26. Juli 2022
Ihr seid neu beim Schach und wollt mit unseren Mannschaften bei der Schacholympiade in Indien mitfiebern? Wir haben für euch die wichtigsten Fragen zu Mannschaftswettkämpfen und der Schacholympiade beantwortet.
Während im Fuß- oder Handball alle Spieler einer Mannschaft ein einziges Spielfeld beackern und sich gegenseitig beeinflussen, spielt beim Mannschaftsschach jeder für sich allein auf seinem eigenen Spielfeld. Im Gegensatz zu anderen Mannschaftssportarten ist es verboten, sich über das eigene Spiel zu unterhalten und sich Tips zu geben. Schachspieler bleiben also immer Einzelkämpfer. Fast immer. Es ist natürlich erlaubt, sich einen eigenen Eindruck von den "Spielfeldern" seiner Mannschaftskameraden zu machen, um Rückschlüsse zu ziehen, welches Ergebnis man selbst erzielen muß, um den Mannschaftssieg zu sichern. Die Ergebnisse der einzelnen Spieler werden nämlich addiert und die Mannschaft deren Spieler mehr Punkte erzielt hat, gewinnt den Wettkampf.
Die Mannschaften bei der Schacholympiade bestehen aus jeweils vier Spielern. Nur die beiden inoffiziellen Wettbewerbe 1924 und 1936 (München) wurden als Einzelwertung bzw. mit 8 Spielern ausgetragen. Bei der Schacholympiade der Frauen wurde bis 1974 an zwei Brettern gespielt, von 1976 bis 2006 an drei und seit 2008 ebenfalls an vier.
Bei den Frauen sind 162 Mannschaften am Start, im offenen Turnier sogar 188. Mit einem Rundensystem könnten die Platzierungen der Mannschaften sehr genau bestimmt werden, da Jeder gegen Jeden spielen würde. Das wäre die optimalste Durchführungsform eines Wettbewerbs. Doch was theoretisch möglich ist, ist praktisch überhaupt nicht sinnvoll. Bei nur einer Partie pro Tag würde das ganze Turnier selbst ohne Ruhetage über ein halbes Jahr dauern. Das Rundensystem wurde deshalb bei der Schacholympiade nur mit bis zu 21 Mannschaften angewandt. Bereits in Buenos Aires 1939 und nach dem Krieg ab 1952 in Helsinki wurden die Mannschaften in Vorrunden- und nachfolgend Finalgruppen eingeteilt.
Doch das Gruppensystem erwies sich nicht als besonders gerecht, weswegen 1976 zum Schweizer System übergegangen wurde. Die 1. Runde wird beim Schweizer System noch nach Rangliste (Spielstärkedurchschnitt der Mannschaften) gepaart. Bei beispielsweise 60 Mannschaften spielt die 1 gegen die 31, die 2 gegen die 32 usw.. Ab der 2. Runde wird die Rangliste nach den erzielten Gesamtpunkten sortiert, wobei als zweites Sortierkriterium weiter der Spielstärkedurchschnitt gilt. Nun spielen die Mannschaften einer Punktegruppe gegeneinander. Haben 20 Mannschaften nach der 1. Runde zwei Punkte, spielt also die 1 gegen die 11, die 2 gegen die 12 usw.. So einfach ist es natürlich nicht immer, aber im Groben und Ganzen beschreibt es das Schweizer System ganz gut.
Bis 2006 in Turin wurden 13 bzw. 14 Runden Schweizer System gespielt, seit Dresden 2008 elf Runden.
Bundestrainer Yuri Yakovich hat die fünf Spielerinnen unserer Frauenmannschaft am 6. Mai bekanntgegeben, Jan Gustafsson machte dies bei den Männern im offenen Turnier. Die sind ebenfalls zu fünft. Da nur vier gleichzeitig spielen dürfen, muss ein Spieler je Runde aussetzen. Yakovich und Gustafsson treffen für jede Runde auch die Entscheidung, welche vier Spielerinnen und Spieler für die jeweilige Runde aufgestellt werden. Dabei können sportliche Erwägungen eine Rolle spielen, also wer eventuell gegen die kommenden Gegner besser zurecht kommen könnte, aber auch die aktuelle Verfassung der Spielerinnen und Spieler kann dabei eine Rolle spielen.
