21. Mai 2007
Der Bundeskongress vom 19. Mai war die reine Marathonsitzung. Pünktlich eröffnet um 10 Uhr vom noch amtierenden Präsidenten Alfred Schlya, begrüßte eine örtliche Blasmusikcombo samt Tuba und Horn die Delegierten zunächst mit der deutschen, dann mit der bayerischen Hymne - ein so auch noch nie dagewesener Auftakt. Die etwas unsicher sich zunächst von ihren Plätzen erhebenden, dann wieder sich setzenden und schließlich ob der Erkenntnis der neuerlich staatstragenden Melodie wieder aufstehenden Delegierten wurden umgehend vom ersten Grußwortübermittler aufgeklärt: Landrat Norbert Kerkel ließ ausrichten, so sei das hier immer und extra für Bürgermeister Herbert Fischhaber gespielt, damit er wisse, wann er hier einzutreten habe. Außerdem habe er auf Rücksicht auf die Bundesversammlung seine ursprünglich für 45 Minuten ausgelegte Grußrede auf 40 Minuten gekürzt.
Dieser und auch der anschließende Bürgermeistergruß waren dann für geraume Zeit die einzigen Auflockerungen und hätte man die Länge der Sitzung erahnt, man wäre wohl auch gerne ohne Grußworte gestartet. Allein Klaus-Norbert Münch hielt sich bewusst kurz in der Ansprache, dankte aber dem DSB, dass man das schöne Bad Wiessee in Bayern als Tagungsort ausgesucht habe. Nicht wenige der Delegierten waren ja ursprünglich irrtümlich der Meinung, der bayerische Landesverband habe nach Bad Wiessee eingeladen und würde den Kongress organiseren.
Als Ehrengäste erschienen: Horst Leckner vom Bundesligaverein Tegernsee als Organisator der Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften (OIBM), Peter Rie als Veranstalter der örtlichen Touristeninfo, Kurt Geiß als Manager vor Ort, die Ehrenmitglieder Dr. Heinz Meyer, Lothar Schmid, Wolfgang Uhlmann, Günther Müller, Siegfried Wölk. Außerdem Dirk Jordan und Jörn Torsten Verleger vom Organisationskomitee Dresden, Österreichs Vizepräsident Robert Zsifkovits und Generalsekretär Walter Kastner, sowie André Lombard aus der Schweiz. Außerdem erinnerte Schlya an die verstorbenen Schachfreunde im vergangenen Jahre und nannte stellvertretend Egon Ditt, Wolfgang Unzicker, Rudolf Teschner, Reinhold Hoffmann, Karl-Heinz Saffran, Joachim Rothe, Günter Proena, Benno Naujoks.
Nach Feststellung der Stimmenanzahl und einiger Formalien ehrte der Bundeskongress Dr. Günter Reinemann, Ludwig Beutelhoff, und Jürgen Dammann mit der silbernen Ehrennadel. Weitere Ehrennadeln werden erhalten: Heinz Rätsch, sowie Jessica Nill und Jan Gustafsson für je 50-maligen Einsatz in der Nationalmannschaft - eine Ehrenurkunde geht an Hans Dietrich Wolf. Der Deutsche Fernschachbund (BdF) und die Bundesliga e.V. wurden als Mitglied aufgenommen. Ernst Bedau übernahm die Veranstaltungsleitung und stellte von nun an sein ausdauerndes Redetalent mit einem kaum für möglich gehaltenen Kraftakt unter Beweis. Er ahnte wohl noch nicht, dass er von nun rund zehn Stunden (mit-)reden würde.
Erste langwierige Station waren die Rechenschaftsberichte der einzelnen Mitglieder, sie wurden zum Teil mündlich ergänzt. Eine Aussprache gab es zu mehreren Berichten. Patrick Wiebe als DSJ-Vorsitzender stellte die Studie an der Grundschule Olewig vor und warb dafür, diesen ausgezeichnet geeigneten Schlüssel für Kultusministerien und Schulämter in die Hand zu nehmen. Wenig später präsentierten Dirk Jordan und Jörn Verleger den Stand der Vorbereitungen zur Schacholympiade 2008. Fragen zur Organisation, den Preisen für Eintrittsgelder und Übernachtungen, Finanzierungssummen und vorhandenen Sponsoren, Vertragsdetails und Rahmenveranstaltungen wurden gestellt und beantwortet. Insbesondere Fragen zum Gewährvertrag und der möglichen Verpflichtungshöhe Dresdens wurden ausführlich besprochen - es sollten nunmehr keine Zweifel mehr offen sein.
