22. Juli 2022
Unter dem Motto „Gleiche Rechte für Ungleiche – weltweit“ veranstaltete der Regenbogenfonds e. V. in diesem Jahr zum 28. Mal am 16./17. Juli das große lesbisch-schwule Stadtfest auf 20.000 m2 im bekannten Berliner Kiez am Nollendorfplatz. Täglich ab 11 Uhr präsentierten sich in fünf Stadtfest-„Welten“ die unterschiedlichsten Vereine und Organisationen. In der Sportwelt zeigte der Deutsche Schachbund zusammen mit dem Berliner Verein Queerspringer e.V. das organisierte Schachspiel in seiner bunten und fröhlichen Form den 350.000 Besuchern des weltweit seiner Art größten Freiluftfests der LGBTIQ-Community.
Als der Deutsche Schachbund im letzten Monat den einzig queeren Schachverein Deutschlands im Rahmen des Pride Month Juni vorstellte, entwickelte sich schnell die Idee, gemeinsam Werbung für das Schach zu machen. Das lesbisch-schwule Straßenfest bildete hierfür mit seinen unzähligen Besucher:innen den perfekten Rahmen. Das Erfolgskonzept war simpel: Tische, Stühle, Uhren, dazu ein paar bunte Bretter und Figuren, die uns dankenswerterweise von der Deutschen Schachjugend zur Verfügung gestellt wurden – mehr brauchte es nicht und schon wurde eine 9 m2 große Leihpagode zum kleinen Schachtempel umfunktioniert.
Schach zieht Menschen in ihren Bann. Immer wieder blieben viele stehen und staunten, einige trauten sich ans Brett.
An beiden Tagen des Stadtfests fand die gesamte Breite des Schachsports seinen Weg zu unserem Stand und an die Bretter: Ob Anfänger, die ihre ersten Gehversuche unternahmen über Vereinsspieler bis hin zu einem echten Jugendweltmeister!
Bei dieser Aufzählung darf selbstverständlich eine andere große Gruppe nicht vergessen werden: Schachspieler:innen, die zwar durchaus beachtlich Schach spielen können und schätzungsweise eine Spielstärke zwischen ca. 1300 und 1900 DWZ besitzen sollten – aber zuvor noch niemals im Verein waren. Häufig war diesem Personenkreis gar nicht klar, dass es das organisierte Schach mit seinen Vereinen und dem Spielbetrieb gab. Schachzeitungen und Schachbücher? Noch nie gehört.
Im Gegensatz hierzu hörten wir jedoch die immer gleiche Geschichte in leicht abgewandelter Form: Während der Coronazeit und insbesondere dank des Hypes um die Netflix-Serie „Das Damengambit“ lernten die Menschen Schach. Unter anderem bekannte Schachstreamer wie TheBigGreek (Georgios Souleidis) weckten den Hunger, sich intensiver mit Schach zu beschäftigen, bevor sich dann schlussendlich auf Onlineplattformen wie Lichess selbst ausprobiert wurde. Nach und nach tauchten sie immer tiefer in die Welt des Schachs ein.
Vor Ort waren diejenigen, die Schach bisher nur in 2D kannten, begeistert von dem, was Schach in 3D doch so alles bietet: Vom „echten“ Gegner auf der anderen Seite des Brettes über den Trashtalk während der Blitzpartien bis hin zum gemeinsamen Analysieren im Anschluss. All das, was Vereinsspieler seit jeher begeistert, war vielen neu. Genau diese Zielgruppe aber gilt es davon zu überzeugen, dass Schach im Verein vielleicht doch am schönsten sein kann!
Für den Queerspringer e. V. hat sich das Straßenfest schon jetzt gelohnt: Kurz vor Toreschluss gingen die zahlreichen, vorher gedruckten Vereinsflyer aus. Viele Interessierte taten kund, bei einem der nächsten Spieleabende im Vereinsheim vorbeischauen zu wollen. Und noch während der beiden Tage des Straßenfests konnten neue Mitglieder gewonnen und die Beitrittsformulare unterschrieben werden! In Summe also eine Erfolgsformel, die auch andere Vereine bei ihren lokalen Orts- und Stadtfesten kopieren können. Die Schachspieler:innen sind da – sie müssen nur angesprochen werden.
Kevin Högy
// Archiv: DSB-Nachrichten - Breitenschach // ID 10984