31. Juli 2022
Argentinien, 21. Juni 1978. Ein Datum, das in der Sportszene im deutschen Raum weitbekannt ist. Als amtierender Weltmeister unterlag die deutsche Fußballnationalmannschaft der österreichischen Auswahl mit 2:3 und schied aus der Gruppenphase aus. Was in Deutschland als die „Schmach von Cordoba“ in die Geschichte einging (und in Österreich als Wunder von Cordoba!), wurde von den österreichischen Schachspielern vor dem immergrünen Match gegen die deutsche Männernationalmannschaft bei der Schacholympiade beschworen. Und das mit Erfolg!
Dabei fing alles eigentlich so gut an. Matthias Blübaum hielt im Theorieduell mit den schwarzen Steinen gegen das österreichische Spitzenbrett Ragger problemlos die Partie in der Waage, sodass früh die Punkte geteilt wurden. Mit zwei laufenden Weißbrettern und einem sicheren Spiel auf zwei Ergebnisse am zweiten Brett (Rasmus Svane) konnten sich die Deutschen durchaus berechtigt etwas ausrechnen. Doch dann kam alles anders.
Liviu Dieter Nisipeanu verlor eine scharf angelegte Partie gegen Blohberger. In einer Stellung mit heterogenen Rochaden war der Angriff des Österreichers am Königsflügel schneller als Dieters Gegenspiel am Damenflügel. Auch ein Figurenopfer half dann nicht mehr, das Blatt noch zu wenden.
Zwar gelang Rasmus Svane am zweiten Brett noch ein sauberer, technischer Sieg in einer Modevariante der Katalanischen Eröffnung. Doch beim Stand von 1,5:1,5 befürchtete Rasmus dann auch das, was schlussendlich auch eintrat: die deutsche Niederlage.
"Das ist natürlich superärgerlich"
— Deutscher Schachbund (@Schachbund) July 31, 2022
Rasmus Svane über die Niederlage gegen Österreich#chessolympiad #chesschennai2022 pic.twitter.com/kpngC0bgU3
Dmitrij Kollars kam eigentlich mit guter und vielversprechender Stellung aus der Eröffnung. Im Mittelspiel allerdings behielt der Österreicher Horvath den besseren Überblick. Erst knüpfte er Dmitrij einen Zentrumsbauern kompensationslos ab und konterte unseren Nationalspieler dann auch noch böse aus, als dieser versuchte, einen Gegenangriff am Königsflügel zu initiieren.
Eine in der Tat „ärgerliche“ – wie Rasmus Svane es bezeichnete – Niederlage gegen die Nachbarn aus Österreich. Nun heißt es: Die Köpfe nicht hängen lassen. Eine Olympiade ist mit 11 Runden länger als die meisten Turniere und jetzt gilt es, sich in die vorderen Plätze zurück zu kämpfen.
Besser hingegen machte es unsere Frauennationalmannschaft gegen die Schweizerinnen. Dort gelang ein sauberer 3:1-Sieg bei zwei Siegen und zwei Remis. Damit sind die deutschen Frauen weiterhin ungeschlagen, bisher gaben unsere Frauen erst vier Remis in zwölf Partien ab.
Den Anfang machte Dinara Wagner. Durch ihren Sieg beim German Masters der Frauen 2022 frisch ins Team gerutscht, spielt Dinara bisher stabil und souverän wie ein Uhrwerk. Auch gegen ihre Schweizer Kontrahentin zog sie ein Spiel auf ein Tor auf und verwandelte schlussendlich die sich ihr bietenden Möglichkeiten auf Vorteil und Materialgewinn zielsicher.
Einen weiteren halben Punkt steuerte Josefine Heinemann bei. Gegen die bärenstarke Hakimifard opferte Josefine bereits aus der Eröffnung heraus mit den schwarzen Steinen spielend couragiert eine Figur für Königsangriff. Objektiv gesehen hätte dieser wohl durchschlagen sollen – aber die Gewinnführung war trickreich und gelang Josefine bei knapper werdender Bedenkzeit leider nicht. Sie gewann zwar ihre Figur zurück, aber im Turmendspiel mit Mehrbauern war dennoch kein Blumentopf zu gewinnen. Remis.
Für den Sieg war an diesem Tag Jana Schneider zuständig. Hier ging allerdings die Eröffnung mächtig schief:
Jana Schneider hat heute am Brett eine echte Achterbahnfahrt durchlebt. Wie sich das angefühlt hat und wie es dazu kam, erklärt sie uns im Video!#chessolympiad #chesschennai2022 pic.twitter.com/oM3QfqLywC
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Im Mittelspiel schienen die Felle der deutschen Nationalspielerin bereits davon geschwommen zu sein. Eine schlechtere Stellung und eine verlorene Qualität ließen auch wenig Grund zur Hoffnung erkennen. Als sich dann allerdings der verbliebene schweizer Springer auf a8 verirrte und gefangen werden konnte, drehte sich plötzlich die Partie innerhalb weniger Züge. Mit zwei Figuren gegen den Turm setzten sich Janas Freibauern dann auch problemlos durch. Glück gehabt!
Am Spitzenbrett drückte Elisabeth Pähtz gegen Georgescu lange Zeit und erspielte sich auch einen greifbaren positionellen Vorteil. Doch die Schweizerin verteidigte sich umsichtig und nirgends bot sich der entscheidende Schlag an. Selbst im Turmendspiel konnte Elisabeth noch Probleme stellen, aber die Stellung bot einfach nicht mehr genug Gewinnpotential. Schlussendlich wurden die Punkte zum 3:1-Endstand geteilt.
Für die Männer geht es morgen nun gegen Irland darum, den Anschluss zur Spitzengruppe wiederherzustellen. Dies gilt im Übrigen auch für die Norweger, die überraschend mit Weltmeister Carlsen spielend („nur“ Remis) gegen Italien verdient mit 1:3 verloren. Unsere Frauen hingegen bekommen mit Rumänien das erste schwere Los. Hier ist man zwar auf dem Papier noch leicht favorisiert, aber die Elo-Unterschiede sind marginal. Mit einem Sieg könnten sich die Truppe um Bundestrainer Yuri Yakovich erst einmal oben festsetzen und ein Match gegen eine ganz große Schachnation bekommen. Hoffen wir, dass es dazu kommt!
Die Partien beginnen wie immer um 11:30 Uhr deutscher Zeit. Auf schachdeutschland.tv ist Mitfiebern und Daumendrücken angesagt.
9 | Österreich | Elo | 2½:1½ | Deutschland | Elo |
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1 | GM Markus Ragger | 2647 | ½:½ | GM Matthias Blübaum | 2673 |
2 | GM Valentin Dragnev | 2557 | 0:1 | GM Rasmus Svane | 2649 |
3 | GM Felix Blohberger | 2492 | 1:0 | GM Liviu Dieter Nisipeanu | 2642 |
4 | IM Dominik Horvath | 2488 | 1:0 | GM Dmitrij Kollars | 2648 |
8 | Deutschland | Elo | 3:1 | Schweiz | Elo |
---|---|---|---|---|---|
1 | IM Elisabeth Pähtz | 2484 | ½:½ | WIM Lena Georgescu | 2279 |
2 | WGM Josefine Heinemann | 2321 | ½:½ | WGM Ghazal Hakimifard | 2296 |
3 | WGM Dinara Wagner | 2341 | 1:0 | WFM Laura Störi | 2084 |
4 | WGM Jana Schneider | 2342 | 1:0 | WIM Camille de Seroux | 2106 |
// Archiv: DSB-Nachrichten - Nationalmannschaft // ID 10992