3. Juni 2001
Die Stadt Coburg in Franken war am 26. Mai, nach 1904 zum zweiten Mal, Gastgeber des Kongresses des Deutschen Schachbundes. Später wird man ihn vielleicht historisch nennen, ging doch mit Egon Ditt nach 12 Jahren Präsidentschaft der Lotse von Bord, der das DSB-Schiff souverän und sicher gelenkt hatte. Man denke nur an die als geglückt zu bezeichnende Vereinigung mit dem Deutschen Schachverband der DDR im Jahre 1990.
Doch beschränkt sich eine solche Zusammenkunft der Spitzenrepräsentanten im deutschen Schach nicht nur auf den eigentlichen Kongresstag. Das Präsidium tagte bereits zwei Tage zuvor (am Himmelfahrtstag) ab 9 Uhr. Zeitgleich fand auch eine Sitzung der Präsidenten der Landesverbände statt. Eine gemeinsame Sitzung beider Gremien wurde dann noch für 19:30 Uhr angesetzt. Der darauf folgende Tag gehörte dem Rahmenprogramm, für das der gastgebende Landesverband, im vorliegenden Falle Bayern, und der Coburger Schachverein verantwortlich zeichneten. Hier stand zunächst ein umfangreiches Besichtigungsprogramm (Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, Kloster Banz und Schloss Rosenau) an. Viele Delegierte nahmen hieran in Begleitung ihrer (Ehe-)Partner teil. Ein weiterer Höhepunkt war dann eine festliche Abendveranstaltung in der Ehrenburg. Als Conférencier führte Ingo Thorn vom Coburger Schachverein durch das Programm. Begrüßt wurden die Gäste vom Präsidenten des Bayerischen Schachbundes, Dr. Klaus-Norbert Münch, und dem Landrat Karl Zeitler für die Stadt und den Landkreis Coburg.
In seiner persönlichen Danksagung ging der Vizepräsident des DSB, Dr. Heinz Meyer, auf die Verdienste von Egon Ditt ein und überreichte dem vielreisenden Noch-Präsidenten eine Kofferkombination als Dankeschön des Präsidiums. Weitere Präsente erhielt das Ehepaar Ditt aus der Hand des Präsidenten des Schachbundes Rheinland-Pfalz, Günther Müller; der dies im Namen des Gremiums der Präsidenten der Landesverbände tat. Der Vorsitzende des Coburger Schachvereins, Ingo Thorn, überreichte dem scheidenden Präsidenten die Ehrenmedaille seines Vereins. Auch der Präsident des Bayerischen Schachbundes, Dr. Klaus-Norbert Münch, wurde mit einer Ehrenmedaille des Schachvereins Coburg ausgezeichnet.
Es schlossen sich Vorträge der bayerischen Großmeister Wolfgang Unzicker (Schach in Bayern im 20. Jahrhundert), Lothar Schmid (Der Kampf um die Schach-Weltmeisterschaft im Wandel; die Entwicklung von Reykjavik bis heute) und Dr. Helmut Pfleger (Faszination Schach, ein Streifzug) an.
GM Wolfgang Unzicker berichtete ausführlich über die Ereignisse im bayerischen Schach und führte zwei Partien am Demonstrationsbrett vor und erläuterte diese. Er wählte hierfür die Begegnungen Bogoljubow - Capablanca (Bad Kissingen 1928) und Richter - Alexandrescu (München 1936) aus.
GM Lothar Schmid informierte über Einzelheiten der Wettkämpfe von Robert Fischer und wich dann, angeregt durch die sehr positive Resonanz auf die Partienvorführung seines Vorredners, von seinem Redemanuskript ab und zeigte ebenfalls eine, wenn auch unbekannte, Partie aus seiner Jugendzeit (Schmid - Jänsch), in der er nach 16 Zügen matt setzte. Diese nahm folgenden Verlauf: 1.d4 Sf6 2.e3 e6 3.Sf3 b6 4.b3 Lb7 5.Lb2 d5 6.Ld3 c5 7.dxc5 Lxc5 8.Sbd2 0-0. An dieser Stelle unterbrach der Großmeister die Vorführung. Er richtete an das Publikum die Frage, welche Figur nach weiteren 8 Zügen matt setzt. Für die richtige Antwort setzte er als kleinen Preis ein Karl-May-Buch aus. Der Internationale Fernschachmeister und Präsident des Landesschachbundes Brandenburg, Hilmar Krüger, tippte auf den Bauern h2 und behielt recht: 9.Sg5 g6 10.h4 Sbd7 11.h5 h6 12.hxg6 hxg5 13.Th8+ Kxh8 14.Dh5+ Kg8 15.Dh7+ Sxh7 16.gxh7#
GM Dr. Helmut Pfleger, der wegen einer Verpflichtung als Aktiver bei einem Prominenten-Fußballspiel erst später anreisen konnte, schlug einen Bogen von den Ursprüngen des Schach bis zur Neuzeit. Verblüfft haben viele Anwesende seine Ausführungen zur Vielzahl der Möglichkeiten im Schach. So gebe es in einer 40-zügigen Partie sage und schreibe 10 hoch 125 Möglichkeiten. Dies seien mehr Variationen als es Sterne und Atome im Weltall gibt. Hier liegt die Zahl bei 10 hoch 82.
Ein Genuss der besonderen Art waren die musikalischen Darbietungen durch die international bekannten Künstler Peter Lika - Bass - und Ernst Mauss, der ihn am Klavier begleitete.
