13. Mai 2013
Die Delegierten des ordentlichen Bundeskongresses erlebten anstrengende und aufregende Tage in Berlin. Das DSB-Präsidium, besser eine Auswahl der DSB-Führung, und die Präsidenten der Landesverbände trafen sich bereits am Donnerstagabend (Christi Himmelfahrt) zu einem Vergleichskampf im Blitzschach. Schon da zeigte sich, dass das Präsidium derzeit stark aufgestellt ist. Verstärkt durch die Großmeister Uwe Bönsch und Melanie Ohme wurde Runde um Runde im Scheveninger-System gewonnen. Der Freitag begann mit einer gemeinsamen Schifffahrt auf der Spree. Das dichte Programm am Nachmittag bot einen hochinteressanten Vortrag von Felix Fürnhammer zum aktuellen Thema „Technischer Betrug“, ergänzt durch einen nicht minder interessanten Kurzvortrag von Matthias Wüllenweber über die Möglichkeiten der statistischen Analyse von Schachpartien im Hinblick auf unerlaubten Engineeinsatz. Der Schachbundesliga e.V. hatte dazu eingeladen, um Reaktionen auf die jüngsten Manipulationsvorwürfe vorbereiten zu können.
Am Freitagabend wurde die designierte Nachfolgerin von Horst Metzing im Präsidium des DSB und beim „Kamingespräch“ im Arbeitskreis der Landesverbände (AKLV) vorgestellt. Heike Quellmalz (35) studierte in Potsdam Sport-Ökonomie und war bisher für den Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband und für den Deutschen Tanzsportverband tätig. Sie beindruckte in den Vorstellungsgesprächen durch ihre Einstellung gegenüber Herausforderungen. Da Frau Quellmalz die Bereiche Sportmarketing und Öffentlichkeitsarbeit auf Grund ihrer bisherigen Erfahrungen mit abdecken und zudem als Leitfigur für die dringend notwendige Gewinnung von mehr weiblichen Mitgliedern in den Vereinen dienen kann, könnte sie sich als Glücksgriff für den Deutschen Schachbund erweisen.
Für den nationalen und internationalen Spielbetrieb wird künftig Uwe Bönsch zuständig sein. Er wechselt in die Position des Sportdirektors. Horst Metzing wird dem Deutschen Schachbund als Beauftragter für internationale Beziehungen sowie als FIDE-Delegierter erhalten bleiben.
Am Samstag begann der Kongress mit fünfzehn Minuten Verzögerung in Anwesenheit der beiden Ehrenpräsidenten Alfred Schlya und Prof. Dr. Robert K. Frhr. von Weizsäcker. Es war ein umfangreiches Programm zu bewältigen und dies unter großem Zeitdruck. Für abends war in den gleichen Räumlichkeiten eine Galaveranstaltung mit der offiziellen Verabschiedung von Horst Metzing geplant. Dazu waren zwei Stunden Pause zwecks Umbau und Vorbereitung durch das Hotel nötig.
Zügig und einstimmig wurden Horst Metzing und Prof. Dr. Hans-Jürgen Hochgräfe zu Ehrenmitgliedern ernannt. Walter Rädler und Jörg Schulz präsentierten das große Spektrum erfolgreicher Schulschachaktivitäten der Deutschen Schachjugend. Im Bericht des Präsidenten wurden als Schwerpunkte aktuelle Entwicklungen bei den Nichtolympischen Verbänden (NOV) im Zusammenhang mit der Förderung durch das Bundesinnenministerium, Maßnahmen zur Steigerung und Stabilisierung des Mitgliederbestands (Vereinskonferenzen, Gewinnung von mehr Frauen) und der Technische Betrug angesprochen. Im Kassen- und Revisionsbericht wurden Probleme der finanziellen Unterstützung von Spitzenturnieren erörtert. Etwas mehr Zeit nahm die Verabschiedung der beantragten Satzungsänderungen vor und nach der Mittagspause in Anspruch.
Spannung kam bei den Wahlen nur einmal auf: Um das vakante Amt des Vizepräsidenten für Verbandsentwicklung kandidierten der bisherige Rechnungsprüfer Ingo Thorn, der Berliner Vizepräsident Martin Sebastian und (auf Vorschlag des Präsidiums) der Newcomer Michael Woltmann aus Bremen. Im zweiten Wahlgang setzte sich Michael Woltmann knapp gegen Ingo Thorn durch.
Ansonsten wurden alle Kandidaten einstimmig oder mit großer Mehrheit wiedergewählt. Hauptstreitpunkt des Tages war die Festsetzung des Jahresbeitrages für die Jahre 2014 und 2015. Trotz maximalen Widerstandes der bayrischen Delegierten, die eine namentliche Abstimmung erzwangen, akzeptierte eine klare Mehrheit der Versammlung eine monatliche Beitragserhöhung um 16,7 Cent, was deutlich unter dem Wert einer Pfandflasche liegt. Man kann natürlich auch sagen, dass der Beitrag um 25 % erhöht wurde, je nachdem, welches politische Ziel man verfolgt.
