17. September 2024
Der Spielsaal in der BOK Hall in Budapest – ein Hochsicherheitstrakt. Wie insgesamt die Anti-Cheating-Vorkehrungen bei dieser 45. Schacholympiade sehr hoch sind. Sämtliche Eingänge für Spieler, Journalisten und Zuschauer sind mit Sicherheitsschleusen ausgestattet. Mobiltelefone sind verboten, im Spielsaal und auf den Tribünen. Und auch bei zwei Spielern gefundene SIM-Karten sorgten für die vorübergehende Nullung ihrer Partien – die Spieler protestierten erfolgreich. “Das alles hat was von Paranoia”, sagt Frauen-Bundestrainer GM Yuri Yakovich: “Ich halte es für übertrieben.” Bisweilen sieht man sogar FIDE-Mitarbeiter, die vor den Partien unter die Spieltische krabbeln – um nachzusehen, ob was versteckt ist.
Die Zahl der Zuschauer, die zeitgleich auf der Tribüne sitzen dürfen, ist auf 100 begrenzt. Auch da gibt es die Furcht, es könne von den Rängen Anweisungen an die Spieler geben. Klingt absurd? Gab es tatsächlich schon einmal 2010, berichtet Klaus Deventer. Er erlebt gerade seine neunte Schacholympiade. In Budapest arbeitet er in wichtiger Mission – als Fairplay Officer. Neben ihm gibt es noch zwei weitere dieser Officer, plus rund 50 weitere Mitarbeiter im Fairplay-Bereich. 2010 bestand das aufgedeckte Betrugssystem übrigens aus drei Personen, erzählt Deventer: Spieler, Teamkapitän und ein Zuschauer, der Zugvorschläge dadurch machte, dass der Kapitän auf sein Signal hin bestimmte Positionen im Saal einnahm. Eigentlich unfassbar.
“Wir betreiben einen hohen Aufwand”, sagt Klaus Deventer, “aber der wird akzeptiert. Denn wenn wir zulassen würden, dass einige nicht sauber spielen, könnten wir unseren Sport aufgeben.” Am meisten Sorgen würden der FIDE aber gerade gezinkte Normenturniere machen.
Deventer ist nicht nur Anti-Cheating-Beauftragter des Deutschen Schachbundes, sondern in Budapest im Bereich Fairplay der Verantwortliche für die Post Game Checks. Er schaut danach nochmal genauer hin, ob alles mit rechten Dingen zuging. Matthias Wolf und Katharina Reinecke haben in Budapest mit ihm und Bernhard Riess gesprochen - über ihre Arbeit für die FIDE. Der Berliner Riess ist in Budapest als Schiedsrichter dabei. Er ist für den leider viel zu früh verstorbenen Gregor Johann nachgerückt, weshalb er zwiespältige Gefühle hat. “Er war ein guter Freund und ich vermisse ihn sehr”, so Riess, “aber es ist meine erste Olympiade und ich will die Atmosphäre aufsaugen. Für mich geht ein Traum in Erfüllung.”
Eine Aufgabe der Match-Schiedsrichter, zu denen Riess gehört, ist auch das Verhindern von Kommunikation zwischen den Spielern oder mit dem Teamkapitän. Ein Thema, das Yuri Yakovich auch ärgert, weil strengere Regeln gelten als zum Beispiel bei der Europameisterschaft. Die Spielerinnen dürfen ihn zum Beispiel nicht fragen, ob sie Remis anbieten dürfen - und auch sonst nur (ausschließlich zu nicht sportlichen Fragen) in einer Sprache kommunizieren, die der “Arbiter”, der Referee, auch versteht.
Die Bandbreite unseres Interviews reicht vom auf dem Klo versteckten Mobiltelefon beim Rudolf-Teschner-Gedenkturnier in Berlin bis zum Betrugsvorwurfsfall GM Magnus Carlsen versus GM Hans Moke Niemann. Da saß der Jurist Klaus Deventer im dreiköpfigen Untersuchungsausschuss, der ermitteln und vermitteln musste. Am Ende stand eine Einigung. “Das lag daran, dass der Druck der amerikanischen Justiz schon sehr groß war, nachdem Niemann Carlsen verklagt hatte”, so Deventer: “Dass die beiden sich weiterhin nicht leiden können, ist offensichtlich.”
Neben Klaus Deventer und Bernhard Riess sind noch weitere deutsche Schiedsrichter in Budapest. Jens Wolter, der sogar einen ganzen Sektor mit mehreren Partien betreut – und Prof. Dr. Jürgen Klüners, der auch DSB-Vizepräsident Sport ist und in Budapest im Fairplay-Bereich arbeitet. (mw)
Wir bedanken uns bei unseren Partnern UKA und Krulich-Immobilien!
// Archiv: DSB-Nachrichten - Nationalmannschaft // ID 11502