15. März 2014
Praktisch ein Start-Ziel-Sieg war das Großmeisterturnier in Hamburg für den Slowaken Lubomir Ftacnik. Fast könnte man meinem die Hansestadt und natürlich ihr (und Deutschlands) größter Schachklub verneigten sich vor ihm, dem gefühlt schon seit Jahrzehnten dem HSK Verbundenen. Und schenkten ihm den Turniersieg.
Dabei wurde Ftacnik der Erfolg nicht leicht gemacht. Besonders der Engländer Lawrence Trent erwies sich als hartnäckiger Verfolger. Trent ist wohl erst seit der WM in Indien zwischen Anand und Carlsen in Deutschland etwas bekannter, als er zum Kommentatorenteam des Wettkampfes gehörte.
Nachfolgend tragen wir den achten Rundenbericht von Jonathan Carlstedt nach, der erst kürzlich auf der HSK-Website verlinkt wurde. Ein Abschlußbericht liegt uns noch nicht vor.
Nur noch ein halber Punkt trennt Lawrence von seiner zweiten GM-Norm. Lawrence hat bisher keine Partie verloren und immer wieder starke Partien gezeigt, die er gewinnen konnte. Die größten Probleme hatte er in der siebten Runde gegen Rasmus, solche Momente muss man überleben, wenn man eine GM-Norm machen will. Die andere Normenchance liegt bei Malte, er braucht heute einen Sieg gegen José. Das wird schwer nach 3 Niederlagen in Folge, aber heute wird er "All-in" gehen, Gedankenspiele über mögliche Remis verbieten sich. An der Spitze zieht Lubomir weiter einsam seine Kreise in überzeugender Manier. Sein Opfer in Runde 8 war Frank Bracker, der nicht richtig ins Turnier gefunden hat, aber in der letzten Runde nochmal angreifen will. Keine Chance auf eine Norm hat Rasmus Svane, der in Runde 8 ein glückliches Remis gegen Karen erreichte.
Rasmus war zum Siegen verdammt, allerdings übersah er nach der Eröffnung einen taktischen Schlag und fand sich in einer schlechteren Stellung mit einem Bauer weniger wieder. Er verteidigte sich zäh und konnte sich so am Ende vermutlich sogar über den halben Punkt freuen, die Normenchancen sind damit aber weg, trotzdem wird er natürlich versuchen die letzte Runde zu gewinnen.
Die Bewertung schwankte sehr. Das Endspiel und die Eröffnung schienen immer vorteilhaft für Jonas
zu sein, zwischendurch hatte aber auch Georgios Chancen, Vorteil zu erlangen. Ein Remis der
spannenden Sorte also, wobei beide damit, nach wechselhaftem Turnierverlauf, gut leben können.
Was für eine wichtige Partie für beide Spieler. Malte brauchte nur einen Punkt für die IM-Norm.
Lawrence brauchte auch einen Sieg, um im Rennen um die GM-Norm zu bleiben. Dieser
kommentiert, während ich die Zeilen schreibe, das Kandidatenturnier für www.chess24.com.
Zusammen mit Jan Gustafsson führen die beiden, mit weiteren Gästen durch das Kandidatenturiner.
Malte braucht heute also gegen José den vollen Punkt!
Eine starke Partie des Führenden. Mit Schwarz überspielte er Frank in wenigen Zügen und sichert sich somit den ersten Platz vor der letzten Runde. Da Lawrence vermutlich mit einem Remis zufrieden sein wird, könnte auch Lubo am Ende ein Remis reichen, aber er wird natürlich kämpfen .
Aus meiner Sicht, die Partie des Turniers. Um keine großen Worte zu verlieren, hier eine kurze Analyse.