Das Präsidium bedankt sich sehr herzlich für diese im Einvernehmen mit den Landesverbänden langfristig vorbereitete Beitragserhöhung. Sie kommt nicht dem Präsidium, sondern dem gesamten Deutschen Schachbund zugute und erlaubt in den nächsten Jahren ein vernünftiges Arbeiten. Selbstverständlich sieht sich das Präsidium in der Pflicht, mit den zusätzlichen, aber notwendigen Mitteln äußerst verantwortungsbewusst umzugehen. Und ich bin sicher, dass unsere (potentiellen) Sponsoren diesen Beitrag der Mitgliedschaft positiv bewerten!
Nachdem die Beitragsdiskussion abgeschlossen war, wurden der Nachtragshaushalt 2013 und die Haushaltspläne 2014/2015 zügig verabschiedet. Hier zahlte es sich aus, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Präsidium und dem AKLV in den letzten Jahren stets verbessert wurde. Dies erlaubt eine Verlagerung kritischer Diskussionen in die vorgeschalteten Sitzungen. Herzlich bedanken möchte ich mich beim AKLV-Sprecher Achim Schmitt, der durch seine ausgleichende Art sehr zur guten Zusammenarbeit beiträgt.
Ein letzter, langer Tagesordnungspunkt trieb Carsten Schmidt (Präsident Berliner Schachverband und souveräner Organisator der Tagung) noch einmal Schweißperlen auf die Stirn: Ralph Alt musste zahlreiche Änderungsanträge zur Turnierordnung zur Abstimmung stellen, doch mit einer Stunde Verspätung endete der Kongress erfolgreich, so dass die Abschiedsveranstaltung für Horst Metzing leicht verspätet beginnen konnte. Der nächste Kongress 2015 wurde nach Sachsen-Anhalt vergeben.
„Ich habe noch nie eine Veranstaltung erlebt, auf der so wenig gelogen wurde“, das waren die Worte von FIDE-Rating Officer Christian Krause, einer der vielen Ehrengäste, die zur Verabschiedung von Horst Metzing gekommen waren. Am weitesten war Alexander Bach angereist, er kam aus Moskau und überbrachte die Grüße von Anatoli Karpow. Der Exweltmeister musste seine Zusage kurzfristig wegen einer anderen Verpflichtung zurückziehen. Ja, es wurde nicht gelogen an diesem Abend! Die zahlreichen Redner ehrten das Lebenswerk von Horst Metzing, das Lebenswerk einer Persönlichkeit, die das deutsche Schach national wie international entscheidend geprägt und repräsentiert hat.
Ein Highlight war die pointierte Rede Robert von Weizsäckers, der verschiedene Facetten des Menschen Horst Metzing mit einem Augenzwinkern beleuchtete. Metzing revanchierte sich mit ebenso witzigen wie charmant bissigen Bemerkungen zu den Beiträgen der Laudatoren. Lang anhaltender Applaus beendete die Ehrungen. Sicher wird Horst Metzing dem allgemeinen Wunsche entsprechen, auch weiter in der Schachwelt maßgeblich präsent zu sein.
Es liegen anstrengende Monate hinter mir, und ich bin sehr glücklich darüber, dass es gelungen ist, einige wichtige Hürden auf diesem Kongress ohne ernste Blessuren zu nehmen. Doch bleiben auch noch größere Baustellen. Der Hauptausschuss im Herbst in Halle wird sich mit dem noch immer nicht ausgereiften Verbandsprogramm befassen müssen, es müssen vernünftige Regelungen zum Datenschutz beschlossen werden, und das Thema „Betrug“ muss in großem Rahmen angegangen werden. Es geht nicht nur um technischen Betrug, sondern um alle Arten von Manipulationen sportlicher Ergebnisse bis zur untersten Ebene. Und es muss ein Konzept zur Modernisierung der Webseite und zur Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit gefunden werden!
Ich bedanke mich bei allen Kongressteilnehmern, insbesondere bei meinen Mitarbeitern im Präsidium und in den Referaten, beim Berliner Schachverband und last but not least bei unseren hauptamtlichen Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle, eingeschlossen unseren Webmaster Frank Hoppe, für die geleistete Arbeit.
Herbert Bastian, Präsident
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 89
Kommentare
Kommentar von peter |
Bootsfahrt,Kamingespräche,Schachturnier,Galaveranstaltung,Ehrungen.
Reicht eine Pfandflasche Beitragserhöhung je Monat aus?