Etwas demütigend empfanden die meisten Delegierten die Wahl Schlyas zum Ehrenpräsidenten. Auch wenn Alfred Schlya in seiner Arbeitsweise sicher nicht die Zustimmung aller finden konnte (das wird man als Präsident auch nie erreichen), so arbeitete er doch sechs Jahre zum Wohl des deutschen Schachs und es war völlig klar, dass er die nötigen drei Viertel aller Stimmen zur Wahl auch erhalten wird. Dies mussten auch diejenigen wissen, die eine geheime Abstimmung beantragten - um dann nach der Auszählung vor allem das Ausrufezeichen setzten, allein auf ihren Nein-Stimmen sitzen geblieben zu sein. Auch wenn man sich selbst zu den letzten Aufrechten dieser Welt zählt, hätte man hier auch mal "Fünfe gerade sein lassen" dürfen.
Vor den Wahlen mussten die satzungsändernden Anträge behandelt werden, da sie sich zum Teil auf die Wahlen selbst bezogen. Eine aberwitzige Prozedur setzte ein, da fast alle Anträge aus den Reihen der bayerischen Fraktion ablehnend beschieden wurden. Nachdem etwa fünf bis sechs Mal mühsam die Stimmen ausgezählt wurden ging man dazu über, mit Zustimmung der Bayern nur noch die Gegenstimmen und Enthaltungen zu zählen. Die Anträge betrafen Ordnungsmaßnahmen, Bundesliga, Spielsperren, Anti-Doping-Regelung, Wertungen, den Sportdirektor, die Vizeregelung, den Spielbetrieb, aber auch viele formelle Änderungen. Eine Enttäuschung musste Seniorenreferent Klaus Gohde hinnehmen, dessen Antrag auf Wahl des Referenten durch die Seniorenkommission nicht angenommen wurde.
Aus dem Präsidium schieden mit einem Dankeschön und Abschiedsgeschenk aus: Jürgen Dammann als Referent für Datenverarbeitung, Petra Mense als Referentin für das Frauenschach und Hanno Dürr als Referent für Ausbildung. Die Wahlen wurden von der Zählkommission Detlef Wickert, Kurt Ewald und Jan Pohl begleitet. Nach der Entlastung (endlich wieder en bloc) startete die Wahl natürlich beim Präsidenten. Als einziger Kandidat trat Robert Klaus von Weizsäcker an und musste laut Satzung geheim gewählt werden. Das exakte Stimmenergebnis lautete: Abgegeben 229, davon Ja: 211 Stimmen, Enthaltungen: 12 Stimmen, Nein: 6 Stimmen. Begleitet von lang anhaltendem Applaus setzte nun eine nicht endend wollende Gratulationscour ein, die zwangsläufig in eine Pause mündete. Nahezu alle Anwesenden reihten sich ein.
Weitere Wahlen: Drei Vizepräsidenten wurden gewählt. In der Reihenfolge ihrer Stimmen
Hans-Jürgen Hochgräfe,
Matthias Kribben (neu),
Heinz-Jürgen Gieseke.
Zum Stellvertreter des Präsidenten einigten sich die drei auf Matthias Kribben.
Als Schatzmeister wurde Michael S. Langer gewählt.
Bundesrechtsberater: Ernst Bedau.
Leistungssportreferent: Klaus Deventer.
Bundesturnierdirektor: Ralph Alt.
Frauenschach: Ulla Hielscher (neu).
Seniorenschach: Klaus Gohde.
Breitenschach: Ralf Schreiber (neu).
Öffentlichkeitsarbeit: Klaus J. Lais.
