19. November 2021
Deutschland gegen Polen – so lautete der Klassiker in Runde 7 der Team-EM im slowenischen Terme Catez. Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern war Polen leicht favorisiert - und ging leider auch zwei Mal als knapper Sieger vom Feld. DSB-Sportdirektor Kevin Högy berichtet.
Bei den Männern zeichnete sich bereits frühzeitig ab, dass es an diesem Freitag eng werden würde. Am ersten Brett spielte Liviu Dieter Nisipeanu eine couragierte Angriffspartie gegen den Weltklasse-Großmeister und diesjährigen Gewinner des World Cups Jan-Krzysztof Duda. Doch gerade als für die geopferte Figur ausreichend Kompensation in Aussicht zu sein schien, überzog Dieter.
Das Damenopfer war zwar kreativ, doch nach und nach gelang es Dieters Gegner, seine Stellung zu konsolidieren und den Materialvorteil nach Hause zu fahren. Somit lag die deutsche Truppe rund um Trainer Daniel Fridman bereits vor der Zeitkontrolle mit 0:1 im Hintertreffen. Wie es hierzu kam, kann natürlich keiner besser erklären als der Protagonist der Partie selbst. Trotz der Niederlage war sich Dieter nicht zu schade, den deutschen Zuschauern zu erklären, was in seiner Partie eigentlich schiefgelaufen ist.
Auch gelang es uns, Jan-Krzysztof Duda zur Partie zur befragen. Wie er sich während der Partie mit seinem Wanderkönig gefühlt hat und ob er von Dieters Eröffnungswahl überrascht war, erläutert er im Interview.
Was ist denn hier los?! Dieter opfert nach der Leichtfigur nun auch noch die Dame für Turm und Figur?! Die Maschine mag es nicht, aber kriegt Duda das auch am Brett verteidigt? #etcc2021 #schach pic.twitter.com/RbvAgClNrJ
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Erhöhen konnten die Polen am vierten Brett. Dort geriet Matthias Blübaum im Mittelspiel auf Abwege, am Damenflügel drohten bereits, alle Dämme zu brechen. Daher entschloss sich der Lemgoer, der gestern noch mit einer hervorragenden Angriffspartie glänzen konnte, sein Glück mit einem spekulativen „Not“-Figurenopfer zu suchen.
Wie es aber häufig ist, erst hat man kein Glück, dann kommt auch noch Pech hinzu. Trotz einiger ausgelegter taktischer Fallstricke war es am Ende die weiße Stellung, die taktisch auseinanderfiel. Sehr schade!
Da half es dann auch nicht mehr viel, dass Vincent Keymer seine wacklige Stellung ausgangs der Eröffnung zusammenhalten konnte. Bei unserem jüngsten Nationalspieler kam erst ein Bauer abhanden, dann war auch noch Koordination der eigenen Figuren bedingt durch die vielen gegnerischen Drohungen wenig harmonisch. Doch es bedurfte nur weniger Ungenauigkeiten seines Gegners – und schon zeigte Vincent seine ganze Klasse und rettete eine Stellung, die hier und dort vielleicht schon jenseitig war.
Matthias hat mit dem Figurenopfer auf h6 einen verzweifelten Angriff gestartet und ist noch am kämpfen! #etcc2021 #schach pic.twitter.com/LrrjgDqqT1
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Vincent steht völlig stabil, aber Gewinnchancen sind hier natürlich leider nicht mehr vorhanden. Die Niederlage für die deutsche Nationalmannschaft sollte besiegelt sein. #etcc2021 pic.twitter.com/5z72i2SDzO
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Damit war zwar die deutsche Niederlage der Männer-Nationalmannschaft besiegelt, aber das hielt Alexander Donchenko am zweiten Brett nicht davon ab, gegen den Polen Radoslaw Wojtaszek seine bessere Stellung auf Gewinn zu spielen. Durch eine hübsche taktische Kombination erarbeitete er sich beim Übergang ins Endspiel einen Mehrbauern.
Trotz des reduzierten Materials war klar, dass Weiß verbundene Freibauern am Königsflügel wird bilden können. Weil der Läufer aufgrund seiner Langschrittigkeit geradezu perfekt dafür prädestiniert ist, einerseits den schwarzen Damenflügelbauern aufzuhalten und andererseits die eigenen Königsflügelbauern beim Vormarsch zu unterstützen, sah es lange Zeit gut aus, dass Alexander für Deutschland zumindest den Ehrentreffer erzielen würde. Doch gegen einen Weltklassemann wie Wojtaszek reicht auch das nicht zwingend. Nach umsichtiger Verteidigung gelang es dem Polen, seinen letzten Springer für die verbliebenen weißen Bauern zu opfern und so das Remis zu erzwingen.
Auch wenn die Niederlage des deutschen Teams besiegelt ist, versucht Alexander Donchenko weiterhin seinen Mehrbauern zum Sieg zu verwerten und noch ein kleines Erfolgserlebnis zu schaffen. #etcc2021 #schach pic.twitter.com/ur8VPRaeGG
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Zwei Mehrbauern und doch ist es für schwarz einfach Remis. Springer nach e4, auf g5 opfern und das war es. #etcc2021 #schach pic.twitter.com/Fdg1QAnZyk
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Die 1:3 Niederlage wirft Deutschland im offenen Turnier nach dem fulminanten 4:0 Sieg gestern wieder etwas zurück. Nun bleibt die Hoffnung, mit zwei Schlussrundensiegen das Turnier noch versöhnlich innerhalb der Top 10 abschließen zu können.
