19. Januar 2016
Letztens war die Besatzung unserer Geschäftsstelle mal wieder auf der Suche nach irgendetwas in den Tiefen der Regale und Schränke. Und so ganz nebenbei gibt es dabei auch manchmal Zufallsentdeckungen, wie das nebenstehende Buch - roter Einband, Schraubenheftung, etwas größer als A4. Und innendrin fast nur leere Seiten. Welch eine Enttäuschung auf den ersten Blick. Zumal wir uns am stark eingestaubten Cover erstmal schmutzige Hände machten.
Bei genauerem Blick in das Buch taten sich aber durchaus Schätze auf.
Einem dicken Blatt mit etwa 180-Gramm-Papier folgen meist zwei weitaus leichtere Seiten aus etwa 60-Gramm-Papier. Auf dem dicken Papier ist jeweils eine Tabelle mit den Brettpaarungen eines Wettkampfs der Schacholympiade 1960 mit Bleistift aufgezeichnet. Auf der einen Seite der Tabelle stehen die Nachnamen der westdeutschen Spieler, auf der anderen Seite die Nachnamen der Gegner, darüber deren Land. In einer weiteren Spalte verewigten sich die gegnerischen Spieler mit ihrer Unterschrift.
Unter dieser Paarungsliste steht manchmal ein handschriftlicher Text, der offensichtlich vom Kapitän der gegnerischen Mannschaft in dessen Landessprache verfaßt wurde.
Solche Widmungen hinterließen zum Beispiel der Kapitän der CSSR, von Rumänien, Jugoslawien, der UdSSR oder den USA. So schreibt der US-Amerikaner GM Isaac Kashdan: "With best wishes to the German Chess Federation from their american friends." - "Mit den besten Wünschen an den Deutschen Schachbund von ihren amerikanischen Freunden." Leider fehlt in der Tabelle darüber das Autogramm von Bobby Fischer. Dafür haben sich William Lombardy (* 1937), Robert Byrne (1928 - 2013) und Arthur Bisguier (* 1929) verewigt.
Bei den Tschechoslowaken gefiel Ludek Pachman (1924 - 2003) offensichtlich nicht die Schreibweise seines Namens. In der vorausgefüllten Tabelle strich er das zweite "n" am Ende von "Pachmann" weg - so jedenfalls meine Vermutung für die Korrektur.
Wer hilft mit, die restlichen Widmungen zu entziffern und zu übersetzen?
Auf der Seite mit der Paarung DDR gegen BRD klemmt ein Foto, laut Rückseite gemacht von Manfred Dressel aus Berlin-Pankow. Ob es schon immer an dieser Stelle lag oder einfach dort hineingelegt worden war, läßt sich 55 Jahre später natürlich nicht mehr nachvollziehen.
Fünf Personen sind auf dem Foto zu sehen, zwei weitere werden von diesen verdeckt. Wer die fünf sind, vermag ich trotz einiger historischer Kenntnisse aufgrund meines Alters (ich wurde vier Jahre nach der Olympiade geboren) nicht zu erkennen. Die beiden vorn in der Mitte und rechts kommen mir bekannt vor. Wer hilft mir auf die Sprünge?
Über den Fotografen dagegen findet man etwas im Internet, wenn auch nur sehr dürftig. Manfred Dressel war viele Jahre Bildreporter für das "Deutsche Sportecho" sowie viele andere Tageszeitungen und Sportfachorgane der DDR. Sein vollständiger Nachlaß befindet sich im Besitz des Sportmuseums Berlin. Und das Sportmuseum befindet sich im Olympiapark unweit der DSB-Geschäftsstelle! Da werde ich mit Sicherheit einen baldigen Besuch einplanen.
Frank Hoppe
Ergänzung am 20.01.2015: Michael Negele: "Auf dem Foto ist jedenfalls Edward Lasker (Mitte) und wohl auch Herbert Grätz (rechts)."
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 20653