Ausbildung: Joachim Gries (neu).
Datenverarbeitung: Rainer Blanquett (neu).
Wertungen: Joachim Fleischer.
Zwei Mitglieder der Kommissionen Leistungssport, Breiten- und Freizeitsport, sowie Wertungen und die Rechnungsprüfer (folgen im Nachbericht).
Weil es meine eigene Wahl betrifft, möchte ich nachhaken. 75% der Ja-Stimmen sind nicht das, was man nach zwei Jahren harter Arbeit für den Deutschen Schachbund erwartet. Einen kurzen Moment, der mir selbst wie eine kleine Ewigkeit vorkam, zögerte ich bei der Annahme des Auftrags. Wenn man inhaltliche Kritik übt, bin ich jederzeit bereit, darüber zu reden. Das war aber seitens der Delegationen nie der Fall. Vielleicht möchten Sie sich selbst ein Bild meiner Arbeit machen. Ich gebe Ihnen gerne meinen Rechenschaftsbericht zu lesen: Rechenschaftsbericht2006.pdf
Nun wird es wieder Zeit für eine hitzige Debatte, dachten wohl viele: Der Beschluss über die Festsetzung des Jahresbeitrages für 2008 und 2009 stand an. Doch der Punkt ging - allerdings auch nach vielen Vorgesprächen mit dem AKLV - nach gemäßigter Diskussion recht unaufgeregt über die Bühne. Den genauen Beschluss erhalten Sie im folgenden Nachbericht. An dieser Stelle sei (weiterer Anfragen meiner Mailbox vorgreifend) auch noch mal betont, dass es eine Stellungnahme des AKLV zu den Tätigkeiten der GmbH geben wird. Der Nachtragshaushalt 2007 und der Haushaltsplan 2008/2009 wurden nach dem Antrag des Referenten für Öffentlichkeitsarbeit auf Zuwendung für externe Medienarbeit mehrheitlich angenommen. Der Antrag selbst wurde an das Präsidium zurückverwiesen mit dem Auftrag um wohlwollende Behandlung.
Weitere Anträge folgten. Darunter der des Bundesliga-Ausschusses, zur organisatorischen Trennung des Betriebs der ersten Schach-Bundesliga und dessen Übertragung auf den Verein "Schachbundesliga e.V." Dem Antrag lagen mehrere begleitende Dokumente bei, unter anderem die Satzung, Ordnungen und der Vertrag zwischen DSB und e.V.. Eine riesige Rednerliste notierte Bedau, ehe Christian Zickelbein zum Schluss mit einer sehr emotionalen und aufrüttelnden Rede die Mehrheit der Delegierten überzeugen konnte. Wohl dem, der einen solchen Kämpfer in seinen Reihen hat! Abgelehnt wurde der Antrag des badischen Schachverbandes auf Änderung der Nominierungskriterien des DSB für Einsätze im Jugendbereich.
Zum Schluss von vielen mit sehr viel Unwohlsein erwartet: Die Diskussion um die Anti-Doping-Regelung: 1. Der deutsche Schachbund gibt sich in Erfüllung seiner Satzungsaufgabe eine Anti-Doping-Ordnung. 2. Es wird ein Ausschuss eingesetzt. 3. 2008 findet ein Doping-Testlauf unter den Kader-Mitgliedern statt. 4. Es werden die Aufgaben für den Ausschuss festgelegt. Wie von selbst und ohne großes Aufhebens ging dieser Antrag unter dem Erstaunen der meisten mehrheitlich durch. Und das obwohl viele hier das vermutlich meiste Streitpotential sahen. Möglicherweise auch ein nicht ungeschickter Schachzug, diesen Antrag ganz ans Ende, etwa zur zwölften Sitzungsstunde einzubringen.
Den Schluss gestaltete Diana Skibbe als Präsidentin des thüringischen Schachbundes mit ihrer Einladung zum 100. Bundeskongress des DSB nach Zeulenroda 2009. Dann auch wieder tatsächlich unter der Organisation des einladenden Verbandes.
Anbei die Bilder der Tagungswoche.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 5326