Das A und O ist immer die Außendarstellung , dass ist sicher gut gelungen, auf Inhalte kommt es da nicht an.Eigentlich zwei Pfandflaschen wert.
Dazu die schönen Reden von gleich zwei Ehrenpräsidenten.
Wenn unsere Spitzensportler nicht gerade Gala sind aber Galafeiern können wir Schächer.
Glückwunsch für die gelungene Veranstaltung.
Kommentar von Dirk Koch |
Ein interessanter Beitrag, der mir aber, aus meiner Sicht, in einer Hinsicht zu sehr "abdriftet". Das Thema "elektronischer Betrug" scheint mir aktuell ein wenig "aufgebauscht". Die meisten Hobbysportler, und die machen mehr als 90% aller Schachspieler aus, fröhnen ihrem Hobby und die Schönheit ihrer Partien, des Schachspiels als solches, ist ihnen wichtig. Einem Schachspieler mit einer DWZ von 1800 würde es auch kaum helfen, würde er einen "Tipp" von einem Schachprogramm mit einer ELO-Performance von 2600 oder höher erhalten. Er würde die positionellen Ideen (die 70% einer Schachpartie ausmachen) wohl kaum verstehen und hätte 4 Züge später schon wieder "gepatzt". Im Spitzensport unterstelle ich den meisten Schachspielern, dass sie ebenfalls ohne solches Hilfswerk auskommen. Nur, weil es technisch möglich ist, heißt das nicht im Umkehrschluss, dass man auch davon Gebrauch macht. Wegen einiger weniger schwarzer Schafe wird also nun ein ganzes Sammelsurium an Aktionen geplant, bis hin zur Handyabgabe, vermutlich auch noch in der Kreisklasse. Schach ist ein Hobby, und es soll in erster Linie Spaß machen. Und wenn mein Gegenüber einen wichtigen Anruf erwartet, oder zufällig vergaß, sein Handy auszuschalten, so werde ich auch künftig nicht darauf bestehen, die Partie zu "gewinnen", denn auch ich könnte einmal in eine solche Situation kommen. Ich spiele, und so wird es wohl den meisten von uns gehen, seit Jahrzehnten gegen die gleichen Gegner. Man kennt sich und weiß sich zu schätzen. Und wir alle betrachten das sonntägliche Schachspiel als Spaß und Ablenkung vom wöchentlichen Alltag. Das sollte es auf Hobbyebene auch bleiben, ohne Restriktionen.
Kommentar von Stefan Berger |
" ... es muss ein Konzept zur Modernisierung der Webseite und zur Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit gefunden werden!"
Sehe ich das richtig, dass nach 1 1/2 Jahren Vakanz noch immer kein Referent für Öffentlichkeitsarbeit gefunden / bezahlt wurde? Das alles sind doch hohle Phrasen, die da abgesondert werden.
Kommentar von IchWerSonst |
Eine kurze Argumentation, warum ich (25 Jahre) kein Mitglied im DSB bin:
1. Eine veralteter Internetauftritt mit Unmengen an eingeblendeter Werbung ( Aber: Mitgliedsbeitragserhöhung)
2. Keine KOSTENLOSE Fortbildungsseminare für Ehrenämter ( z.B. Trainerschein für Schule/Verein)
3. Abkapselung der ehemaligen Bundesliga zugunsten eines e.V. ---> keine Aufstiegsmöglichkeiten von Hobbyspielern
4. Förderung einiger weniger Schachtalente, die durch dubiösen Auswahlkriterien durch den DSB bevorzugt werden. ( z.B Jugendmeisterschaft die den 1. und 3. Plazierten qualifizieren, jedoch den 2. ignorieren)
5. Ausrichtung sämtlicher Turniere/Mannschaftskämpfe auf den Willen weniger (z.B Preisgeld, Startgelderlass für bestimmte Spieler)
6. Verminderte Karenzzeit und Fischerzeit erschweren die Teilnahme an Mannschaftskämpfen gerade von Interessenten, die 15 Km mit Bus&Bahn anreisen müssen
7. Ohne DWZ machen mir persönlich Langzeit-Turniere mehr Spass . Ein Turnier wir nicht mit Verlust oder Gewinn verbucht.
Kommentar von IchWerSonstNochmals |
Eine Webseite der Größenordnung von schachbund.de ist ein Arbeitsaufwand von etwa 48 Stunden für einen Hobbyprogrammierer! Mich wundert es, sich noch nie jemand darum gekümmert hat.
Geld für Bundesliga e.V. Ja
Geld für informative Hauptseite nein
Kommentar von Frank Hoppe |
Ich schließe jetzt die Diskussion. Weitere konstruktive Beiträge gern im Forum.
@IchWerSonstNochmals: Bitte vermittele mir mal den 48-Stunden-Hobbyprogrammierer!
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