Schach dem Virus! Starke Lebens-Züge von Benjamin Franklin

Benjamin Franklin, 1785

Denn das Leben ist eine Art Schach

(B. Franklin, 1786)

Franklins klassische Prinzipien helfen in unsicheren Zeiten.

Erstaunlich einfach erklärt der legendäre Denker seine Überlegungen mittels Schach. Diese sind besonders relevant für Denken und Handeln in Hinblick auf Corona. Es geht um: Voraussicht, Umsicht, Besonnenheit/Vorsicht, Zuversicht und Beharrlichkeit trotz schlechter Lage sowie andauernde Suche nach Lösungen und Auswegen. Franklin warnt überdies vor Leichtsinn aufgrund früher Erfolge und empfiehlt vermehrte Aufmerksamkeit und Anstrengungen nach Fehlern.

ReflektIonen und Prinzipien für Schach und Leben - hochaktuell

Franklin übertragt Schachprinzipien auf den Alltag (1786, übersetzt von R.M.):

Das Schachspiel ist mehr als ein Zeitvertreib. Mehrere sehr wertvolle psychische Eigenschaften und Gewohnheiten, die für das menschliche Leben nützlich sind, kann man dadurch erwerben oder stärken, sodass sie zu Fähigkeiten werden, die für alle Gelegenheiten zur Verfügung stehen.

Denn das Leben ist eine Art Schach, wo wir oft Punkte zu gewinnen und mit Gegnern zu ringen haben. Und wo es eine Vielzahl an guten und schlechten Ereignissen gibt, die in gewisser Hinsicht Auswirkungen unserer Klugheit sind oder ihres Fehlens. Beim Schachspielen können wir also lernen:

  • Erstens VORAUSSICHT, die in die Zukunft blickt und die Folgen beachtet, die eine Handlung haben kann... Welche Züge kann ich tun, um mich zu verstärken oder gegen Angriffe zu verteidigen.
  • Zweitens UMSICHT, die das ganze Schachbrett oder den Schauplatz der Handlung(en) betrachtet, die Beziehungen der einzelnen Steine und Situationen untereinander berücksichtigt, die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind sowie die Möglichkeiten sich gegenseitig zu unterstützen und zu schützen. Eine Umsicht, die ausserdem die Wahrscheinlichkeiten bedenkt, dass der Gegner diese oder jene Figur ziehen, angreifen oder schlagen wird und wie wir den Schlag verhindern können.
  • Drittens BESONNENHEIT / VORSICHT, die Züge nicht zu schnell auszuführen... Das Spiel entspricht dem menschlichen Leben, wo man, wenn man sich unbedacht in schlechte oder gefährliche Lagen gebracht hat, alle Folgen eigener Unbesonnenheit ertragen muss.

Schließlich erwerben wir beim Schachspiel die Fähigkeit, NICHT MUTLOS ZU WERDEN, wenn uns unsere augenblickliche Lage schlecht erscheint.

Vielmehr gewöhnen wir uns die Einstellung an, auf einen GÜNSTIGEN UMSCHWUNG ZU HOFFEN und NICHT MÜDE ZU WERDEN NACH NEUEN MITTELN ZU SUCHEN... Häufig findet man nach langem Nachdenken Auswege aus einer für unüberwindlich gehaltenen Schwierigkeit. So wird man beim Schach ermutigt, den Kampf bis zum Letzten fortzusetzen - in der Hoffnung auf einen Sieg durch unsere eigenen Fähigkeiten oder wenigstens ein Patt.

Franklin warnt vor Leichtsinn und Überheblichkeit zudem macht er Mut mit folgenden Bemerkungen, bei denen er wiederum Schach als Metapher des Lebens heranzieht:

...und wirklich, wie oft kommt es im Schach vor, dass gewisse Vorteile Überheblichkeit und Unachtsamkeit hervorrufen, durch die schliesslich mehr verloren geht, als durch den ursprünglichen Vorteil erreicht war. Andererseits regt eigenes Missgeschick manchmal zu mehr Aufmerksamkeit und Sorgfalt an, sodass der bisherige Nachteil möglicherweise ausgeglichen wird. Wer dies bedenkt, kann lernen, sich durch den gegenwärtigen Erfolg eines Kontrahenten nicht zu sehr entmutigen zu lassen, noch zu verzweifeln, bei jedem Hindernis auf dem Weg zu seinen Zielen.

Soweit der amerikanische Erfinder, Philosoph und Staatsmann.

Franklins lehrreiche Ausführungen seien noch mit eigenen Überlegungen ergänzt:

Beim Schach erlebt man, dass es meist richtig ist, mit seinen Kräften und Ressourcen sowie der Zeit haushälterisch umzugehen und auf eine lange Auseinandersetzung vorbereitet zu sein. Gleichzeitig lernt man jedoch, dass es manchmal erforderlich ist, sofort viele Ressourcen zu mobilisieren, rasch und entschlossen zu handeln.

Ausserdem kann man beim Spiel noch erfahren, dass es immer Ausnahmen von der Regel gibt und man durch kluge Analyse oder intuitives Erkennen (u.a.unbewusste Informationsverarbeitung, Mustererkennung) herausfinden muss, wann die Regel gilt und wann die Ausnahme. Hierbei zeigt sich wahre Meisterschaft.

Des Weiteren ist Einbeziehung und Verstehen eventueller eigener Mitstreiter nötig und hilfreich. Auch diese sollten Franklins Prinzipien idealerweise kennen und beachten.

Franklin hat seine Empfehlungen allen Menschen vermacht. Falls Ihnen diese ohnehin vertraut sind, umso besser. Wenn nicht, lesen Sie Franklins Empfehlungen vor wichtigen Entscheidungen und nach Rückschlägen nochmals durch - bis sie in Fleisch, Blut und Gehirn übergehen!

Kant, ein Zeitgenosse Franklins, hat empfohlen: "Habe Mut dich deines eigenes Verstandes zu bedienen!"

Ich wünsche Ihnen Zuversicht und starke Lebenszüge - auch gegen Corona!

Dr. Reinhard Munzert, 14. Oktober 2020

Literatur

  • Franklin, B.: The Morals of Chess. Columbian Magazin, 1786.
  • Franklin, B.: The Autobiography And Other Writings. Penguin Classics, 1986.
  • Hagedorn, R.K.: Benjamin Franklin and Chess in Early America. University of Pennsylvania Press, 1958.
  • Kant, I: Was ist Aufklärung? 1783.
  • Munzert, R.: Schachpsychologie (3.erweiterte Auflage, Kap. 26). 1993 / 1998.
  • Munzert, R.: Schachspieler versus Corona. Bayerischer Schachbund. Aktuelles, 18.5.2020.
  • Munzert, R.: Schach und Corona: Ein Erkenntnisgewinn. Bayerischer Schachbund, Aktuelles, 24.7..2020.