30. August 2024
Wer mehr über WGM Josefine Heinemann wissen will, der muss nicht lange suchen. Die 26-Jährige betreibt ihre eigene Webseite, mit Blog. Fotos, Texten, oftmals tiefe Einblicke und Emotionen pur – was das Herz begehrt für ihre Fans. Sie streamt zudem auf dem Kanal „Frauenschachexperten“. Unsere Nationalspielerin ist also auch in diesem Bereich ein echter Profi, und hat zu Recht viele Follower. Und, man muss es so sagen: Sie hat auch schon Einiges erlebt mit ihren jungen Jahren. Man denke nur an die offene Frauenmeisterschaft in Kenia 2023, wo sich ein Spieler, vollverschleiert, als Frau verkleidet hatte, um ihr den Turniersieg streitig zu machen – der Betrug flog nach vier Runden auf. Josefine Heinemann muss heute noch schmunzeln.
In einer besonderen Rolle ist sie auch als Aktiven-Sprecherin. DSB-Sportdirektor Kevin Högy beschreibt die Zusammenarbeit mit ihr und ihrem männlichen Pendant, GM Rasmus Svane, als „sehr vertrauensvoll“. Josefine, Spitzname Josi, diskutiere in der Sache oft sehr hart, sagt Högy, „aber immer sachlich. Hinterher gibt es immer wieder ein Miteinander, auch wenn es um strittige Themen geht.“ Vermutlich wäre sie auch fürs diplomatische Corps geeignet gewesen. Als es um Sparmaßnahmen bei der Kaderförderung geht, sei er zum Beispiel auf „sehr verantwortungsbewusste und verständnisvolle“ Aktiven-Sprecher gestoßen. Heinemann, die auch in der Leistungssportkommission des DSB sitzt, sieht ihre Aufgabe so: „Die Spielerinnen können immer, wenn sie Probleme haben, die sie vielleicht nicht direkt ansprechen wollen, zu mir kommen. Ich kläre das dann.“ Im Zweifel sichere sie auch Anonymität zu. Also: Ein sehr verantwortungsvolles Amt, für das sich Högy keine bessere Spielerin vorstellen kann: „Sie bringt wirklich sehr viele wichtige Dinge ein.“ Zum Beispiel, und das zeigt ihren ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, wenn es um das Thema Nominierungskriterien geht.
Nachdem sie 2021 ihr Masterstudium in Wirtschaftsmathematik abgeschlossen hatte, entschied sie sich, erst einmal voll auf Schach zu setzen. Ihre große sportliche Liebe seit dem siebten Lebensjahr, dem Start in der Schulschach-AG in Gardelegen. 2006 spielte sie ihre erste Landesmeisterschaft und konnte in der U8-weiblich auch den ersten Titel gewinnen. Ein weiterer folgte im Jahr 2013 in der Altersklasse U16-weiblich. „Über den habe ich mich am meisten gefreut“, sagt sie heute noch. Obwohl seitdem noch viele Erfolge dazugekommen sind.
2015 (in dem Jahr wurde sie auch Fünfte bei der U18-WM) gab sie ihr Debüt in der Nationalmannschaft bei der Mannschafts-Europameisterschaft in Reykjavik, seit 2018 ist sie WGM. Nun nennt sie als Ziele das Erreichen von 2400 Elo. Aktuell steht sie bei 2267. Nebenbei ist sie als Trainerin tätig, „um mein Wissen und meine Leidenschaft mit anderen teilen zu können“.
In unserem Videoporträt sagt sie, sie würde vielleicht gerne mal mit Bill Gates tauschen, einen Kaffee mit Barack Obama trinken – und sie spricht auch über ihre Vorbereitung in Budapest. Dazu gehören Trainingssessions mit ihrem Freund, bei denen sie „der Chef“ ist und auswählt, was zuhause in Baku geübt wird. Beileibe, von außen betrachtet, ist diese Rollenverteilung nicht selbstverständlich, denn: Der Mann an ihrer Seite, GM Eltaj Safarli, ist schließlich auch Schach-Profi.
Dass die Vielfliegerin (vor dem Hintergrund ihres Wohnsitzes) in Budapest überhaupt dabei ist, sieht sie als Geschenk – rein von der Elo-Zahl her sei die Nominierung durch Bundestrainer GM Yuri Yakovich keine Selbstverständlichkeit gewesen. „Ich habe mich wirklich riesig gefreut über das Vertrauen.“ Andere hatten keinen Zweifel, dass sie im Kader stehen würde. Högy betont: „Was ihr noch fehlt, ist die Stabilität. Aber in der Nationalmannschaft spielt Josi immer gut. Da ist sie eine Bank und liefert.“ Auch vor Budapest betont Heinemann, wie sehr ihr vor allem der Mannschaftserfolg am Herzen liegen würde: „Ich will gut spielen und dem Team helfen.“ Und wie das gehen kann, konnte man beispielsweise an Platz fünf bei der Team-Europameisterschaft 2021 sehen. Dass sie jetzt schon wieder Tag und Nacht nur an die Olympiade denkt, überrascht Högy auch nicht: „Sie ist halt ein Arbeitstier.“ Ein hochmotiviertes Arbeitstier. Im August schaffte sie ihre erste IM-Norm und sagt: „Das gibt Selbstbewusstsein. Ich hoffe, das pusht mich auch für die Olympiade.“ (mw)
Ihr Debüt in der Nationalmannschaft feierte Josefine Heinemann als 16-Jährige am 5. März 2014 in Berlin. Im Verlagsgebäude der Tageszeitung "Neues Deutschland" fand ein Länderkampf der Frauen gegen Norwegen statt, den Gastgeber der wenige Monate später stattfindenden Schacholympiade. Neben Josefine gehörten Zoya Schleining, Elena Levushkina und Jade Schmidt zum Aufgebot. Deutschland siegte mit 5½:2½. Von den vier Spielerinnen schaffte es nur Schleining in das Olympia-Aufgebot.
Rund 16 Monate später hatte Josefine schon fast 300 Elo-Punkte dazugewonnen. Zusammen mit Sonja Bluhm wurde sie Achte bei der U18-Mannschafts-Europameisterschaft (die Jungen holten Gold). Danach wurde sie bei der Frauen-Europameisterschaft in Reykljavik eingesetzt, wo sie an der Seite von u.a. Elisabeth Pähtz einen sechsten Platz erreichte. Seit der Europameisterschaft 2021 in Slowenien hat sie nahezu konstant eine Elo von über 2300 und gehört zum engeren Kader der Nationalmannschaft. (fh)
Alter: | 26 |
Verein: | Schachfreunde Deizisau |
Titel: | Großmeisterin |
Elo: | 2267 |
DWZ: | 2298 |
A-Länderspiele: | 69 (+23 =27 -19), seit 2014 |
Jugend-Länderspiele: | 7 (+1 =2 -4), 2015 |
Wikipedia: | Josefine Heinemann |
Homepage: | www.josefine-schach.de |
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