21. Mai 2017
Dr. Michael Vesper (65) ist seit Oktober 2006 Generaldirektor bzw. Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Mit dem gesamten Vorstand, der dem Präsidium unterstellt ist, betreut er das operative Geschäft des DOSB. Zum Jahresende will der vierfache Vater in den Ruhestand gehen und aus dem Vorstand ausscheiden. Bleibt dann mehr Zeit für seine zweite Leidenschaft, das Schachspiel?
Für ein Interview im Februar dieses Jahres erkundigte sich sein Sekretariat bei uns nach einer passenden Location mit schachlichem Hintergrund, am besten in seiner Heimatstadt Köln. Nach einigen, wenig erfolgversprechenden Telefonaten mit dort ansässigen Schachvereinen gab Präsident Herbert Bastian den entscheidenden Tip. Was liegt wohl näher als den sehr engagierten Güven Manay zu fragen, der mit seinem seit 2000 bestehendem Satranç Club in der Domstadt Meilensteine in Sachen Inklusion setzt. Mit dem interkulturellem Schachturnier und anderen Veranstaltungen ist der Verein regelmäßig in den Medien vertreten und bringt Menschen verschiedener Nationen und Kulturen beim Schachspiel zusammen.
Bild: Sven Teschke / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 d
Güven Manay war sofort begeistert über das Vorhaben von Vesper. Bei der Planung des Termins stellte sich dann allerdings heraus, daß der Satranç Club an diesem Tag keinen Vereinsabend realisieren konnte. Manay erinnerte sich an seinen alten Verein, den Klub Kölner Schachfreunde, bei dem das Interview schließlich durchgeführt wurde.
Schach gehört ohne Zweifel zu den beliebtesten klassischen Brettspielen in Deutschland. Die Schätzungen, wieviel Deutsche das Schachspiel beherrschen, reichen von einigen Millionen bis -zig Millionen. Dabei ist das Wort "beherrschen" schon mal sehr weit gefaßt. Der überwiegende Teil wird vielleicht gerade die wichtigsten Regeln kennen, wobei die etwas komplizierteren Regeln zur Rochade und en passant da noch gar nicht berücksichtigt sind. Und manch einer hat das Schachspiel auch noch falsch vermittelt bekommen. Ich blieb davon auch nicht verschont, brachte mir mein Vater doch einst bei, man könnte am Anfang mit zwei Bauern gleichzeitig ein Feld vorziehen. Genau dieselbe Meinung vertrat ein Zuschauer letztens bei der Faszination Schach in Berlin. Und als ob das jetzt noch nicht reichen würde, erzählte mir sogar unser FIDE Rating Officer Christian Krause am letzten Wochenende von diesem sehr speziellen Eröffnungszug. Es muß also etwas dran sein. Oder es ist nur eine Fehlinterpretation des Doppelschrittes des Bauern.
"Schach ist ein unfassbar spannendes und vielseitiges Spiel" sprach Vesper dem Welt-Reporter in das Mikrofon. Damit ist er auf jeden Fall schon mal der Schachgöttin Caissa außerordentlich zugewandt. Ganz im Gegensatz zu meiner Familie (vom Vater mal abgesehen), die ich mit Versprechungen überreden mußte, überhaupt eine Schachfigur in die Hand zu nehmen. "Die sinnlose Klötzchenschieberei ist nichts für uns" kam unisono aus ihren Mündern nach den Partien. Mit Sicherheit würde solch ein Satz Vesper nicht herausrutschen. Er hat den Sprung zum Schachliebhaber geschafft.
Wie weit die schachlichen Kenntnisse von Michael Vesper aber wirklich reichen, können auf jeden Fall einige Vereinsspieler der Kölner Schachfreunde jetzt beurteilen. Peter Graf, DWZ 1959 und 2. Vorsitzender des Klub Kölner Schachfreunde, klopfte das Schachverständnis von Vesper in all seinen Facetten ab.
"Beim Schach setze ich zuerst auf eine solide Verteidigung. Sobald ich hinten sicher stehe, stoße ich vorne guerillamäßig vor und greife an. Da platzt dann die Spielernatur und Rampensau aus mir heraus, die nicht ewig warten kann und will." erläuterte Vesper dem Reporter seine Strategie. Nach solider e2-e4-Eröffnung gegen Graf, schien Vesper aber zusehends den Faden zu verlieren. Die "solide Verteidigung" erwies als Schweizer Käse und Graf mußte dem DOSB-Vorstand immer wieder Tips zur Verbesserung geben. Trotzdem (oder gerade deswegen?) hatte der Hobbyspieler Vesper keine Chance gegen den Vereinsspieler Graf.
"Ich dachte Sie können Schachspielen?" fragte der Reporter vorwurfsvoll seinen Interviewpartner. "Das kann ich auch – aber offensichtlich nicht auf professionellem Niveau. Dass ich nicht weiß, was ich ziehen soll, kenne ich gar nicht von mir." versuchte Vesper eine Erklärung zu finden. "Weil man Sie immer gewinnen lässt?" piekste der Reporter nach, worauf Vesper vehement verneinte und wie zur Entschuldigung sein Smartphone hervorkramte und die Ergebnisstatistik gegen die Schach-App präsentierte: 146 Siege, 133 Niederlagen, 33 Remis. "In der realen Welt ist das nicht anders. Da spiele ich zum Beispiel mit meinen Kindern, mit Freunden oder auch gelegentlich mal mit Peer Steinbrück. Und glauben Sie mir: Der alte Sozi ist ehrgeizig und lässt einen Grünen schon gar nicht gewinnen."
Im Interview verläßt der Reporter nun das Thema Schach um sich den ganz großen Themen in den 11 Jahren Vorstandsarbeit von Vesper zu widmen. Da geht es dann um die Olympiaden, die um Deutschland einen Bogen gemacht haben, und um Geld für den Sport. Vesper sieht die Firmenbosse in der Pflicht, die sich oft mit Sportlern oder Sportarten als Aushängeschilder schmücken, aber zu wenig zurückgeben. "Geld scheint ja vorhanden, wenn ich mir ansehe, wer sich alles im Fußball engagiert. In kleineren Sportarten könnte mit weniger Mitteln eine womöglich größere Wirkung erzielt werden als im Fußball als Sponsor Nummer 17." Ob das auch für Schach gelte, fragte der Reporter zum Schluß. "Der spannende WM-Kampf zwischen Magnus Carlsen und Sergej Karjakin vor einigen Wochen hat unbestritten große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Öffentlichkeit hat sich – wie ich das wahrgenommen habe – sehr dafür interessiert, was zwischen Läufern und Springern so alles passiert. Ich hab das auch intensiv verfolgt und mittlerweile einige Begegnungen nachvollzogen und nachgespielt."
Das komplette Interview können Sie in der ePaper-Ausgabe der Welt am Sonntag vom 26. März 2017 (Direktlink zur PDF) auf Seite 40 nachlesen.
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 21973