 | |||||||
7. | Slowenien | 1½ | x | 2 | 2½ | 3 | 6,0 | |||||||
8. | Slowakei | 2 | 1½ | 2 | x | 2 | 5,5 | |||||||
9. | Schweiz | 1 | 1½ | x | 2½ | 2 | 5,0 | |||||||
10. | Kroatien | 1 | 1 | 1½ | x | 0 | 3,5 |
Alexanders Kombination sei hier noch einmal vorgestellt. Wer mag, kann sich selbst daran versuchen und schauen, ob er mit wenig Bedenkzeit auf der Uhr dem kroatischen Meisterspieler ebenfalls die Butter vom Brot hätte nehmen können:
Bei den Frauen lief es ebenfalls wie im Schnürchen. Teamkapitän und B-Kaderspieler der Herren Daniel Fridman gönnte der nominellen Nummer 1 Jana Schneider eine Verschnaufpause gegen Kroatien. Doch auch so waren die deutschen Frauen eindeutiger Elo-Favorit. Annmarie Mütsch und Fiona Sieber holten zwei souveräne Punkte und besitzen nun zusammen mit 5/5 weiterhin eine weiße Weste. Am Spitzenbrett kam zwar Hanna Marie Klek nach missglückter Eröffnungsbehandlung unter die Räder, aber Melanie Lubbe konnte in komplizierter Stellung bessere Züge als ihre Gegnerin finden. So wickelte sie erst in ein besseres Endspiel ab und brachte dann langsam, aber sicher, den vollen Punkt unter Dach und Fach. Wie auch Alexander Krastev bei den Herren schaffte sie damit das Kunststück, nach einer unglücklichen Auftaktniederlage sofort zurückzuschlagen und das Punktekonto damit wieder auf 50% zu stellen.
Br. | Kroatien | Elo | 1:3 | Deutschland | Elo |
---|---|---|---|---|---|
1 | FM Ena Cvitan | 2241 | 1:0 | WGM Hanna Marie Klek | 2302 |
2 | WFM Patricija Vujnovic | 2129 | 0:1 | WIM Annmarie Mütsch | 2271 |
3 | WFM Noemi Spiranec | 2098 | 0:1 | WGM Melanie Lubbe | 2278 |
4 | Anamarija Radikovic | 2006 | 0:1 | WIM Fiona Sieber | 2259 |
Pl. | Mannschaft | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | MP | BP |
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1. | Italien | x | 2½ | 3 | 3 | 6 | 8,5 | |||||||
2. | Deutschland | x | 3 | 3 | 2½ | 6 | 8,5 | |||||||
3. | Tschechien | 1½ | x | 3 | 3 | 4 | 7,5 | |||||||
4. | Ungarn | 1 | x | 2½ | 4 | 4 | 7,5 | |||||||
5. | Slowakei | 1 | x | 2½ | 2½ | 4 | 6,0 | |||||||
6. | Frankreich | 1½ | 1½ | x | 3½ | 2 | 6,5 | |||||||
7. | Kroatien | 1 | 1 | x | 3 | 2 | 5,0 | |||||||
8. | Slowenien | 1 | 1½ | x | 2 | 1 | 4,5 | |||||||
9. | Schweiz | 1 | 1 | 2 | x | 1 | 4,0 | |||||||
10. | Österreich | 1½ | 0 | ½ | x | 0 | 2,0 |
In Runde 4 geht es nun für beide Teams gegen die ungarischen Nationalmannschaften. Vor allem für die Männer wird das vermutlich ein großer Brocken. Doch wer weiß, was mit dem Schwung des heutigen Sieges so alles möglich ist? Für die Frauen kann die Devise nur heißen: Mit einem Sieg die Tabellenführung weiter behaupten. Schachdeutschland drückt dafür mit Sicherheit die Daumen. Klaus Bischoff wird auf SchachdeutschlandTV die Partien wie gewohnt galant und kompetent kommentieren. Zum Mitfiebern ist jeder herzlichst eingeladen – aufgrund des Delays von 15 Minuten beginnt die Übertragung wie gewohnt ab 15:15 Uhr.
