20. DDR-Meisterschaft // Freiberg 1970

Auch nicht gerade als Favorit ging der meisterschaftserfahrene Dr. Baumbach in den Kampf. Er ist seiner Spielweise nach kein Himmelsstürmer. Sachlichkeit, Nüchternheit und Zweckmäßigkeit kennzeichnen seinen Stil. Auch sich selbst gegenüber läßt er es an Objektivität nicht fehlen. Schon mehrfach konnte er in den letzten Jahren im Verlaufe einer Meisterschaft zeitweilig Positionen in der Spitzengruppe einnehmen, und mehrfach fehlte es zum Schluß an Spielkraft, an Kondition. In Freiberg teilte er seine Kräfte ein, speicherte neue Kraft durch häufige Skitouren und entwickelte eine außerordentliche Energie, als sich für ihn Titelchancen ergaben. Gern läßt er in seinen Partien den Gegner kommen, ist auch bereit, stundenlang schwere Verteidigungen auf sich zu nehmen, und ergreift seine Chancen, sobald sich diese bieten. Diese Spielweise, die das Streben nach Initiative nicht absolut in den Vordergrund stellt, ist zwar nach heutiger Auffassung nicht so modern, doch hat nach einem Wort von Großmeister Keres jeder Stil seine Berechtigung, solange er Erfolge bringt.

Tabelle

Pl. Name Titel Verein Pkt. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0
1. Dr. Friedrich Baumbach M DAW Berlin 14,0 x ½ ½ ½ ½ ½ 1 ½ ½ ½ 1 1 ½ 1 1 1 1 ½ 1 1
2. Heinz Liebert IM Buna Halle 13,0 ½ x ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 1 ½ ½ 1 ½ 1 1 1 1 1 ½
3. Artur Hennings IM SG Leipzig 13,0 ½ ½ x ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 1 ½ 1 ½ 1 1 1 1 1 ½
4. Wolfgang Dietze MA Buna Halle 12,0 ½ ½ ½ x ½ 1 ½ 1 ½ 1 ½ ½ 1 ½ 0 ½ ½ 1 1 ½
5. Lothar Vogt M SG Leipzig 12,0 ½ ½ ½ ½ x ½ ½ ½ ½ ½ 1 0 ½ 1 1 ½ ½ 1 1 1
6. Manfred Schöneberg M SG Leipzig 11,0 ½ ½ ½ 0 ½ x ½ ½ 1 1 ½ 1 ½ 1 0 ½ ½ ½ 1 ½
7. Günther Möhring MA Buna Halle 11,0 0 ½ ½ ½ ½ ½ x ½ 1 ½ ½ ½ 1 ½ 1 ½ 0 1 1 ½
8. Detlef Neukirch M SG Leipzig 11,0 ½ ½ ½ 0 ½ ½ ½ x 0 1 ½ ½ 1 0 1 1 ½ ½ 1 1
9. Lutz Espig M Buna Halle 10,5 ½ ½ ½ ½ ½ 0 0 1 x ½ 0 ½ ½ 1 ½ 1 1 0 1 1
10. Uwe Küttner MA Medizin Neubrandenburg 10,0 ½ 0 ½ 0 ½ 0 ½ 0 ½ x 1 1 0 1 1 0 1 1 ½ 1
11. Reinhard Postler MA Buna Halle 10,0 0 ½ 0 ½ 0 ½ ½ ½ 1 0 x 1 0 1 ½ 1 ½ ½ 1 1
12. Joachim Brüggemann MA EVB Motor W. Erfurt 9,0 0 ½ ½ ½ 1 0 ½ ½ ½ 0 0 x 1 0 0 1 1 1 ½ ½
13. Hermann Brameyer M DAW Berlin 9,0 ½ 0 0 0 ½ ½ 0 0 ½ 1 1 0 x ½ 1 1 0 1 ½ 1
14. Manfred Böhnisch M SG Leipzig 8,5 0 ½ ½ ½ 0 0 ½ 1 0 0 0 1 ½ x 1 0 1 0 1 1
15. Rainer Knaak MA SG Leipzig 8,5 0 0 0 1 0 1 0 0 ½ 0 ½ 1 0 0 x ½ 1 1 1 1
16. Eberhard Geissert MA Aktivist Lauchhammer 8,0 0 0 0 ½ ½ ½ ½ 0 0 1 0 0 0 1 ½ x 1 1 ½ 1
17. B(ernd) Schmitz MA Chemie Lützkendorf 6,5 0 0 0 ½ ½ ½ 1 ½ 0 0 ½ 0 1 0 0 0 x ½ ½ 1
18. Gerd Lorenz MA SG Leipzig 6,0 ½ 0 0 0 0 ½ 0 ½ 1 0 ½ 0 0 1 0 0 ½ x ½ 1
19. Harald Darius MA Motor Magdeburg Südost 4,0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 ½ 0 ½ ½ 0 0 ½ ½ ½ x 1
20. Günter Walter MA Lok Brandenburg 3,0 0 ½ ½ ½ 0 ½ ½ 0 0 0 0 ½ 0 0 0 0 0 0 0 x