40 Züge in 90 Minuten, die restlichen Züge in 30 Minuten - je Zug gibt es 30 Sekunden zusätzlich. Das ist die Bedenkzeit für eine Partie bei der Schacholympiade. Durch die Zeitgutschriften je Zug kann natürlich nur mit elektronischen Schachuhren gespielt werden. Das ist seit vielen Jahren Standard.
Bei einer durchschnittlichen Zugzahl von 40 für eine Partie, dauert diese - bei optimaler Ausnutzung der Bedenkzeit durch beide Spieler - maximal 3 Stunden und 40 Minuten.
Auch die doppelte Anzahl von Zügen ist keine Seltenheit. Aber die Spieler müssen mit fortschreitender Zugzahl immer schneller werden. Bis etwa zum 54. Zug (40 Züge in 90 Minuten, 13,33 Züge in 30 Minuten) kann das Spieltempo gleich bleiben. Danach wäre die Grundbedenkzeit aufgebraucht und die Spieler leben ausschließlich von ihren jeweils 30 Sekunden Gutschrift. Durch die Grundbedenkzeit hatten sie vorher 2 Minuten und 15 Sekunden mehr. Bei voller Ausnutzung der Bedenkzeit dauert eine 80 Züge lange Partie 5 Stunden und 20 Minuten. Für die zweiten 40 Züge blieben damit nur 1 Stunde und 40 Minuten übrig.
Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Früher konnte man bei internationalen Turnieren 40 Züge noch in zwei Stunden ausführen und die jeweils weiteren 20 Züge in einer Stunde. Das waren 3 Minuten pro Zug. Heute sind es 2 Minuten und 45 Sekunden (mit Gutschrift) und später in der Partie nur noch 30 Sekunden.
Die Anfangsphase einer Schachpartie beginnt meist recht zügig. Die ersten 5 bis 10 Züge wurden meist schon vielfach gespielt, die Varianten sind häufig ausführlich analysiert und Überraschungen selten und wenn es kompliziert wird oder unbekanntes Terrain entsteht, steht noch genügend Bedenkzeit zur Verfügung.
Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für größtmögliche Spannung in einer Partie oder einem Mannschaftswettkampf? Das kann man so pauschal nicht beantworten. Nach zwei Stunden kann schon alles vorbei sein. Oder die beiden Kontrahenten sitzen sich auch noch nach fünf Stunden am Brett gegenüber und lauern auf einen Fehler des Gegners oder der Gegnerin. Häufig lohnt es sich aber, spätestens 1,5 Stunden nach Beginn der Runde einzuschalten. Besonders spannend wird es häufig, wenn Spielerinnen und Spieler in Zeitnot geraten. Das kann zum ersten Mal schon nach ca. 3 Stunden auftreten.
Beim Wertungssystem Elo sind die Wertungszahlen numerisch abwärts sortiert. Starke Spieler haben eine hohe Wertungszahl, schwache Spieler eine niedrige. Treffen zwei Spieler in einem Wettkampf aufeinander werden die Wertungszahlen der beiden Spieler in eine Gewinnwahrscheinlichkeit umgerechnet. Ist die Differenz der Wertungszahlen beider Spieler z. B. 300, hat der Spieler mit der höheren Wertungszahl eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 85% und sein Gegner entsprechend 15%. Mit der Gewinnwahrscheinlichkeit und dem erzielten Ergebnis werden dann die neuen Wertungszahlen der beiden Spieler berechnet. Einfach gesagt: Gewinnt ein Spieler, so steigt seine Elo-Zahl - verliert er, so sinkt sie.
Der Weltschachverband FIDE hat das Elo-System 1970 übernommen und es hat sich in den letzten Jahrzehnten mit einigen Modifikationen flächendeckend etabliert. Die DDR führte 1972 ein ähnliches System ein (NWZ), in der BRD war seit 1948 ein komplett anderes System namens Ingo im Einsatz. Seit 1992 werden die Schachspieler in Deutschland mittels DWZ-System gewichtet. Auch die DWZ basiert auf dem Elo-System.
