14. November 2021
Ihr seid neu beim Schach und wollt mit unseren Mannschaften bei der Team-EM in Slowenien mitfiebern? Wir haben für euch die wichtigsten Fragen zu Mannschaftswettkämpfen und der Europameisterschaft beantwortet.
Im Gegensatz zu vielen anderen Mannschaftssportarten wie Fußball oder Handball, ist ein Mannschaftskampf im Schach eine Addition von mehreren Einzelkämpfen. Die vier, sechs oder acht Spieler einer Mannschaft teilen sich also nicht ein Brett und machen dort abwechselnd Züge (das wäre eine sogenannte "Beratungspartie"), sondern spielen jeder an einem eigenen Brett. Um jetzt noch den Flair eines Mannschaftswettkampfes zu bekommen, könnte man vielleicht denken, die Spieler einer Mannschaft dürften sich untereinander beraten. Doch auch das ist bei einem Mannschaftswettkampf im Schach strengstens verboten.
Der Mannschaftscharakter eines Schachwettkampfes entsteht durch die Beobachtung der Partien der Mannschaftskameraden. Da die Ergebnisse der einzelnen Partien addiert werden und so ein Mannschaftsergebnis wie z. B. 2½:1½ entsteht, ist es für jeden einzelnen Spieler wichtig, die anderen Partien auch im Blick zu haben. Sehen die anderen Partien nicht so rosig für die eigene Mannschaft aus, ist es wahrscheinlich sinnvoll, ein Remisangebot seines Gegners auszuschlagen und weiterzuspielen. Auch die Rückfrage beim (evtl. nicht mitspielenden) Mannschaftsleiter ist erlaubt, ob ein Remisangebot angenommen werden darf.
Bei der Europameisterschaft können in jeder Runde vier der fünf Spieler einer Mannschaft für den Wettkampf aufgestellt werden. Vom 12. bis 21. November findet dabei nur eine Runde pro Tag statt, wobei am 17. November ein Ruhetag eingeschoben wird. Die Bedenkzeit beträgt für beide Spieler einer Partie 90 Minuten für 40 Züge mit zusätzlichen 30 Minuten bis zum Ende. Für jeden Zug gibt es noch einmal 30 Sekunden Bonuszeit.
Im offenen Turnier sind 39 Mannschaften am Start, im Frauenturnier 31 Mannschaften. Da aus zeitlichen Gründen nur 9 Runden gespielt werden, können natürlich nicht alle Mannschaften gegeneinander spielen, was das Optimum für die Erstellung einer gerechten Rangliste wäre. Um dieser optimalen Rangliste am Ende eines Turnieres so nah wie möglich zu kommen, hat bereits 1895 der Schweizer Lehrer Julius Müller ein Spielsystem erfunden, das später "Schweizer System" genannt wurde. Dabei spielen in jeder Runde die möglichst punktgleichen Spieler oder Mannschaften gegeneinander, wobei eine bereits gespielte Paarung kein zweites Mal vorkommen darf. Vereinfacht bedeutet dies, dass man nach einem Sieg in der nächsten Runde eher auf ein stärkeres Team trifft und bei einer Niederlage eher auf ein schwächeres.
Die Spielerinnen und Spieler einer Mannschaft im Schach werden i.d.R. festen Brett- oder Startnummern zugeordnet. Das heißt, in dieser numerischen Reihenfolge (aufwärts sortiert) wird die Mannschaft auch einen Wettkampf aufnehmen. An den höheren Brettern (= niedrige Nummern) werden meistens die stärkeren Spieler aufgestellt, an den niedrigeren Brettern (= höhere Nummern) die schwächeren.
Die Mannschaftsaufstellungen vor Beginn eines Turnieres werden i.d.R. von einem übergeordneten Gremium gemacht. In den meisten Schachvereinen legt der Vorstand die Aufstellung der Mannschaften fest. Bei den Europameisterschaften wurden die fünf Frauen vom Frauen-Bundestrainer Yuri Yakovich nominiert, die Nationalmannschaft für die offene EM von der Kommission Leistungssport. Die endgültige Brettreihenfolge wurde erst am 11.11., dem Tag vor der ersten Runde, bekanntgegeben, wobei die Aufgaben der Kommission bei den Männern vor Ort jetzt deren Kapitän Daniel Fridman übernommen hat.