M = Meister, NWZ 2340; MA = Meisteranwärter, NWZ 2220

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A291970[Friedrich Baumbach]

Interview mit Dr. Fritz Baumbach

Seit wann spielen Sie Schach, in welchen Gemeinschaften?

Schach lernte ich im Alter von 14 Jahren von Nachbarkindern in Gera. Noch im gleichen Jahr (1949) trat ich der Schachgemeinschaft Gera-Untermhaus bei. 1950 siedelte unsere Familie nach Berlin über. Ich wurde dann Mitglied bei Lichtenberg 47 und kam mit deren Jugendmannschaft 1953 zum Gewinn des DDR-Mannschafts-meistertitels. Die weiteren Stationen waren Union Oberschöneweide, SC Motor, TSC Oberschöneweide, TSC Berlin und DAW Berlin. Mehrmals war ich an deutschen Meistertiteln in diesen Mannschaften beteiligt.

Worauf führen Sie zurück, daß Ihnen bei den früheren sieben Teilnahmen an DDR-Meisterschaften, abgesehen von dem zweiten Rang 1968 hinter Uhlmann, ein größerer Erfolg versagt blieb?

Meine berufliche Entwicklung - Studium der Chemie und Promotion als Dr. rer. nat. - ließ mir vielleicht ungenügend freie Zeit für das Schachspiel. Bei früheren DDR-Meisterschaften habe ich durch schlechte Krafteinteilung meist nicht durchgehalten. In Freiberg, wo ich anfangs verhalten spielte, gelang mir das besser. Außerdem bin ich oft Ski gelaufen, und das dürfte zur Konditionsverbesserung nicht unwesentlich beigetragen haben.

Es ist bekannt, daß Sie viel Fernschach spielen. Nach Erringung des Titels Inter
nationaler Fernschachmeister bewerben Sie sich sogar um den Großmeistertitel im Lenin-Gedenkturnier der sowjetischen Schachföderation. Glauben Sie, daß das Fernschach Ihr Spiel am Brett beeinflußte?

Fernschach ist indirekt ein guter Trainingsfaktor, denn man wird gezwungen, sich ständig mit Schach zu befassen. Direkt vermittelte mir das Fernschach gute Eröffnungskenntnisse und analytische Fähigkeiten. Dies ist wichtig bei der Analyse von Hängepartien.

Welches sind Ihre nächsten schachlichen Pläne?

Zunächst möchte ich beim Lenin-Gedenkturnier in Moskau, an dem außer dem Gastgeber die Städte Leningrad, Riga, Kasan, Warschau, Berlin und Leipzig teilnehmen, am 1. Brett von DAW Berlin erfolgreich abschneiden. Und dann sind die Finalkämpfe der Europa-Mannschaftsmeisterschaft in Kapfenberg (Österreich) noch wich-tiger. Gern würde ich nach einigen Jahren Pause wieder ein internatio-nales Einzelturnier mitspielen.

Nun noch eine ganz andere Frage. Sie äußerten sich bei früherer Gelegenheit über Schachcomputer. Halten Sie es für möglich, daß solche Computer - wie Dr. Botwinnik in Aussicht stellte - den Kampf mit Großmeistern bestehen können?

Wissenschaftler stellten die Prognose, daß etwa 1980 Computer existieren werden, die das menschliche Gehirn in bezug auf Speicherfähigkeit und Schnelligkeit der Informationsverarbeitung übertreffen. Solche entsprechend programmierten Computer müßten demzufolge auch in der Lage sein, einen Großmeister zu schlagen.