26. September 2018
Georgien ist nicht nur Gastgeber der Schacholympiade 2018, sondern ein Schachland schlechthin. FIDE-Vizepräsident Georgios Makropoulous war in der Pressekonferenz während der ersten Runde voll des Lobes über das georgische Frauenschach. Spielerinnen wie Nona Gaprindaschwili, Nana Joseliani oder Maja Tschiburdanidse bestimmten jahrzehntelang das Weltfrauenschach und bildeten das Rumpfstück der sowjetischen Nationalmannschaft. Die beiden fünffachen Weltmeisterinnen Gaprindaschwili und Tschiburdanidse sind Botschafter der Olympiade in ihrer Heimat und spielten am 4. September ein kleines Match, welches 1½:1½ endete. Nach Gaprindaschwili hat die FIDE den 1998 erschaffenen Nona-Cup benannt. Er wird an das Land verliehen, welches bei den Männern und Frauen die meisten Punkte sammelt.
Bei soviel Schwelgen in Erinnerungen darf natürlich auch nicht das aktuelle Frauenschach in Georgien vergessen werden. Inzwischen haben andere Nationen zwar aufgeholt, aber Georgien liegt immer noch beim Elo-Durchschnitt der besten zehn Spielerinnen auf Platz vier in der Welt. Einen Platz vor Deutschland übrigens - mit 49 Punkten aber deutlich besser. Gestern nun trafen diese beiden Länder aufeinander. Das Paarungsprogramm ermittelte für Deutschland allerdings "nur" die dritte Mannschaft.
Es wurde das erwartet schwere Match, aber die Partien liefen irgendwann ganz gut für Deutschland. Nur Sarah Hoolt konnte sich keinen Vorteil erspielen, weswegen die Partie folgerichtig unentschieden endete. Unsere anderen drei Damen standen durchweg gut, teilweise sogar auf Gewinn. Bei Filiz Osmanodja ging alles sehr schnell. Gegen den vorgerückten Freibauern fand die Georgierin nicht die richtigen Erwiderungen und manövrierte sich schnell zur Aufgabe. Die beiden anderen Partien waren an Tragik kaum zu überbieten. Statt 2 aus 2 gab es nur ½ aus 2.
Die Dritte der U20-Weltmeisterschaft, Nino Chomeriki, steht in der Diagrammstellung auf Verlust. Ihre einzige Hoffnung sind die beiden verbundenen Freibauern, die zudem weitaus fürchterlicher als der weiße Gegenpart in d/e aussehen. Obwohl die auch nicht zu unterschätzen sind. Wäre Elisabeth Pähtz am Zug - das Schach dem König ignorieren wir mal - würde der d-Bauer jetzt einfach durchlaufen. "Autobahn" nannte das oft ein Schweizer Schachfreund, der lange Zeit in Berlin lebte. Und hier sogar zweispurig!
Doch auch Schwarz hat nach dem letzten Zug eine zweispurige Autobahn. Allerdings müssen hier noch ein paar Baustellen weggeräumt werden. Zum einen steht der weiße König im Weg und zum anderen kontrolliert der Läufer das Umwandlungsfeld b1.
Elisabeth stand nun vor der schwierigen Frage, wohin sie mit dem König ausweichen soll. In Frage kommen die Felder b1, b3, d1 und d2. Menschlich natürlich ist 62. Kb1??, was Elisabeth auch zog. Der König muß an den Bauern dranbleiben. Ein natürlicher Reflex. Alle anderen Züge wirken unnatürlich. Kd1 verliert sogar, weil Schwarz mit Schach einziehen kann.
Auf Kd2 würde kein Mensch kommen, aber dieser Zug gewinnt! Schwarz kommt mit seiner Bauernumwandlung zu spät, weil Weiß eher am Drücker ist und mit Schach einzieht.
Für die beste Lösung Kb3 muß Weiß dann schon eingefahrene Denkschemata vergessen. Schließlich obliegt dem Läufer nun allein die Aufgabe, die Umwandlung des b-Bauern zu verhindern. Doch im Gegensatz zu Kb1 ist Weiß mit Kb3 auch sofort am a-Bauern dran! Seltsamerweise kam der weiße König nach 62. ... Tc1+ 63. Ka2 Ta1+ 64. Kb3 doch noch nach b3. Mit dem gravierenden Unterschied, das Schwarz seinen Turm deutlich stärker positionieren konnte und die schwarzen Freibauern nun eine eklatantere Gefahr als in der Diagrammstellung darstellen. Die Georgierin ließ sich jetzt nicht mehr die Butter vom Brot nehmen und gewann nach 77 Zügen.
Hand aufs Herz. Hätten Sie in der Diagrammstellung 31. ... Txc2!! gefunden? Engines finden den Zug in Sekundenbruchteilen. Ein Mensch findet den Zug wahrscheinlich eher nicht. Das Turmopfer erscheint so absurd, das man nicht einen einzigen Gedanken daran verschwenden würde. Wahrscheinlich hat auch Judith Fuchs nicht darüber nachgedacht. Sie steht so gut, das eigentlich jeder Zug gewinnen müßte. Da ist es unnötig nach phantastischen Zügen zu suchen und bei abnehmender Restzeit in hochgradige Zeitnot zu kommen.
