6. September 2019
Mit zwei Großereignissen, die die deutsche Schachlandschaft besonders bewegen, startet die nächste Woche. Am Montag beginnt im sibirischen Chanty-Mansijsk der Weltcup mit Liviu Dieter Nisipeanu und Niclas Huschenbeth. Und am Dienstag startet 2.600 km weiter westlich - aber immer noch in Russland - in Skolkowo nahe Moskau die Grand-Prix-Serie der Frauen mit Elisabeth Pähtz. Beide Turniere sind praktisch die vorletzte Stufe auf dem Weg zur Weltmeisterschaft. Dazwischen stehen nur noch die beiden Kandidatenturniere.
In unserem Beitrag erfahren sie alles zu den Modalitäten der beiden Veranstaltungen.
Am 3. September hat die FIDE die offizielle Turnierseite des Grand Prix der Frauen freigeschaltet. In dieser vierteiligen Turnierserie mit 16 der weltbesten Schachspielerinnen, werden sich am Ende die zwei Besten für das Kandidatenturnier der Frauen qualifizieren. Und die Siegerin des Kandidatenturniers spielt danach gegen die amtierende Weltmeisterin um den Titel.
Das letzte Kandidatenturnier war erst vor zweieinhalb Monaten in Kasan (Russland) zu Ende gegangen. Überraschend siegte hier die Russin Alexandra Gorjatschkina mit einem beeindruckenden Vorsprung von 1½ Punkten. Sie stand schon zwei Runden vor Schluß als Gewinnerin fest. Dabei war sie nur Nachrückerin für die beste Schachspielerin der Welt, Hou Yifan! Die Chinesin hat sich bekanntlich (vorerst?) vom Frauenschach verabschiedet, wie einst ihre Vorgängerin an der Weltspitze Judit Polgar auch.
Gorjatschkina soll nun in diesem Herbst gegen die Titelverteidigerin Ju Wenjun um die Weltmeisterschaft spielen. Doch so langsam wird die Zeit knapp. Bis zum 4. September hat die FIDE noch keinen Termin und keinen Spielort bekanntgegeben. Die nächsten beiden Wochen scheiden als Möglichkeit schon mal aus - beide nehmen am Grand-Prix-Turnier in Skolkowo teil.
In Skolkowo, einem Dorf im Speckgürtel von Moskau, ist seit 2015 das russische "Silicon Valley" geplant. Entsprechend sind die Immobilienpreise bereits in die Höhe geschnellt. Doch bevor aus Skolkowo ein Innovationszentrum wird, kommen hier ab dem 10. September zwölf der weltbesten Schachspielerinnen zusammen und spielen um Punkte für die Grand-Prix-Wertung. Sehr erfreulich aus deutscher Sicht: Elisabeth Pähtz ist eine von ihnen!
Gespielt werden vier Turniere, deren Teilnehmerinnen aus einem Pool von 16 Spielerinnen kommen. Von den zehn Besten der Welt sind sieben mit dabei. Nur die Weltranglistenerste Hou Yifan, sowie Viktoria Cmilyte und Zhongyi Tan fehlen. Die 16 Damen wurden so auf die vier Turniere aufgeteilt, damit jede drei Turniere mitspielen wird:
Spielerin | Land | Titel | Elo | WRL | Skolkowo | Monaco | Lausanne | Sardinien |
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10.-23.09.19 | 02.-15.12.19 | 01.-14.03.20 | 02.-15.05.20 | |||||
Dronavalli Harika | GM | 2503 | 10 | ![]() |
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Alexandra Gorjatschkina | ![]() |
GM | 2564 | 3 | ![]() |
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Alexandra Kostenjuk | ![]() |
GM | 2495 | 13 | ![]() |
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Pia Cramling | GM | 2487 | 17 | ![]() |
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Humpy Koneru | GM | 2560 | 4 | ![]() |
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Walentina Gunina | ![]() |
GM | 2502 | 11 | ![]() |
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Kateryna Lagno | ![]() |
GM | 2545 | 7 | ![]() |
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Elisabeth Pähtz | IM | 2479 | 23 | ![]() |
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Wenjun Ju | GM | 2576 | 2 | ![]() |
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Antoaneta Stefanova | GM | 2491 | 15 | ![]() |
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Alina Kaschlinskaja | ![]() |
IM | 2492 | 16 | ![]() |
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Marie Sebag | GM | 2450 | 29 | ![]() |
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Anna Musitschuk | GM | 2547 | 6 | ![]() |
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Maria Musitschuk | GM | 2551 | 5 | ![]() |
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Nana Dsagnidse | GM | 2502 | 12 | ![]() |
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Xue Zhao | GM | 2485 | 18 | ![]() |
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Elo-Durchschnitt: | 2512 | 2518 | 2512 | 2515 |
Elo = Elo vom September 2010, WRL = Platz in der Weltrangliste Frauen
Mit Ju Wenjun und Alexandra Gorjatschkina sind auch die beiden Weltmeisterschaftsanwärterinnen dabei. Durchaus verständlich, denn die Chinesin kann von der Russin ja entthront werden. Und umgekehrt kann sich auch Gorjatschkina des Titels nicht sicher sein.
Gespielt wird an allen vier Orten ein Rundenturnier mit einer Bedenkzeit von 90 Minuten für 40 Züge und 30 Minuten bis zur Zeitüberschreitung. Je Zug kommen 30 Sekunden hinzu. Bei Punktgleichheit zählt zuerst die Partie gegeneinander, dann die Anzahl der Siege und danach die Sonneborn-Berger-Wertung. Die so einrangierten Spielerinnen bekommen entsprechend ihrer Platzierung Wertungspunkte für den Grand Prix. Siehe dazu die untenstehende Tabelle.
