17. April 2012
"Nomen est Omen", sagt der Lateiner. Nun, wenn das tatsächlich zutrifft, dann müsste für Barbara Hund beim letzten Vorturnier zur Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft (20. bis 22. April) alles planmäßig laufen. In jedem Fall dürfte die Frauen-Großmeisterin aus Freiburg im Breisgau, die in Magdeburg an Setzranglistenplatz 1 von insgesamt 380 TeilnehmerInnen steht, hoch motiviert sein, nach Bad Soden (Platz 11), Frankfurt/Oder (7), Aalen (9), Hamburg (11) und Brühl (13), endlich den für das Finale in Halle/Saale (7. bis 9. Juni) nötigen sechsten Rang nach fünf Runden zu erreichen. Leicht werden es der gestandenen Diplommathematikerin ihre 13 männlichen Konkurrenten - darunter Dr. Gerhard Köhler von Lok Engelsdorf, der im März bei der 83. Deutschen Meisterschaft in Osterburg aktiv war - allerdings in der A-Gruppe nicht machen. Ich habe Barbara Hund, die durch ihre Eltern die Grundregeln gelernt hat und mit neun Jahren in ihren ersten Schachverein gekommen ist, weil ihre Freundin bereits dort war, um das nachfolgende Interview gebeten.
Schach finden Sie gut, weil....
...es mir die Möglichkeit gibt, meinen Kopf fit zu halten. Ich liebe das Kombinieren und logische Denken.
Was war bisher Ihr sportlich größter Erfolg auf den 64 Feldern und welche Partie war die beste?
Ich habe vier Bronzemedaillen bei den Schacholympiaden geholt, eine davon mit der deutschen Mannschaft 1978 in Buenos Aires, drei in der Brettwertung am zweiten Brett (Malta 1980, Moskau 1994 und Calvia 2004). Als bestes in Erinnerung war mein überraschender Sieg 1978 gegen die Russin Nana Alexandria [1], ich habe aber auch schon eine tolle Partie gegen Großmeister Sunye Neto [2] aus Brasilien gewonnen.
Welche halten Sie für die beste und welche für die schädlichste Entwicklung im Schach?
Um für Zuschauer attraktiver zu sein, finde ich die Verkürzung der Bedenkzeit und damit die Abschaffung der Hängepartien toll. Gefährlich finde ich für Schach die elektronische Weiterentwicklung und damit die Möglichkeit von Betrügereien.
Welche Vorurteile über das Frauenschach ärgern Sie und wie reagieren Sie darauf?
Die vielen Vorurteile haben auch heute noch die Vorteile, dass Frauen und Mädchen unterschätzt werden. Ich stehe dem also eher gelassen gegenüber.
Sie haben zwischen 1978 und 2008 insgesamt 13 mal an Frauen-Schacholympiaden teilgenommen. Was fällt Ihnen spontan über Ihre damaligen Mitstreiterinnen oder auch Konkurrentinnen in der Frauen-Nationalmannschaft ein und wie würden Sie das Klima innerhalb des Team beschreiben?
Das Klima habe ich als gut in Erinnerung. Mit Gisela Fischdick bin ich immer noch in Kontakt.
Sie sind seit mehr als 30 Jahren international aktiv. Was hat sich im Frauenschach in dieser Zeit geändert?
Die Quantität und damit die Qualität hat sich schon enorm gesteigert. Die Spielerinnen werden (wie auch bei den Männern) immer jünger. Trotzdem sind Mädchen und Frauen noch deutlich in der Unterzahl und müssen sich nach wie vor durchboxen. In meinem Verein haben wir einen weiblichen Abteil von 14%, bei den Jugendlichen von 25%. Aber der Kampf, diese nicht nur zu gewinnen sondern auch zu halten, ist immer noch unverändert groß.
In der aktuellen deutschen Frauen-Nationalmannschaft fehlt die Altersklasse über 40. Wie sehen Sie das und welche Kriterien würden Sie ganz persönlich für die Nominierung eines Auswahl-Teams haben?
