19. März 2018
Zwei Runden sind bei der Europameisterschaft in Batumi gespielt. Für fünf deutsche Spieler begann das Turnier mit einem vollen Punkt. Leider kam bei ihnen kein weiterer hinzu, da die Gegner schon in Runde zwei deutlich stärker wurden. Der größten Brocken saß dabei Dennis Wagner mit Wassili Iwantschuk im Weg. Nachfolgend zwei Berichte von Bundestrainer Dorian Rogozenco, der mit nach Georgien geflogen ist.
Der Flug von Istanbul nach Batumi am Freitag konnte wegen des Unwetters nicht landen und musste nach Trabzon (Türkei) umkehren. Die Passagiere, die zum Großteil Teilnehmer an der Europameisterschaft (EM) sind, standen vor einer unangenehmen Wahl: entweder mit dem Bus von Trabzon bis zur georgischen Grenze zu fahren und dort vom georgischen Veranstalter abgeholt zu werden (man schätzte, dass die Fahrt ohne Grenzkontrolle im Bestfall 4 Stunden dauern würde), oder in Trabzon einige Stunden zu warten und zu hoffen, dass das Wetter in Batumi sich verbessern wird und nochmal versuchen dorthin zu fliegen. Einige Schachspieler sind schnell in den Bus eingestiegen und verschwunden. Die Kommunikation mit den Vertretern von Turkish Airlines im Flughafen Trabzon war sehr schwierig, weil vom Gesamtpersonal (4-5 Leute) keiner richtig Englisch sprach. Nach dem Telefonat mit dem georgischen Schachverband haben wir uns entschieden in Trabzon zu warten. Mit „wir“ meine ich die deutsche Delegation auf diesem Flug, die aus fünf deutschen Spielern und dem Bundestrainer bestand. Trotz der unangenehmen Situation, war die Stimmung der Deutschen gut, wie auch auf den Bildern zu sehen ist. Am Ende hatten wir Glück mit der Entscheidung: nach fast 3 Stunden könnten wir wieder nach Batumi fliegen, diesmal erfolgreich. So kamen wir mit insgesamt (nur) knapp 5 Stunden Verspätung im offiziellen Hotel an.
Am ersten Tag der EM herrschte etwas Chaos, weil manche Spieler noch nicht in Batumi angekommen waren. Die Auslosung für die erste Runde wurde erst gegen 14 Uhr bekannt gegeben, knapp eine Stunde vor dem Rundenbeginn. Das Turnier ist wie gewöhnlich sehr stark, mit einer Mischung von erfahrenen Spielern und jungen Talenten. Die Ergebnisse der deutschen Delegation am ersten Tag waren insgesamt etwas unter Erwartung. Eine bittere Niederlage musste z.B. der Nationalspieler Daniel Fridman hinnehmen, der in besserer Stellung eine unerwartete Gegenspielmöglichkeit seines Gegners übersah. Aber das Turnier ist lang und die wichtigsten Kämpfe werden noch folgen. In der zweiten Runde hat Dennis Wagner die schwerste Aufgabe. Er spielt mit Schwarz gegen die ukrainische Legende Wassili Iwantschuk.
Batumi ist schön, jedoch mit sehr vielen Baustellen und auch alten schlecht aussehenden Häusern. Auf einem Bild habe ich das Hotel und die Baustelle daneben fotografiert. Am meisten hat mich die Wäsche, die hier fast überall an den alten Häusern zu sehen sind, überrascht: wie man auf den Bildern sieht, haben die Einwohner in Batumi die Abtrocknung der Wäsche auf einem fortgeschrittenen technischen Standard entwickelt.
Dorian Rogozenco
17.03.2018
Dennis Wagner durfte in der zweiten Runde gegen Wassili Iwantschuk spielen, der an dem Tag seinen 49. Geburtstag feierte. Die ukrainische Legende wählte eine ruhige Variante mit Weiß und Dennis hatte somit nach der Eröffnung mit keinen ernsthaften Problemen zu kämpfen. Jedoch muss man gegen solche Gegner wie Iwantschuk die ganze Zeit voll konzentriert bleiben und immer die stärkste Fortsetzung finden. Das scheinbar logische 24. ... b5 von Dennis (24. ... Le4 garantiert ihm den Ausgleich) war leider eine kleine Ungenauigkeit, die Iwantschuk hervorragend für sich ausnutzte. Der ukrainische Großmeister opferte plötzlich eine Qualität für Läufer und Freibauer, was praktisch gesehen die richtige Entscheidung war.
Zwar blieb die Stellung objektiv betrachtet im Gleichgewicht, jedoch war es in beidseitiger Zeitnot für Schwarz deutlich schwieriger einen Plan zu finden. Nach noch einigen Ungenauigkeiten von Dennis erreichte Iwantschuk deutlichen Vorteil, den er dann im 56. Zug in einen Sieg verwandeln konnte. Eine meines Erachtens sehr beeindruckende Leistung von dem Ukrainer.