Elisabeth Pähtz gehört in diesem Grand Prix zwar nicht zu den Favoritinnen, aber das Feld liegt elomäßig so dicht beieinander, das jede Gegnerin für sie in Schlagweite liegt. Selbst gegen die Weltmeisterin Ju Wenjun prophezeit die Wahrscheinlichkeitstabelle von Arpad Elo noch 37% der Punkte. Das ist ziemlich dicht am Remis und kann auch schnell mal nach oben oder unten ausschlagen. Alles ist möglich.
Um sich als eine von zwei für das Kandidatenturnier zu qualifizieren, müsste Pähtz aber gleich drei Turniere über dem eigenen Level spielen. Das ist schwer, doch im Wettkampf gegen stärkere Spielerinnen ist ihr sehr viel zuzutrauen. Viele ihrer Gegnerinnen konnte sie schon besiegen, auch wenn es oftmals kürzere Bedenkzeiten waren. Drücken wir Elisabeth die Daumen und wünschen wir ihr viel Erfolg für den Grand Prix!
Pl. | GP-Punkte | Preisgeld in € |
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1. | 160 | 15.000 |
2. | 130 | 12.000 |
3. | 110 | 10.000 |
4. | 90 | 8.000 |
5. | 80 | 6.750 |
6. | 70 | 5.750 |
7. | 60 | 5.000 |
8. | 50 | 4.500 |
9. | 40 | 4.000 |
10. | 30 | 3.500 |
11. | 20 | 3.000 |
12. | 10 | 2.500 |
Gastgeber des Weltcups vom 9. September bis 4. Oktober 2019 ist die russische Stadt Chanty-Mansijsk, die nicht nur als Schachstadt bekanntgeworden ist, sondern auch im Wintersport eine große Rolle spielt. Zwei Deutsche haben sich über die Europameisterschaft im März in Skopje für den Weltcup qualifiziert - Liviu Dieter Nisipeanu und Niclas Huschenbeth. Beide wuchsen damals mit einem Endspurt über sich hinaus und schafften es mit 3½ aus 4 (Nisipeanu) und 3 aus 3 (Huschenbeth) noch auf acht Punkte und in die Top-Ten.
Der Weltcup. Das sind 128 Spieler, von denen sich am Ende die besten zwei für das FIDE-Kandidatenturnier qualifizieren. Dort wird dann der Herausforderer von Weltmeister Magnus Carlsen ermittelt. Um einen der beiden Kandidatenturnierplätze zu ergattern, müssen die beiden Deutschen zum Glück nicht alle Kontrahenten eigenständig aus dem Weg räumen. Das System erledigt das von selbst. Im K.-o.-Modus müssen "nur" sechs Spieler nacheinander besiegt werden. Den ersten Spieler kennen Nisipeanu und Huschenbeth schon und können sich dadurch intensiv vorbereiten. Falls das Weiterkommen gelingt, können sie auch schon den nächsten Gegner planen, da die Paarungstafel bis zum Finale praktisch feststeht.
Nisipeanu trifft in der 1. Runde auf seinen früheren Landsmann Mircea-Emilian Parligras. Der 38-jährige Rumäne ist mit Elo 2629 nicht viel schwächer als Nisipeanu. Noch um einiges schwerer wird es wahrscheinlich Niclas Huschenbeth haben. Und auch er kennt seinen Gegner wahrscheinlich aus so einigen Duellen. Es ist Arkadij Naiditsch. Der 33-jährige ehemalige deutsche Nationalspieler scheint in diesem Jahr in einem Tief zu stecken. Im Dezember 2018 hatte er noch Elo 2736. Inzwischen hat er nur noch 2643. Allein im letzten Monat büßte er bei Turnieren gegen asiatische Konkurrenz allein 32 Punkte ein.
Sollten die beiden Deutschen die 1. Runde überstehen, kann es bereits in der Folgerunde knüppelhart weitergehen. Auf Huschenbeth wartet wahrscheinlich der 2700er Nikita Witjugow (Russland) und Nisipeanu könnte es mit keinem Geringeren als Hikaru Nakamura (USA) zu tun bekommen. Angesichts solcher Brocken wäre ein Weiterkommen in die dritte Runde ein riesiger Erfolg.
Ganz Schachdeutschland drückt Liviu Dieter Nisipeanu und Niclas Huschenbeth die Daumen und fiebert mit ihnen!
In den ersten sechs Runden bis zum Halbfinale werden jeweils zwei Partien gespielt, im Finale vier Partien. Die Bedenkzeit beträgt dabei 90 Minuten für 40 Züge plus 30 Minuten bis zur Zeitüberschreitung und 30 Sekunden je Zug zusätzlich. Endet ein Match 1:1 (bzw. 2:2 im Finale) werden zwei Partien mit 25 Minuten Bedenkzeit plus 10 Sekunden pro Zug gespielt (25+10). Steht es danach immer noch unentschieden werden zwei Partien mit 10 Minuten plus 10 Sekunden gespielt (10+10), danach würde es mit 5+3 weitergehen. Hat dann noch kein Spieler einen Punktevorteil errungen, kommt es zu einer finalen Armageddon-Partie. Hier muß Weiß (mit 5 Minuten) gewinnen und Schwarz (mit 4 Minuten) genügt ein Remis. Ab dem 61. Zug kommen zwei Sekunden je Zug dazu. Die Farbe wird ausgelost, d.h. der Losgewinner kann entscheiden, ob er lieber mit Weiß oder Schwarz spielen möchte.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 10108