Weltmeister Magnus Carlsen hat mit 2864 die höchste Elo-Zahl aller Schachspieler. Seine absolut höchste Elo-Zahl (2882) hatte er 2014 - es ist zugleich die höchste Elo-Zahl, die je ein Mensch erreicht hat. Wenn Sie selber eine Elo-Zahl erhalten möchten, können Sie ein für die Elo-Zahl gewertetes Turnier mitspielen. Die Voraussetzung dafür ist nur eine FIDE-Identifikationsnummer und im Turnier erzielte Punkte gegen Gegner mit Elo-Zahl.
Elo ist der Name eines US-amerikanischen Physikers und Statistikers. Prof. Arpad Elo (1903-1992) erfand 1960 für den US-amerikanischen Schachverband die nach ihm benannte Wertungszahl. Sein Wertungssystem basiert auf dem vom deutschen Mathematiker Ernst Zermelo in den 1920er Jahren entwickelten System.
Die Schacholympiade wird auf verschiedenen Kanälen übertragen. Zum einen sind direkt die Partien verfolgbar:
ChessResults (nur Ergebnisse) | Offenes Turnier | Frauenturnier |
ChessBase | Offenes Turnier | Frauenturnier |
Chess24 | Offenes Turnier | Frauenturnier |
Chess.com | Offenes Turnier | Frauenturnier |
Lichess | Offenes Turnier | Frauenturnier |
Zum anderen werden die Partien der deutschen Mannschaften auf SchachdeutschlandTV live kommentiert. Täglich an jedem Spieltag ab 11.30 Uhr.
Vor 95 Jahren begann in London die Geschichte der Schacholympiaden. Gerade einmal 16 Länder mit 70 Spielern waren zum ersten Nationenwettbewerb angereist. Mittlerweile nehmen fast 200 Länder daran teil mit über 1700 Spielern. Und seit 1957 gibt es auch einen Frauenwettbewerb.
Der 1924 in Paris gegründete Weltschachverband FIDE hat in den letzten Jahrzehnten mehrfach Anstrengungen unternommen, die Sportart Schach bei den Olympischen Spielen unterzubringen. Doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) sah die für die Aufnahme notwendigen Kriterien (Geschichte und Tradition der Sportart, Verbreitung, Beliebtheit, Gesundheit der Athleten, Entwicklung des zuständigen Sportverbandes und Kosten der Ausrichtung) nicht oder nur zum Teil erfüllt. Schach ist natürlich nicht die einzige Sportart, die es noch nicht nach Olympia geschafft hat. Hier einige Beispiele:
Doch zurück zur Schacholympiade.
Der Name "Schacholympiade" wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg offiziell: 1950 in Dubrovnik. Zuvor war es "nur" ein Mannschaftsturnier der im Schach weltbesten Länder. Dessen Geschichte begann mit der Gründung der FIDE 1924 in Paris. Zeitgleich fanden die Olympischen Sommerspiele in der französischen Hauptstadt statt, weswegen sich wohl später der Name Schacholympiade etablierte. Für das Mannschaftsturnier, das in den Tagen vor der FIDE-Gründung am 20. Juli 1924, ausgetragen wurde, galten die Regeln des IOC, z.B. ein Teilnahmeverbot von Berufsspielern.
Beim FIDE-Kongress 1926 in Budapest ließ der Weltschachverband die Idee von 1924 wieder aufleben und veranstaltete ein Mannschaftsturnier mit allerdings nur vier Ländern (in Paris waren es 18). Ein Jahr später in London wurde für das "Turnier der Nationen" ein Pokal vom englischen Magnaten Frederick Gustavus Hamilton-Russell (* 12. Juni 1867; † 3. Oktober 1941) gestiftet. Hamilton-Russell spielte selbst Schach und war von 1928 bis 1939 Schatzmeister und von 1939 bis 1941 Präsident des britischen Schachverbandes. Er unterstützte die neugegründete FIDE auch finanziell.
Der Hamilton-Russell-Pokal wird auch in Indien noch vergeben. Sein Pendant bei den Frauen ist der Vera-Menchik-Pokal, benannt nach der ersten Schachweltmeisterin der Weltgeschichte.
// Archiv: DSB-Nachrichten - Nationalmannschaft // ID 10988