6 | Polen | Elo | 3:1 | Deutschland | Elo |
---|---|---|---|---|---|
1 | GM Jan-Krzysztof Duda | 2756 | 1:0 | GM Liviu Dieter Nisipeanu | 2651 |
2 | GM Radoslaw Wojtaszek | 2700 | ½:½ | GM Alexander Donchenko | 2645 |
3 | GM Kacper Piorun | 2634 | ½:½ | GM Vincent Keymer | 2639 |
4 | GM Wojciech Moranda | 2623 | 1:0 | GM Matthias Blübaum | 2647 |
Auch die Frauen mussten am Ende neidlos anerkennen, dass die Polinnen über alle Partien hinweg verdient mit 2,5:1,5 gewonnen haben. Dabei fing es aus deutscher Sicht eigentlich wunderbar an. Josefine Heinemann setzte ihr bärenstarkes Turnier fort und remisierte gegen eine auf dem Papier deutlich favorisierte Gegnerin. Auf Josefine kann sich Bundestrainer Yuri Yakovich in diesem Turnier verlassen. Dass sie einfach gut in Form ist, zeigt auch die Tatsache, dass sie die einzige deutsche Spielerin ist, die bisher jede Runde gespielt hat.
Doch nach dieser starken Vorstellung nahm das Unglück seinen Lauf. Jana Schneider hatte sich gegen Klaudia Kulon am vierten Brett durch einen taktischen Schlag einen Mehrbauern erarbeitet, sodass es hier eigentlich recht rosig für die deutschen Frauen aussah. Ein voller Punkt war nicht klar, aber schien zumindest in Reichweite. Doch dann begann die Polin, einen starken Zug nach dem anderen aufs Brett zu stellen. Plötzlich unter Druck geraten unterliefen Jana ein paar ungenaue Züge, sodass das schwarze Läuferpaar in der sich mehr und mehr öffnenden Stellung mächtig auftrumpfen konnte. Materialverlust war dann schon nicht mehr zu verhindern.
Bei den Frauen sichert @JosefineHeinem4 erneut den ersten halben Punkt des Matches. Wie das gesamte Turnier schon mal wieder eine sichere Bank! #etcc2021 #schach pic.twitter.com/Ph9QxGGR14
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Bei Jana scheint inzwischen nicht nur der Mehrbauer, sondern auch die gesamte Stellung verloren gegangen zu sein! Das Läuferpaar wartet nur darauf, die a- und b-Bauern beim Schub zur Grundreihe zu unterstützen. 😱#etcc2021 pic.twitter.com/mPkbfyXYOg
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So hatten Hanna Marie Klek und Elisabeth Pähtz die Aufgabe, der deutschen Mannschaft die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Hanna Marie, die gestern hochgradig unglücklich einen Zug vorm Matt von den FIDE-Regeln gestoppt wurde, konnte sich ein Turmendspiel mit Mehrbauern erarbeiten:
Jana wird vermutlich verlieren, somit muss entweder bei Hanna Marie oder Elisabeth zumindest ein Sieg her für das Unentschieden gegen Polen. Das wird allerdings aus den ausgeglichenen Endspielen heraus alles andere als einfach! #etcc2021 pic.twitter.com/QNOSvi87X4
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Da aber der schwarze Turm unglücklich postiert und an die Verteidigung des c5-Bauern gebunden war und auch der eigene König nicht gut ins Geschehen eingreifen konnte, blieb Hanna Marie schlussendlich nichts anderes übrig, als die Partie unentschieden zu geben. Somit war es wieder einmal an Elisabeth Pähtz, für den erlösenden Sieg zu sorgen.
Das im Tweet gezeigte Endspiel ist zwar theoretisch vorteilhaft, wenn Schwarz es schaffen würde, seinen Springer nach c5 zu bringen und so die weiße Mehrheit am Damenflügel effektiv zu blockieren – nur schaffte es Weiß, genau dies immer wieder zu verhindern. Dank des Angriffs auf den schutzbedürftigen d6-Bauern gelang es der Anziehenden, Elisabeth von der notwendigen Umgruppierung abzuhalten, sodass auch hier am Ende die Friedenspfeife geraucht wurde.
In Summe eine ärgerliche, weil knappe 1,5:2,5 Niederlage, die aber vom Gesamtverlauf des Wettkampfs in Ordnung geht und für die sich keine unserer Spielerinnen verstecken muss. Vielleicht gibt es die nächsten beiden Runden ja auch mal ein wenig Losglück, um sich noch ein besseres Ergebnis zu erarbeiten. Immerhin führt die gewöhnungsbedürftige Zweitwertung (Olympia-Sonneborn-Berger mit Streichwertung) dazu, dass die deutschen Frauen zuletzt immer gegen die stärksten Gegnerinnen gelost wurden. In bisher sieben Runden ging es gegen fünf Teams der Top 11 der Setzliste!
4 | Polen | Elo | 2½:1½ | Deutschland | Elo |
---|---|---|---|---|---|
1 | WGM Jolanta Zawadzka | 2429 | ½:½ | IM Elisabeth Pähtz | 2485 |
2 | WIM Oliwia Kiolbasa | 2403 | ½:½ | WGM Josefine Heinemann | 2336 |
3 | GM Monika Socko | 2393 | ½:½ | WGM Hanna Marie Klek | 2343 |
4 | IM Klaudia Kulon | 2328 | 1:0 | FM Jana Schneider | 2269 |
Wir danken unserem Sponsor UKA Meißen für die Unterstützung unserer Nationalmannschaften!
Morgen beginnt die achte Runde wie auch die Runden zuvor um 15:00 Uhr.
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Live-Kommentar von Klaus Bischoff | englische Livestreams
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