27. Februar 2024
Fast 72 Prozent aller deutschen Schachspieler mit einer FIDE-Elo (30.950 Spieler am 1. Februar) dürfen sich am 1. März 2024 über eine Erhöhung ihrer internationalen Wertungszahl freuen. Das betrifft alle Spieler mit einer FIDE-Elo kleiner 2000. Zum einen werden alle Zahlen um 40% angehoben (40% von 2000 minus alte Elo-Zahl) und zum anderen wird die Mindestelo auf 1400 festgelegt. Die FIDE-Qualifikationskommission hat im Dezember 2023 zudem empfohlen, das diese Änderung auch für Blitz- und Schnellschach-Elo angewandt wird.
Im nachfolgenden Beitrag geht Berthold Plischke von der DSB-Wertungskommission genauer auf die Änderungen ein.
Von Berthold Plischke, Referent für Systemkontrolle in der DSB-Wertungskommission
Am 1. März 2024 werden alle Elo-Zahlen unter 2000 einmalig wie folgt geliftet:
EloNeu = EloAlt + 0,4 x (2000 – EloAlt) = 0,6 x EloAlt + 800
D.h. jeder erhält einen Aufschlag von 40% seiner Differenz zu Elo 2000:
1000 → 1400 (zugleich neue Untergrenze), 1500 → 1700, 2000 → 2000, 2100 → 2100 usw.
Anders ausgedrückt: Elo-Differenzen werden mit dem Komprimierungsfaktor 0,6 Richtung 2000 zusammengeschoben, aus der Differenz 100 wird 60, aus 200 wird 120, aus 10 wird 6 usw.
Hinzu kommt u. a. ein künstliches Lifting für Anfänger: 2 Remisen gegen fiktive 1800.
Es gibt durchaus nachvollziehbare Gründe für diese Maßnahme, nämlich eine Deflation der Elo-Werte über Jahre hinweg gerade im Bereich unter 2000, einhergehend mit sich vergrößernden Differenzen, die zu unrealistischen Punkterwartungen führen. Ausmaß und Zeitpunkt überraschen allerdings doch. Auch ist die Deflation recht schwer nachzuweisen, siehe das 47-Seiten-Dokument von Jeff Sonas.
(Ich vermute ebenfalls seit Langem eine gewisse Deflation der DWZ, die aber geringer ausfällt als bei der FIDE, da sich unser Ratingpool nicht so stark verändert – Stichwort „unterbewertete Inder“).
Die Maßnahme wird mittelfristig auch die Elos über 2000 mehr oder weniger steigen lassen.
Wir können keineswegs mehr wie bisher für DWZ-lose Turnierteilnehmer deren Elo (unter 2000) als DWZ einsetzen, zumal in diesem Bereich die alten Elo-Werte im Schnitt schon höher waren als die DWZ-Werte.
Lösung 1 (vorläufig)
Man kann anstelle der EloNeu die zurückgerechnete EloAlt einsetzen, etwa gemäß der (etwas vereinfachten) Formel:
DWZ = EloAlt = 1,7 x EloNeu – 1400 (wenn EloNeu < 2000)
Dies wird nicht mehr mit DeWIS technisch umsetzbar sein: Man kann aber unseren monatlichen Elo-Import anpassen und ggfs. auch für Turnierdateien entsprechende Umwandlungslösungen finden, wenn Elo-Werte aus ihnen entnommen werden sollen.
Die schöne neue Elo-Welt wird die Rufe nach Abschaffung der meist viel niedrigeren DWZ lauter werden lassen, um nur noch FIDE-Wertungen zu verwenden (wie z. B. Frankreich).
Gegen eine solche Ablösung sprechen viele Gründe – vor allem, dass die meisten Anfänger jahrelang keine Chance mehr haben werden, überhaupt eine Ratingzahl zu erwerben.
Lösung 2 (mittelfristig)
Damit uns die Elo-Welle nicht überflutet, werden wir wohl nicht umhin kommen, letztlich auch die DWZ in ganz analoger Weise wie die FIDE einmalig „upzugraden“. - Dazu eignet sich sehr gut die Einführung der neuen DWZ-Anwendung, die in Jahresfrist DeWIS ersetzen soll.
Dies wird im Detail die Modifizierung weiterer Formeln der Wertungsordnung nach sich ziehen. Die DWZ-Untergrenze könnte dann möglicherweise (wie in der Schweiz) bei 1200 liegen – ziemlich ungewohnt!
Ergänzung (400-Regel ab 1.3.2024)
Mit einer Rolle rückwärts führt die FIDE wieder die volle 400-Regel ein (jede höhere Differenz wird bei der Auswertung als 400 gezählt). Diese unglückliche Regel war dem DWZ-System niemals angemessen und wird es auch in Zukunft nicht sein. Wir haben stattdessen das Instrument der Sonderwertung, die mit der nächsten Wertungsordnung noch besser fundiert sein wird.
Meldung der FIDE vom 2. Januar 2024 (englisch)
In der nachfolgenden Aufzeichnung des englischsprachigen Meetings der FIDE-Qualifikationskommission erläutert Mathematiker Jeff Sonas ab 1 h 20 min etwa eine Stunde lang die Problematik.
Zum ersten Mal haben wir auf unserer Website ein Bild verwendet, das von künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurde, in unserem Fall von Bing. Ziel war es vierstellige Zahlen darzustellen, die von einer Welle davongespült werden. Das oben verwendete Bild entstand aus der Zeichenfolge "Vierstellige Zahlen, die in einer Flutwelle untergehen" und entspricht nicht ganz dem, was wir wollten ("vierstellig"). Bei einem vorhergehenden Versuch mit "Vierstellige Zahlen, die von einer Flutwelle weggespült werden" wurde das Kriterium "vierstellig" zwar erfüllt, aber es gab nur eine Zahl und sie lag am Strand von Möwen umgeben und eine Welle rollte auf den Strand zu.
// Archiv: DSB-Nachrichten - Wertungskommission // ID 11311