29. Juli 2022
Zwei Mal 4-0, das waren die Ergebnisse der Nationalmannschaften zum Auftakt der 44. Schacholympiade im indischen Chennai. Während die Männer im offenen Wettbewerb gegen die Auswahl aus dem Sudan verlustpunktfrei blieben, hielten sich die Frauen gegen Sambia schadlos. Was aber auf dem Papier nach Einbahnstraße und klarer Sache aussah, gestaltete sich zwischendurch nicht als völlig klar. Es berichtet Sportdirektor Kevin Högy.
In der Tat hatten unsere Spieler:innen mit einem Kaltstart im wortwörtlichen Sinn zu kämpfen. Dass man bei 35 Grad nicht gern im Business-Dress Schach spielt, hatten die Organisatoren aus Indien antizipiert. In der Konsequenz den Spielsaal auf unter 20 Grad herunterzukühlen, war dann aber vielleicht doch des Guten ein wenig zu viel. Hoffen wir, dass sich kein Mitglied der Nationalmannschaften in diesen Tagen noch einen Schnupfen oder Schlimmeres zuzieht!
Am Brett jedoch legten die Männer los wie die Feuerwehr. Teamkapitän Jan Gustafsson hatte sich dafür entschieden, wie allgemein üblich in der ersten Runde der Nummer eins – Vincent Keymer – eine Ruhepause zu gönnen. Für die wichtigen Partien soll er geschont werden. Dieter Nisipeanu und Rasmus Svane besorgten schnell und sicher an den mittleren Brettern eine beruhigende 2:0-Führung. Den nächsten vollen Punkt zum Sieg steuerte der frischgebackene No-Castling-Weltmeister Dmitrij Kollars am vierten Brett bei.
Einzig Matthias Blübaum am Spitzenbrett hatte gegen FM Tagelsir so seine liebe Müh und Not, den vollen Punkt einzutüten. Doch kurz nach der Zeitkontrolle verirrte sich in ausgeglichener Stellung der Springer des sudanesischen Spielers von der Mitte an den Rand des Brettes. Hätte er sich aus dem Weisheitenfundus unseres Teamkapitäns Jan Gustafsson bedient, wäre ihm klar gewesen, dass dies niemals eine gute Idee ist.
Achtung, wichtige Regeländerung!
— Jan Gustafsson (@GMJanGustafsson) May 31, 2022
„Springer am Rand bringt Kummer und Schand“ heißt jetzt
„Am Rand steht ein Pferd, das ist gar nichts wert“.
Gesagt, getan: Mit einer kleinen Kombination holte sich Matthias das unglückliche Ross des Gegners und mit ihm den vollen Punkt. Mit dem 4-0 im Rücken geht es morgen gegen Finnland, das ein bedeutend kniffligerer Gegner werden wird.
9 | Sudan | Elo | 0:4 | Deutschland | Elo |
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1 | FM Abubaker Tagelsir | 2232 | 0:1 | GM Matthias Blübaum | 2673 |
2 | FM Mohamed Abdalla Abdelazeez | 2182 | 0:1 | GM Rasmus Svane | 2649 |
3 | FM Mohammed Hamid | 2116 | 0:1 | GM Liviu Dieter Nisipeanu | 2642 |
4 | CM Hassan Ahmed Ahmed | 2114 | 0:1 | GM Dmitrij Kollars | 2648 |
Auch im Frauenwettbewerb legte der Deutschland-4er im Doppelpack vor. Hier waren es Jana Schneider und Nationalmannschaftsdebütantin Dinara Wagner, die unsere Nationalmannschaft auf Kurs brachte. Jana spielte eine Musterpartie zur Verwertung des Läuferpaars in offenen Stellungen – was auch dem online kiebitzenden Vincent Keymer nicht verborgen blieb! Dinara hingegen fuhr nach und nach die Truppen direkt gegen den gegnerischen König auf und brachte ihren Angriff mit einem sehenswerten Schlussfinish erfolgreich zu Ende.
Das hier könnte eine Lehrstunde zum Thema Stärke des Läuferpaars werden. Schwarz hat zwar einen Doppel-a-Bauern gegen einen b-Bauern und den etwas aktiveren Turm. Dennoch würde das im Normalfall eher "nur" schwarzer Vorteil sein. Hier mit dem Läuferpaar allerdings, Bewertung: -5 pic.twitter.com/1AMiNevdnv
— Vincent Keymer (@VincentKeymer04) July 29, 2022
Den Sieg unter Dach und Fach brachte unsere langjährige Nummer eins, Elisabeth Pähtz. Gegen WFM Mwango war es lange Zeit ein Schattenboxen, weil sich keine Seite für das Anbringen eines die Stellung öffnenden Bauernhebels durchringen konnte. Als dann aber kurz vor der Zeitkontrolle Elisabeth Verwicklungen heraufbeschwor, griff ihre Gegnerin entscheidend fehl. Ein weißer Freibauer auf b7 war dann zu viel des Guten für die schwarze Stellung.
Den Schlusspunkt setzte Hanna Marie Klek in einer wahren Achterbahn-Partie. Sicherlich hätte unsere erfahrene Nationalspielerin den Sack hier und da früher zumachen können. Doch schlussendlich blieb nichts Anderes übrig, als ein Turmendspiel mit ungleichfarbigen Läufern und Mehrbauern zum Gewinn zu kneten. Und genau das gelang ihr erfolgreich nach über fünfstündigem Kampf!
8 | Deutschland | Elo | 4:0 | Sambia | Elo |
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1 | IM Elisabeth Pähtz | 2484 | 1:0 | WFM Lorita Mwango | 1920 |
2 | WGM Hanna Marie Klek | 2366 | 1:0 | WCM Lubuuto Bwalya Mulwale | 1751 |
3 | WGM Dinara Wagner | 2341 | 1:0 | WCM Constance Mbatha | 1614 |
4 | FM Jana Schneider | 2342 | 1:0 | Bertha Phiri | 1606 |
In der morgigen zweiten Runde müssen sich die Frauen mit Dänemark messen. Dort warten mit bis zu vier FIDE-Meisterinnen der Frauen Gegnerinnen, die noch mehr Gegenwehr leisten wollen werden.
Über gedrückte Daumen freuen sich unsere Mannschaften natürlich! Mitfiebern kann man ab 11:30 Uhr auf Schachdeutschland TV. Es kommentieren für euch wieder Gernot "Gunny" Leusch und GM Ilja Zaragatski.
Der Nationalmannschaft spielt mit freundlicher Unterstützung der UKA-Gruppe, dem innovativen Energieparkentwickler.
// Archiv: DSB-Nachrichten - Nationalmannschaft // ID 24292