Schachgedichte

Spielend leicht, wie das Leben

Feld ist ein schwarzweiß kariertes Quadrat.
Vierundsechzig Felder, zweiunddreißig Figuren,
Zwei schweigende Spieler dazu, oftmals auch Uhren:
Züge erfordern Gedanken-Spagat.

Bauern haben am wenigsten Möglichkeiten:
Ziehen behäbig voran, werden oft Opfer der Macht
Setzen dem Gegner zu, dann ohne zu werden verlacht.
Zug erfordert auch taktische Fähigkeiten.

Pferd oder Springer sind sehr behende.
Mit Zügen, die sehen aus kompliziert,
Ward so mancher Gegner schon irritiert.
Bringen durch Hüpfen oftmals die Wende.

Läufer bestreichen einfarbige Diagonalen,
Oftmals gegen wendigen Springer getauscht,
Kommen auch von sehr weit her herangerauscht.
Auf richtiger Farbe bereiten sie Gegnern Qualen. 

Die Türme bewegt immer der Weitblick geradeaus.
Ihr Ziel ist, offene Linien für sich zu besetzen.
Verdopplung sucht Gegner durch Druck zu verletzen.
Geradlinigkeit zeichnet sich vor allem am Ende aus.

Die Dame ist wie im Leben schwer zu verstehen.
Perfekt beherrscht sie Tanzes Kunst hingegen,
Kann vorwärts, seitwärts, schräg sich bewegen,
Ist sorgsam zu führen, denn sie darf nicht vergehen.

Majestät der König, seine Eroberung ist letztendlich Ziel.
Wird oft versteckt vor feindlich Angriff hinter Bauern;
Ist stets begehrtes Ziel zum Trotz all dieser Mauern.
Matt durch Angriff starker Gegner, gefochten zu lang, zu viel.

Nach langer Erfahrung erlernte Konsequenz:
Spiel erfordert vorausschauende Kombinatorik.
Hier geht nichts durch gar viel redegewandte Rhetorik. 
Selbst Meister entthront durch maschinelle Intelligenz.

© Norbert Rahn, Oktober 2017

(Der in Forchheim lebende Autor spielte in seiner Jugend u.a. beim TV Hallstadt mehr als 30 Jahre lang Schach, ist seit mehreren Jahren aber nicht mehr aktiv. Neben Schach ist Lyrik sein Hobby. Das Gedicht schickte er uns am 8. Oktober 2017.)

Webseiten und Bücher

martin-vieth.webnode.com

Martin Vieth (* 1965), Schachspieler aus Nordrhein-Westfalen, schreibt seit vielen Jahren Gedichte und Kurzgeschichten. Letztere sind dabei eher die Ausnahme. Seine Gedichte schreibt er "aus dem Leben heraus". Von ihm sind u.a. Wortstürme und Gedichtgedanken erschienen. Seine Website martin-vieth.de hat er aufgegeben und ist inwischen bei webnode.com zu finden.

Schachgedichte von Martin Vieth

Dagobert Kohlmeyer (* 1946) aus Berlin gehört zu den bekanntesten Schachjournalisten Deutschlands. Seit 2015 läßt er es allerdings etwas ruhiger angehen und widmet sich seinem zweiten Steckenpferd, der Poesie. 2016 erschien sein Lyrikband "Spiel der Könige" im Selbstverlag bei Books on Demand.

Der Bildlink führt sie zum Interview zu seinem 70. Geburtstag mit Informationen zum Buch.

Pixabay

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Das Schachspiel

Könige liebten dieses herrliche Spiel,
Schach dem König ist des Spieles Ziel.
Durch Schachmatt mit klugen Zügen
Will man den Gegner rasch besiegen.

Ein Gefecht in schwarz und weiß,
Mit Schweiß zu des Sieges Preis.
Das Schachbrett ist Schlachtfeld,
Eine kleine figurenbesetzte Welt.

Bei der Eröffnung ist man wählerisch,
Spielt Königsindisch und Sizilianisch;
Mit Grünsteinvariante und Gambit
Versprüht man spielerisch Esprit.

Läuferattacken und Rösselsprung
Bringen die Begegnung in Schwung.
Die Türme zeigen ihre Schlagkraft,
Kleinste Fehler werden bestraft.

Man rochiert,schlägt en passant,
Opfert Bauern und Damen elegant.
Sind die Truppen auch dezimiert,
Der König wird ständig attackiert.
Ist der letzte Ausweg ihm versagt,
Wird sofort Schachmatt angesagt.

Fleiß steht vor jeder Meisterschaft;
Mit Geistesstärke und Willenskraft
Wird der Großmeistertitel geschafft.
Beharrlich erreicht man Perfektion,
Rüttelt an des Champions Thron,
Die Weltmeisterkrone ist der Lohn.

Rainer Kirmse, Altenburg
(Hobbypoet und gelegentlicher Schachspieler)

Eingesandt am 20. Juni 2016

Schachspiel

Wir saßen beim Schachspiel zusammen
Nach einem diskreten Souper,
Und schon nach den ersten vier Zügen
Sagt drohend ich dir "Gardez !"

Kühn spielte ich gegen dich weiter
Und nahm zwei Bauern im Sturm:
Ja, es erobert mein Springer
A tempo den einen Turm.