Als es zu dieser Stellung kam, hat die innere Eingebung gefehlt, die Stimme die sagt: "Schau Dir den Punkt a2 genau an. Und der König kann nicht nach b1 ausweichen ..." Derart auf die Eigenheiten der Stellung hingewiesen, hätte wohl auch Judith den Knallerzug entdeckt. Es wird zwar nicht sofort Matt, aber Weiß muß das Material mit üppigen Zinsen zurückgeben. Und kann dann eigentlich aufgeben. 32. bxa4 verlängert das Leiden um einige Züge. Nach der Annahme des Opfers mit 32. Txc2 geht es sogar noch schneller: 32. ... cxb3 Nun droht Dxa2/Txa2#! Weiß muß den Turm sofort zurückgeben und dem König ein Fluchtfeld, z.B. mit einem Springerzug verschaffen. Ich glaube Weiß hätte spätestens hier aufgegeben.
Judith entschied sich in der Diagrammstellung übrigens für 31. ... Tc7. Nach 32. Tff2 Tca7 33. h4 Dc7 34. Tde2 Ta5 35. g4 stand sie weiter sehr gut, doch das Damentauschangebot 35. ... Da7 brachte die Partie ins Remisfahrwasser.
Br. | Deutschland | Elo | 2:2 | Georgien 3 | Elo |
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3.1 | IM Elisabeth Pähtz | 2513 | 0:1 | WIM Nino Chomeriki | 2313 |
3.2 | WIM Filiz Osmanodja | 2348 | 1:0 | Mariami Janjaschwili | 2081 |
3.3 | WGM Sarah Hoolt | 2355 | ½:½ | Lile Koridse | 1931 |
3.4 | WGM Judith Fuchs | 2274 | ½:½ | Tamari Esadse | 1911 |
Br. | Deutschland | Elo | 3½:½ | Myanmar | Elo |
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8.1 | GM Liviu-Dieter Nisipeanu | 2661 | ½:½ | IM Zaw Htun Wynn | 2473 |
8.2 | GM Matthias Blübaum | 2618 | 1:0 | IM Tun Nay Oo Kyaw | 2389 |
8.3 | GM Daniel Fridman | 2591 | 1:0 | IM Naing Myo | 2327 |
8.4 | GM Rasmus Svane | 2595 | 1:0 | Than Khin | 2200 |
Daniel Fridman spielte die wohl interessanteste Partie. In der Diagrammstellung steht er bereits sehr komfortabel. Schwarz hatte zuletzt rochiert und dabei übersehen, das er sich mit dem König in die Diagonale a2-g8 begibt und seine Figuren plötzlich überlastet sind. 19. Lxd5+! Daniel nutzt die Chance zu dieser Kombination. Er bekommt zwar "nur" zwei Bauern für den Läufer, doch am Ende darf er sich dafür auch noch den Le7 abholen - und hat damit zwei Bauern gewonnen bei phantastischer Stellung. Der Burmese ließ sich auf 19. ... cxd5 20. Sxd5 Sxd5 21. Dxd5 Kh8 22. Txe7 natürlich nicht ein und machte sich stattdessen schnell aus dem Staub: 19. ... Kh7. Den nun freigewordenen Punkt d5 nutzte Daniel später aus, um mit seinem d-Bauern bis auf die 7. Reihe durchzumarschieren, wonach Myo aufgab.
Auch wenn unsere Damen einen Mannschaftspunkt haben liegenlassen - die Gegner werden trotzdem stärker. Jetzt wartet Israel mit der Ehefrau unseres ehemaligen Nationalspielers Arkadij Naiditsch auf Elisabeth Pähtz. Im Gegensatz zu Georgien 3 kann Israel aber auch an den Brettern zwei bis vier mit ebenbürtiger Konkurrenz aufwarten. Hoffen wir mal, das die israelischen Frauen nicht wie Georgien "underrated" sind.
Unsere gemischte Mannschaft hat Serbien zum Gegner. Die Serben sind nur zu viert in Batumi und setzten sich in Runde zwei gegen Finnland durch.
Br. | Deutschland | Elo | - | Serbien | Elo |
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9.1 | GM Liviu Dieter Nisipeanu | 2661 | - | GM Dusan Popovic | 2517 |
9.2 | GM Georg Meier | 2639 | - | GM Milos Roganovic | 2527 |
9.3 | GM Matthias Blübaum | 2618 | - | GM Milan Zajic | 2497 |
9.4 | GM Rasmus Svane | 2595 | - | IM Velimir Ivic | 2472 |
Br. | Deutschland | Elo | - | Israel | Elo |
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17.1 | IM Elisabeth Pähtz | 2513 | - | IM Julia Schwaiger | 2375 |
17.2 | WIM Filiz Osmanodja | 2348 | - | WGM Marsel Jefroimski | 2313 |
17.3 | WGM Sarah Hoolt | 2355 | - | IM Mascha Klinowa | 2288 |
17.4 | IM Zoya Schleining | 2370 | - | WIM Olga Gutmacher | 2258 |
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Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - Nationalmannschaft // ID 8676