Um auch einmal einen Einblick hinter die Kulissen eines hybrid durchgeführten Schachturniers bekommen, sollen heute einmal der Internationale Schiedsrichter Jens Wolter und die FIDE-Schiedsrichterin Claudia Münstermann zu Wort kommen.
Im Vergleich zu einem "normalen" Schachturnier, was sind eigentlich die Aufgaben eines Schiedsrichters bei einem hybrid durchgeführten Turnier? Welche Besonderheiten gibt es, auf die Ihr achten müsst?
Bei einem "normalen" Schachturnier liegt die Hauptaufgabe in der Überwachung der Einhaltung der FIDE-Schachregeln. Dies übernimmt bei einem hybrid durchgeführten Turnier die Plattform, auf welcher das Turnier ausgetragen wird (hier: Tornelo). Dafür treten technische und kommunikative Aspekte in den Vordergrund: Vor den Runden stellen wir sicher, dass alle Spieler:innen in den benutzten Tools eingeloggt sind und leisten technischen Support. Außerdem sind wir im ständigen Austausch mit den Schiedsrichter:innen an den anderen Spielorten und der Turnierleitung. Um den besonderen technischen Anforderungen dieses Turniers gerecht zu werden, arbeiten wir insgesamt mit drei Computern; einer davon ist nur für die Übertragung der Kamerabilder des gesamten Spielbereichs reserviert.
Funktioniert technisch bisher denn alles nach Plan bei euch? Wie machen es die anderen Nationen und gibt es vielleicht etwas, was wir uns von anderen Spielorten abschauen könnten?
Grundsätzlich läuft technisch alles nach Plan. Insbesondere die verwendete Turnierplattform Tornelo hat sich als sehr robust herausgestellt: Schwankungen in der Verbindungsqualität, die bereits zum Einfrieren von Kamerabildern geführt haben, konnten der Plattform nichts anhaben. Nur die Live-Übertragung lief an den ersten beiden Tagen etwas holprig, aber nach einer kurzen Einführung zum Thema WLAN-Konfigurationen hoffen wir diese jetzt auch in den Griff bekommen zu haben. Bei den übrigen Spielorten sticht besonders der italienische hervor: Die Italiener:innen spielen in einem E-Sport-Zentrum mit sehr guter Internetanbindung. Der Spielort wirkt wirklich recht futurisitsch und taucht Schach dadurch in ein sehr modernes Licht.
Wie beurteilt Ihr die Atmosphäre im Turniersaal - fühlt es sich aus Eurer Sicht wie ein "echtes" Schachturnier an? Welches Feedback erhaltet Ihr von unseren Nationalspielerinnen und Nationalspielern?
Die Anspannung bei den Spielerinnen und Spielern ist sehr gut spürbar - dahingehend entsteht tatsächlich eine mehr oder weniger normale Turnieratmosphäre. Allerdings wird dieser Mitropa-Cup durch die Hybrid-Regularien eher wie ein Einzelspielerturnier mit Mannschaftswertung durchgeführt, da die Mannschaftsleiter gar nicht erst den Spielsaal betreten dürfen und die Spieler:innen diesen nach Beendigung ihrer Partie sofort verlassen müssen. Dadurch leidet die Mannschaftsatmosphäre während der Partien wahrscheinlich ein wenig. Die Spieler:innen selbst freuen sich über jede Möglichkeit "am Brett" zu sitzen und Wettkampfpartien zu spielen. Die physischen Gegner:innen fehlen zwar, aber ungefähr die Hälfte unserer Spieler:innen nutzen die Möglichkeit das Video der Gegner:innen auf dem Bildschirm anzupinnen und so die Reaktionen verfolgen zu können. Durch die Möglichkeit seine Partien an einem echten Brett zu visualisieren, fühlt sich der Mitropa-Cup durchaus ein klein wenig nach "richtigem" Schach an.
Die Fragen stellte Kevin Högy.
// Archiv: DSB-Nachrichten - Nationalmannschaft // ID 10635