(37) Cuenca Jimenez,José Fernando (2481) - Zaragatski,Ilja (2488)
HSK GM-Turnier Hamburg (8), 12.03.2014
1.c4 e5 2.g3 Sf6 3.Lg2 d5 4.cxd5 Sxd5 5.Sc3 Sb6 6.e3 Sc6 7.Sge2
7...Lf5 [7...Sb4 war meine Idee in der Analyse. Wurde, vermutlich zurecht, noch nicht gespielt und auch von Ilja sofort abgeschmettert. 8.d4 Lf5 9.0–0 Lc2 10.De1; 7...Le7 ist der am häufigsten gespielte Zug an dieser Stelle. Weiß versucht dagegen, nach der Rochade mit f4 aktiv zu werden. 8.0–0 0–0 9.f4] 8.d4 Ld6N ist der erste neue Zug und das schon im achten Zug! In einer Vorgängerpartie, die lange nicht so spektakulär wie diese war, wurde auf d4 geschlagen. [8...exd4 9.Sxd4 Sxd4 10.exd4 c6 11.0–0 Le7 12.d5 Sxd5 13.Sxd5 cxd5 14.Lxd5 0–0 15.Db3 Da5 16.Le3 Tad8 17.Tfd1 b6 18.Tac1 Td7 19.Lc4 Txd1+ 20.Txd1 ½–½ Bocharov,D (2602)-Ponkratov,P (2603)/Khanty-Mansiysk 2013 nach 47 Zügen.] 9.d5 Se7 10.e4 Ld7 Der Computer ist zwar noch zufrieden mit der schwarzen Stellung. Subjektiv jedoch würde hier wohl jeder die weißen Steine wählen. 11.a4 der richtige Zug, um die schwarzen Figuren zurückzutreiben. 11...0–0 12.0–0 c6 13.a5 Sbc8 14.Db3 Auch hier sagt die Engine noch, dass die Stellung hält, trotzdem waren sich bei der kurzen Betrachtung der Stellung alle einig, dass Schwarz sich am Rande einer Niederlage befindet. 14...b5 15.dxc6 Lxc6 16.Sd5 Tb8 17.Sb4 Ld7 18.Sa6 Tb7
Jetzt wird die Figurenkonstellation abenteuerlich. Der Turm auf b7 steht sehr verdächtig und auch die anderen schwarzen Figuren, allen voran die beiden Springer haben keine Perspektive. 19.Le3 Le6 20.Dc2 b4 schafft neue Felder für die schwarzen Figuren. 21.Tfd1 De8 22.Lc5? [22.Sc1 ist die bessere Fortsetzung, die allerdings so unnatürlich aussieht, dass man Jose hier sicherlich keinen Vorwurf machen kann.] 22...Dc6! Auf ein Mal wendet sich das Blatt. 23.Lf1 [23.Sd4 wäre noch die beste Variante gewesen, aber auch hier endet Schwarz in einer deutlich besseren Stellung. 23...exd4 24.e5 Dxa6 25.Lxb7 Dxb7 26.exd6 Sc6 27.d7 Se5] 23...Tb5 24.Da4 Lxc5 25.Sc3 Dxa6 26.Sxb5 Db7? [26...Dc6 Wäre der Zug gewesen mit dem Ilja seinen Vorteil hätte halten können. Das stellte er nach der Partie, auch ohne Engine, fest. 27.Tac1 b3∓] 27.Tac1
27...Ld4? [27...Lxf2+; 27...Le3 sind die beiden interessanten und besten Züge in dieser Stellung, diese bis zum Ende zu analysieren, würde den Rahmen des Bulletins sprengen.] 28.Sxd4 exd4 29.Txd4 b3 30.Tb4 Da8 31.Tc7 f5 32.Tbb7 fxe4 33.Dxe4 Ld5
34.Lc4 [34.Dxd5+ Supergeil! Aber leider wurde der Zug nicht gemacht.] 34...Lxc4 35.Dxc4+ Kh8 36.Dxb3 Sf5 37.Tf7 Txf7 38.Dxf7 Scd6 39.Txa7 Dc8 40.Tc7 Db8 41.Dd7 h5 42.a6 Dxb2
43.Dc6 [43.Da4! mit diesem Zug kann Weiß die Dauerschach-Gespenster vertreiben und den Bauer durchbringen.] 43...De2 44.a7 ½–½
Jonathan Carlstedt
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9602