Du rückst mit der Königin naeher,
Sprachst aber zu mir kein Wort -
Und ich nahm flugs unterdessen
Den schwarzen Läufer dir fort.

Ein Zug - und dein trämerisch Auge
In meines gesenkt sich hat,
Du lächelst und flüsterst ganz leise:
"Schach, teuerst Freund ! und - matt".

Johann Cotta
(Berlin 1862 - Dresden 1944)

Veröffentlicht von Klaus Jörg Lais am 29.10.2007 auf der Homepage

Das Schachspiel

Johann Gottfried Herder (Mohrungen 1744 - Weimar 1803), nach Jakob Balde

Warum schlagen wir noch Bücher und Blätter auf ?
Alle Lehre Sokrats über die Nichtigkeit
Unsres Erdegedrangs lehret im Spiel uns hier
Ein mit Puppen besetztes Brett.

Siehst du, Freund, wie das Glück Würden und Aemter teilt?
Wie’s die Plätze bestimmt ? Wie sie im Wechsel sind ?
Freund, so spielen auch wir, selber ein Spiel des Glücks,
Ungleich, aber im Ausgang gleich.

Mächtig steht ein Heer gegen das andere auf;
Hier Trojaner und hier tapferer Griechen Reih'n,
Stark mit Türmen verwacht. Mutige Ritter stehn
Bei den Türmen. Es schweigt das Heer.

Wartend schweiget das Feld: denn die Gebieter sind
Noch im Kampfe mit sich, sinnen Entwürfe. Furcht
Und die Ehre gebeut. Jetzo beginnt die Schlacht.
Arme Bauern, in euren Reih'n !

Schau, sie fallen dahin. Siehe mit ihrem Blut
Wird der Lorbeer erkauft. Ihre Gefilde mäht,
Ihre Hütte beraubt jeder der Streitenden:
Sie nur haben die Schuld verübt.

Doch wer springet hervor ? Listiger Springer, du ?
Aus der Mitte des Heers, über die Köpfe der
Kämpfer ? Willst du zurück, Parther ! Es hüte sïch
Vor dir Schwarzem das ganze Feld.

Und doch wünschet sich auch keiner den Tod von dir,
Narr und Läufer. Du hast eine beträchtliche
Zunft in unserer Welt; Narren und Läufern stehn
Häuser offen und Hof und Zelt.

Sieh, die Königin regt als Amazone sich,
Geht, wie ihr es beliebt; Damen ist viel erlaubt.
Vor ihr weichet hinweg Ritter und Elephant,
Bauer, Parus und Hannibal.

Alles weichet der Macht weiblicher Krieger, die
Viel begehren und viel wagen; sie kennen nicht
Das Zuviele. Die jetzt ihren Gemahl beschützt
Ist's die jetzo den Herrn verrät.

Schach dem Könige ! Tritt, höchster Gebieter, selbst
Von dem Platze der Ruh ! Traue die Majestät
Nicht Beamten allein, nicht der Gemahlin an !
Aber leider, es ist zu spät !

Schach dem Könige, Schach ! - Siehe, geendet sind
Unsre Züge; du siehst Ritter und Bauer jetzt,
König, Springer und Narr hier in der Büchse Grab
Durch- und übereinander ruhn.

Also gehet die Welt: Liktor und Konsul geht
In die Büchse, der Held und der Besiegte.
Du vollführe dein Amt; spiele des Lebens Spiel,
Das ein Höherer durch dich spielt.

Veröffentlicht von Klaus Jörg Lais am 17.12.2007 auf der Homepage

Schachsonett

von Christian Morgenstern

Dem edlen Schach vergleich ich das Sonett.
Eröffnung, Aufbau, Mittel-, Endspieltraun,
das alles ist so hier wie dort zu schaun,
und auch selbst hier sitzt oft ein - Paar am Brett.

Vier Züge schon vorbei! Gefährlich Baun!
Verwirrung trübt mich... Opfer und - Verlust!...
Doch dieser Zug jetzt macht den Fehler wett.
Und auch dem Endspiel darf ich noch vertraun.

Jetzt brenn ich erst; und spür mich Brust an Brust;
und greife nicht mehr fehl im strengen Kriege;
und lege meisternd Hand auf Brett und Blatt.

Noch einmal blitzt das feindliche Florett -
doch ich parier's, - und nun auch schon: Schachmatt!
(Ich muss erst immer fallen, eh ich siege.)

Das Schach

von Christian Morgenstern

Zum großen Geist des Universums trat
ein Sterblicher von dem Planeten Erde.
"Was bringst du mir in meine Einsamkeit?
Bringst du den Vorwurf, dass ich dich erschuf,
den Anspruch, dass ich dich entschädigen soll,
die Nachricht, dass dein Stern zuschanden ward,
den Vorschlag einer neuen 'bessern' Welt?"
"Von allem nichts, du hoher Geist", so sprach
der Sterbliche zurück - "ich bringe dir
ein Spiel dafür, das all dies in sich trägt:
Des Lebens Tragik wie Notwendigkeit,
wie du, Notwendiger und Tragischer,
es uns erschufst: ein Spiel, der Spiele Spiel;
für deine weltumrauschte Einsamkeit
das einzige Spiel, wie es das meine war:
Ich bringe dir, mein hoher Geist - das Schach."