12. November 2014
Das Gigantenduell zwischen Weltmeister Magnus Carlsen und Herausforderer Viswanathan Anand ging nach dem 1. Ruhetag gestern in die 3. Partie in Sotschi. Zahlreiche Beobachter billigten Anand nur dann eine ernsthafte Chance im weiteren Verlauf der Weltmeisterschaft zu, wenn ihm der sofortige Befreiungsschlag mit einem vollen Punktgewinn gelingen sollte. Quasi die psychologische Sofortantwort auf den Carlsen Sieg vom Sonntag in der 2. Schachpartie. Der bereits im Chennai Duell bewährte Kommentator Bernd Schroller beim Live-Ticker bei Spiegel Online bemerkte 15.43 Uhr:
"Ich habe gerade noch einmal in den Datenbanken nachgeschaut. Der letzte Sieg von Anand in einer Partie mit klassischer Bedenkzeit über Carlsen liegt über dreieinhalb Jahre zurück, mit Weiß ist es sogar schon über vier Jahre her.“
Das wussten selbstverständlich auch die beiden Protagonisten auf der Schachbühne von Sotschi. Wie ein Sieg gegen Magnus Carlsen geht hatte ja im Sommer der deutsche Schachspitzenspieler Arkadij Naiditsch bei der Olympiade in Norwegen gezeigt. Viswanathan Anand beendete die sieglose Durststrecke gegen den norwegischen Weltmeister. Mit dem gestrigen Sieg glich der Herausforderer im Schachweltmeisterschaftskampf aus. Alles wieder offen. Es steht 1,5:1,5. So stand es vor einem Jahr auch in Chennai. Der identische Zwischenstand. Nur der Weg dahin war ein anderer
Schachexperte André Schulz fasst auf ChessBase die 3. Schachpartie von Sotschi prägnant zusammen:
"Anand eröffnete heute erneut mit 1. d4, doch Carlsen wich von der 1. Partie ab und wählte statt Grünfeld das Abgelehnte Damengambit. Dort hatte Anand in einer aktuellen Modevariante ein scharfes Abspiel vorbereitet. Carlsen wurde davon überrascht und verbrauchte viel Zeit, um am Brett die richtigen Antworten zu finden. Anand erhielt anhaltenden Druck. Bei schwindender Bedenkzeit machte Carlsen in schwieriger Stellung Fehler und musste schließlich aufgeben.“
Ulrich Stock nimmt sich der Niederlage Carlsens an und titelt auf Zeit Online Magnus geht hops und merkt in seiner unverwechselbaren Art einleitend an:
"Viswanathan Anand spielte schnell und bestens vorbereitet. Ein großer Tag für ihn. Aber was war mit Carlsen los? Spötter sagen, er habe zu viel Basketball gespielt“.
Der leidenschaftliche Schachreporter Ulrich Stock nimmt sich dann auch die Schachpartie vor und beschreibt das Dilemma von Carlsen und dem nervenden weißen Bauern von Anand auf c7.
"Anand spielt anfangs sehr schnell. Er muss nicht überlegen. Das hat das Team seiner Sekundanten vor der Partie für ihn getan. Er muss sich nur an die vorbereiteten Züge erinnern. Am Damenflügel kommt es zu einem Scharmützel.
Viswanathan Anand bekommt von Spiegel-Online einen Lorbeerkranz geflochten. Das Hamburger Nachrichtenmagazin titelt emotional Anand brilliert im dritten Spiel und gleicht aus. Anerkennend wird die Vielzahl guter Züge hervorgehoben:
"Anand nutzte seine hervorragende Stellung und spielte weiterhin beste Züge. Nach knapp dreieinhalb Stunden waren Carlsens Dame und sein Turm an den Läufer auf c7 gebunden - kurz darauf gab der Norweger auf.“
Die Neue Zürcher Zeitung beschäftigt sich auch mit dem bisherigen Verlauf des Schachkampfes zwischen Weltmeister Magnus Carlsen und Herausforderer Viswanathan Anand und bilanziert:
"Anand machte mit diesem überraschenden Erfolg seine Niederlage aus der zweiten Partie wett und lancierte den WM-Kampf von Neuem. Der Inder hatte am Wochenende noch nervös und unsicher gewirkt. Im ersten Spiel war er trotz der weissen Figuren unter Druck geraten und hatte nur mit Ach und Krach ein Remis erzwingen können. Danach folgte eine Niederlage, viele Beobachter sprachen bereits von einer Vorentscheidung. Stattdessen steht es nun im Gesamtklassement 1,5:1,5.“
Eine schöne, faszinierende und spannende 4. Schachpartie am heutigen Mittwoch wünsche ich allen Lesern, Schachfreunden und Kiebitzen.
Michael Wiemer
Der 51-jährige Michael Wiemer erlernte einst in Leipzig bei MoGoNo unter Anleitung von Trainer Paul Gaffron die Feinheiten des königlichen Spiels. Mit 14 Jahren spielte er seine ersten internationalen Fernschachpartien. Schach ist für ihn immer wieder faszinierend. Seine private Schachbibliothek ist ein beredtes Zeichen davon.
Michael Wiemers Lieblingsspieler in der Schachgeschichte ist Bobby Fischer.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19098