Mit Anton Demchenko (Elo 2672) hatte es heute ein weiterer deutscher Spieler mit einem hochkarätigen Gegner zu tun. Niclas spielte mit Weiß die Eröffnungsphase sehr prinzipiell, übersah jedoch im 17. Zug einen hübschen kleinen Trick seines Gegners (mittels 17. ... d5 gefolgt von 18. … e5), und dadurch konnte Schwarz die Initiative übernehmen. Der Russe fand aber keine guten Möglichkeiten seine Figuren weiterhin zu verbessern und Niclas schaffte es letztendlich die Stellung zu konsolidieren und die Partie ins Remis zu retten.
Gegen den armenischen Großmeister Vahe Baghdasarjan hatte Georg Meier dank seiner Vorbereitung mit Schwarz eine angenehme Mittelspielstellung in der Französischen Verteidigung erreicht. Um Schlimmeres zu vermeiden, hatte sich Weiß für das korrekte Damenopfer gegen Turm und Läufer entschieden. Ohne tiefere Analysen lässt sich kaum sagen, ob Georg realistische Gewinnchancen ausgelassen hatte. Mein Eindruck war, dass die nach dem Damenopfer entstandene Stellung mit viel größerer Wahrscheinlichkeit ein Remis herbeiführen würde, als das Schwarz objektive Gewinnchancen gehabt hätte. Trotz Georgs Bemühungen musste er sich im 50. Zug mit einem Remis begnügen.
Falko Bindrich übersah heute gegen seinen russischen Gegner Savelij Golubow einen spektakulären taktischen Schlag mittels – 15. Dxf7+!!. Wenn Schwarz die Dame nimmt, rochiert Weiß mit Schachgebot und entfesselt seinen Läufer, der dann im nächsten Zug die gegnerische Dame schlägt. Falls Schwarz das Opfer nicht sofort akzeptiert, folgt ein zweites Damenopfer(!!). Wie es so oft im Schach ist: ein nur einzelner taktikscher Fehler reicht oftmals schon aus, um die Partie zu verlieren. Das war heute leider genau der Fall bei Falko.
Im Übrigen: Der unbekannte Name von Falkos Gegner sollte die deutschen Leser nicht verwirren: Ich habe vor einigen Jahren mit Savelij im Aeroflot B-Openturnier gespielt und danach mit ihm lange analysiert (Gott sei Dank sind nicht alle junge Spieler heutzutage nur an der Meinung des Computers interessiert). Genauso wie bei meinen anderen jungen russischen Gegnern in Moskau (z.B. Wawulin, Antipow, Artemjew) war mir ziemlich schnell klar, dass auch Savelij zu dieser talentierten Generation junger russischer Spieler gehört.
Der heutige Gegner von Daniel Fridman war ebenfalls ein Nachwuchstalent namens Ahmad Ahmadzada aus Aserbaidschan. Der 14-Jährige hinterließ auf mich einen sehr guten Eindruck. Zwar schaffte es unser Nationalspieler ein leicht besseres Endspiel zu erreichen, aber sein junger Gegner verteidigte sich zäh und hätte sogar in einem Moment, Daniels forsche Gewinnversuche bestrafen können. Am Ende jedoch Remis nach 54 Zügen.
Gehen wir weiter zum Überblick über die deutschen Spieler. In vielen theoretischen Varianten kann Weiß Remis forcieren. Genau das ist in der Partie Girja - Svane passiert. Der Zug 12. d5 wurde bereits in der Turnierpraxis gespielt und führt in ein Endspiel, in welchem Weiß nur optisch gesehen etwas besser steht. Remis in 27 Zügen und praktisch ein Ruhetag für Rasmus.
Alexander Donchenko konnte sich für seine gestrige Niederlage in der zweiten Runde revanchieren: Aus menschlicher Sicht ein ziemlich einseitiger Partieverlauf. Zwar könnte die Engine die schwarze Stellung in manchen Momenten sicherlich irgendwie zusammenhalten, jedoch ist das nicht von Relevanz: zum Glück ist Schach ein Spiel für die Menschen, nicht Maschinen.
Fazit des zweiten Spieltags: Schwer! Und es wird nicht leichter. Schließlich ist der elostärkste deutsche Spieler hier gerade einmal auf Platz 32 gesetzt… Um auf solchem Niveau gute Ergebnisse zu zeigen, muss man nicht nur in absoluter Höchstform sein, sondern den inneren Schweinehund zu überwinden und ständig mehr als 100% zu geben. Geht das überhaupt? Das überlasse ich jeden für sich zu entscheiden.
Dorian Rogozenco
18.03.2018
Offizielle Turnierseite | ChessResults
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 23017