Leistungssport gilt als etwas für Jüngere, Ausnahme Reiten und Schach. Ich finde, das Alter sollte keine Rolle spielen, siehe Viktor Kortschnoi.
Im Spätsommer findet in Istanbul die 39. Schacholympiade statt. Was würde es für Sie bedeuten, nach einer Pause zum, achten Mal für die Schweiz teilzunehmen und wäre das überhaupt ein sportliches Ziel?
Teilnahme an Mannschaftsweltmeisterschaften sind immer eine tolle Herausforderung und Ehre und ein großes sportliches Ziel.
Warum haben Sie in der Saison 2011/12 an allen Qualifikationsturniere zur Deutschen Amateur-Schachmeisterschaft teilgenommen und mit welchem Slogan würden Sie für diese Veranstaltung werben?
Für mich bedeutet die Teilnahme an allen Turnieren die Möglichkeit, zusammen mit der Familie Schach zu spielen, dabei jeder in seiner entsprechenden Klasse. Das wäre auch ein Werbeslogan, gemeinsam mit Familienmitgliedern und/oder Vereinskollegen Schach in angenehmer Atmosphäre zu spielen.
Was ist Ihre Meinung zur den Patinnen-Projekt der deutschen Frauen-Nationalmannschaft für die Deutsche Amateur-Schachmeisterschaft?
Für mich passt das nicht ganz zum Amateurschach, aber für viele Teilnehmer ist es sicher eine tolle Möglichkeit, Einblick in die Nationalmannschaft zu bekommen.
Ihre Tochter Sarah spielt inzwischen auch aktiv Schach beim SK Freiburg-Zähringen 1887, wo Sie ebenfalls Mitglied sind. Wie finden Sie das?
Sarah hat lange nicht turniermäßig gespielt. Aber ich finde es toll, dass sie jetzt Spaß dran hat. In unsere Jugendarbeit will sie nun auch als Trainerin mit einsteigen.
Was wären Ihre Ratschläge für junge Mädchen, die mit dem Schachspielen angefangen haben?
Eine Freundin überreden mitzumachen. Im Team macht's einfach mehr Spaß!
Wie würden Sie einem Ausländer sagen, wenn er Sie fragt, was Deutschland ist?
Ein komplizierter Staat mit viel zu vielen Reglementarien, aber trotzdem liebenswert.
Und hier die beiden erwähnten Glanzpartien gegen Nana Alexandria von der Schacholympiade 1978 in Buenos Aires und gegen Jaime Sunye Neto aus der Oberliga Nordrhein-Westfalen 1986.
BARBARA HUND wurde am 10. Oktober 1959 in Darmstadt geboren. Wie auch ihre drei Schwestern wurde sie von den Eltern Juliane und Gerhard für das Schachspiel begeistert. In ihrer Jugendzeit war sie das größte weibliche Nachwuchstalent in Deutschland. So wurde Barbara vier Mal Deutsche Jugendmeisterin und holte bei den Damen drei Titel (1978, 1982 und 1984). Bei den Jugend-Europameisterschaften errang sie 1978 und 1979 zwei ehrenvolle vierte Platze. Zu ihren größten sportlichen Erfolgen bei den Erwachsenen dürften neben der Bronzemedaille mit dem bundesdeutschen Team bei der Schacholympiade 1978, Rang 2 beim Frauen-Zonenturnier in Tel Aviv 1979 (hinter der Bulgarin Borislava Borisova) und der geteilte Platz 1 mit Gisela Fischdick bei der gleichen Veranstaltung in Bad Kissingen 1982 gehören. 1983 war Barbara Hund, die seit 1991 international die Schweiz vertritt, unter den TOP 10 der FIDE-Elo-Weltrangliste bei den Damen, was bisher keine deutsche Spielerin wieder geschafft hat. In ihrer knapp bemessenen Freizeit joggt die alleinerziehende Mutter einer Tochter, die sowohl für den SK Freiburg-Zähringen 1887 und in der Schweiz für Reichenstein SF aktiv ist, und widmet sich dem in den USA entstandenen Square Dance.
Mehr Infos zu Barbara Hund sind in der Wikipedia zu finden!
Raymund Stolze
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 310