Wer von den fünf Männern bzw. Frauen die vier Bretter für den nächsten Wettkampf besetzen wird, entscheidet der jeweilige Kapitän (Yakovich/Fridman) vor Ort. Dabei wird auf die zu erwartende Farbe (Weiß/Schwarz) Rücksicht genommen, auf das persönliche Wohlbefinden der Spielerinnen und Spieler und die zu erwartenden Gegner:innen.
Elo ist der Name eines US-amerikanischen Physikers und Statistikers. Prof. Arpad Elo (1903-1992) erfand 1960 für den US-amerikanischen Schachverband die nach ihm benannte Wertungszahl. Sein Wertungssystem basiert auf dem vom deutschen Mathematiker Ernst Zermelo in den 1920er Jahren entwickelten System. Beim Wertungssystem von Elo sind die Wertungszahlen numerisch abwärts sortiert. Starke Spieler haben eine hohe Wertungszahl, schwache Spieler eine niedrige. Treffen zwei Spieler in einem Wettkampf aufeinander werden die Wertungszahlen der beiden Spieler in eine Gewinnwahrscheinlichkeit umgerechnet. Ist die Differenz der Wertungszahlen beider Spieler z. B. 300, hat der Spieler mit der höheren Wertungszahl eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 85% und sein Gegner entsprechend 15%. Mit der Gewinnwahrscheinlichkeit und dem erzielten Ergebnis werden dann die neuen Wertungszahlen der beiden Spieler berechnet. Einfach gesagt: Gewinnt ein Spieler, so steigt seine Elo-Zahl - verliert er, so sinkt sie.
Der Weltschachverband FIDE hat das Elo-System 1970 übernommen und es hat sich in den letzten Jahrzehnten mit einigen Modifikationen flächendeckend etabliert. Die DDR führte 1972 ein ähnliches System ein (NWZ), in der BRD war seit 1948 ein komplett anderes System namens Ingo im Einsatz. Seit 1992 werden die Schachspieler in Deutschland mittels DWZ-System gewichtet. Auch die DWZ basiert auf dem Elo-System.
Weltmeister Magnus Carlsen hat mit 2855 die höchste Elo-Zahl aller Schachspieler. Seine absolut höchste Elo-Zahl (2882) hatte er 2014 - es ist zugleich die höchste Elo-Zahl, die je ein Mensch erreicht hat. Wenn Sie selber eine Elo-Zahl erhalten möchten, können Sie ein für die Elo-Zahl gewertetes Turnier mitspielen. Die Voraussetzung dafür ist nur eine FIDE-Identifikationsnummer und im Turnier erzielte Punkte gegen Gegner mit Elo-Zahl.
Schach ist ein komplexes Spiel. In jeder Stellung müssen zahlreiche Fortsetzungen berechnet und die entstehende Figurenkonstellation beurteilt werden. Diese Berechnungen und Stellungsbeurteilungen kosten viel Zeit. Als es noch keine Schachuhren gab, um die Bedenkzeiten der Spieler:innen einzuschränken, dachten einige mitunter mehrere Stunden über einen Zug nach. Deshalb mussten Möglichkeiten gefunden werden, um das endlose Nachdenken zu beschränken. Mit Sanduhren (ca. 1861) und Stoppuhren (ca. 1866) begann die neue Zeit. Nach Einführung von mechanischen Uhren mit einer Pendelvorrichtung (ab 1883) sind seit den 1980er Jahren digitale Uhren im Einsatz. Sie ermöglichten später auch den Einsatz von Zeitboni, bei dem die Spieler:innen für jeden gemachten Zug Bonuszeit erhalten.
Auch wenn die Spielerinnen und Spieler für eine Partie immer weniger (Grund-)Bedenkzeit haben, dauern diese immer noch recht lange. So gibt es bei der Europameisterschaft für 40 Züge inklusive Bonuszeit insgesamt 110 Minuten. Mit dem 41. Zug kommen noch einmal 30½ Minuten hinzu, sodass diese Partie schon über viereinhalb Stunden dauern kann.
Die Anfangsphase einer Schachpartie beginnt meist recht zügig. Die ersten 5 bis 10 Züge wurden meist schon vielfach gespielt, die Varianten sind häufig ausführlich analysiert und Überraschungen selten und wenn es kompliziert wird oder unbekanntes Terrain entsteht, steht noch genügend Bedenkzeit zur Verfügung.
Mit fortschreitender Zugzahl und knapper werdender Bedenkzeit sind bald Stellungen auf dem Brett, die noch nie ein Mensch gesehen hat: Die Zahl der möglichen Stellungen wird auf über 1043 geschätzt. Eine unvorstellbar große Zahl fernab von jedem menschlichen Vorstellungsvermögen. Schach ist schier unerschöpflich. Die Anspannung der Spieler steigt ins Unermessliche. Ein einziger Fehler bei der Variantenberechnung kann schon die Partie kosten. Und die Zuschauer fiebern mit.
Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für größtmögliche Spannung in einer Partie oder einem Mannschaftswettkampf? Das kann man so pauschal nicht beantworten. Nach zwei Stunden kann schon alles vorbei sein. Oder die beiden Kontrahenten sitzen sich auch noch nach fünf Stunden am Brett gegenüber und lauern auf einen Fehler des Gegners oder der Gegnerin. Häufig lohnt es sich aber, spätestens 1,5 Stunden nach Beginn der Runde einzuschalten. Besonders spannend wird es häufig, wenn Spielerinnen und Spieler in Zeitnot geraten. Das kann zum ersten Mal schon nach ca. 3 Stunden auftreten.
Für die Europameisterschaft, die an einem festen Ort ausgetragen wird, gibt es natürlich keinen Vorteil eines Heimspieles oder den Nachteil eines Auswärtsspieles. Relevant ist die Frage eines Heim- oder Auswärtsspieles trotzdem, da die Farbverteilung in den Mannschaftskämpfen, also wer mit den weißen oder schwarzen Steinen spielen muss, davon abhängt. Die große Mehrheit der Schachspieler bevorzugt Weiß, weil man dort sozusagen den Aufschlag machen und die Richtung der Partie bestimmen kann. Mit einem halben Zug Rückstand kämpft Schwarz in den ersten Zügen erst einmal um Ausgleich. Das macht sich auch in den Ergebnissen bemerkbar. Während der Weißspieler eine Punktequote von ca. 55% hat, stehen die Chancen für Schwarz bei ca. 45%.
In Mannschaftswettkämpfen werden die Anteile von Weiß- und Schwarz-Partien gleichmäßig auf beide Mannschaften aufgeteilt. Deshalb ist die Spielerzahl auch immer gerade, bei der EM sind es vier je Mannschaft. Bei der Europameisterschaft hat die erstgenannte Mannschaft eines Wettkampfes am ersten Brett Weiß, danach im Wechsel an den folgenden Brettern Schwarz, Weiß und nochmal Schwarz.
Die Europameisterschaften werden auf verschiedenen Kanälen übertragen. Zum einen sind direkt die Partien verfolgbar:
ChessResults | Open | Women |
ChessBase | Open | Women |
Chess24 | Open | Women |
Chess.com | Open | Women |
Lichess | Open | Women |
ChessBomb | Open | Women |
Zum anderen sind Live-Kommentierungen beim FIDE-Partner Chess24 geplant und ebenso auf dem eigens vom Veranstalter eingerichteten YouTube-Kanal. ChessBase plant eine Live-Kommentierung mit GM Klaus Bischoff.
// Archiv: DSB-Nachrichten - Nationalmannschaft // ID 10784