Die Gattinnen der Großmeister Schmid und Unzicker erhielten Blumensträuße aus der Hand des Vorsitzenden des Coburger Schachvereins, Ingo Thorn. Zudem überreiche Herr Thorn allen drei Großmeistern und den Künstlern Präsente zur Erinnerung an diesen Abend.
Am nächsten Tag wurde für die nicht am Kongress beteiligten Gäste vom Coburger Schachverein ein weiteres Rahmenprogramm organisiert. Im geräumigen und zentral gelegenen Kongresshaus Rosengarten begann dann am 26. Mai kurz nach 9 Uhr der DSB-Kongress, zu dessen Höhepunkten die turnusmäßigen Wahlen zählten. Nach der Begrüßung durch den Präsidenten Egon Ditt wurden verdienstvolle Schachfreunde geehrt. Den Anfang machte Siegfried Stolle vom Badischen Schachverband. Der von ihm geleitete Stützpunkt für die Abnahme des Schachsportabzeichens konnte die bundesweit höchste Anzahl von erfolgreichen Prüfungen (40) melden. Der Bochumer Schachfreund Erich Krüger erhielt den Senioren-Deutschland-Pokal 2000. Für ihre Verdienste um den Schachsport wurden der scheidende Internet-Beauftragte Wilhelm Graffenberger, Peter Wehl (Präsident des Schachverbandes Schleswig-Holstein) und Gerhard Willeke (Beauftragter für das Schachsportabzeichen) mit der silbernen Ehrennadel des DSB geehrt. Der Präsident des Schachbundes Rheinland-Pfalz, Günther Müller, überreiche im Namen der Präsidenten der Landesverbände Präsente an den Geschäftsführer des DSB, Horst Metzing, für die geleistete Tätigkeit, und an den Vorsitzenden des gastgebenden Coburger Schachvereins, Ingo Thorn, für die Durchführung des Kongresses. Horst Metzing konnte im Januar 2001 auf stolze 25 Dienstjahre zurückblicken!
Die Zählung der Einlasskontrolle ergab, dass die anwesenden Delegierten insgesamt 228 Stimmberechtigungen vertraten. In die Zählkommission wurden die Schachfreunde Bellmann, Ewald und Hamann gewählt. Der Sportdirektor des DSB, Reinhold Kasper, wies auf den Umstand hin, dass noch Ausrichter für Deutsche Meisterschaften gesucht werden. In der Tagesordnung schlossen sich die Berichte über die Arbeit der eingesetzten Kommissionen an. Der Schatzmeister des DSB und Vorsitzende des Lenkungsausschusses Marketing, Heinz-Jürgen Gieseke, erläuterte Ergebnisse und Probleme bei der Umsetzung der Marketingkonzeption. Es wies auf eine den Delegierten vorliegende Information von Prof. Bernd Günter hin, nach der verstärkt in ausgewählten Schulen auf Hochbegabtenförderung gesetzt wird. Hier gilt es für uns, Schach zu integrieren. Eine Vorreiterrolle haben hier bereits die Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Württemberg übernommen. Nach Einschätzung von Heinz-Jürgen Gieseke kommt der dem Kongress zur Beschlussfassung vorgelegten Breitenschachkonzeption große Bedeutung zu. Ergänzend berichtete der Vorsitzende des Hamburger Schachklubs vom 1830 e.V., Christian Zickelbein, über Erfahrungen des HSK in der Breitenschacharbeit. Eine leider eher negative Bilanz musste der DSB-Vizepräsident Siegfried Wölk für die Arbeit der Kommission „Private Turniere“ ziehen. Hier erfolgte auf Veröffentlichungen bislang keine Resonanz. Dem Anliegen trägt eine Umbenennung in "Turnierorganisation" eher Rechnung und eine verstärkte Darstellung in der Öffentlichkeit.
Der Kassenbericht des DSB wurde vom Schatzmeister Heinz-Jürgen Gieseke erläutert; der Kassenprüfer Armin Winkler informierte über die vorgenommene Kassenprüfung und empfahl dem Kongress die Entlastung des Präsidiums, die einstimmig erfolgte.
Der Vizepräsident des Württembergischen Schachverbandes, Walter Pungartnik, sprach sich für eine Verlängerung der Amtszeit der Kassenprüfer aus. Die derzeitige Regelung, die nur eine Wiederwahl und somit eine maximale Tätigkeit von 4 Jahren vorsieht, greife zu kurz. Er empfahl einen entsprechenden Antrag an den nächstjährigen Kongress.
Der scheidende Präsident Egon Ditt bedankte sich für die gute Zusammenarbeit im Erweiterten Präsidium und mit der Geschäftsstelle, und erwähnte als Höhepunkte seines 12-jährigen Wirkens als Präsident die Vereinigung mit dem Deutschen Schachverband der DDR und den 2. Platz unserer Nationalmannschaft bei der Schach-Olympiade 2000 in Istanbul.
Der Ehrenpräsident des DSB, Alfred Kinzel, würdigte in einer viel beachteten Laudatio die Verdienste von Egon Ditt. In seiner Amtszeit als Präsident habe Egon Ditt über eine halbe Million Reisekilometer zurückgelegt. Das deutsche Schach sei auch seiner Gattin, Frau Jutta Ditt, zu großem Dank verpflichtet. Ohne ihre Unterstützung sei ein Engagement wie das von Egon Ditt gar nicht denkbar. Als kleines Dankeschön wurde ihr vom Präsidium ein Blumenstrauß überreicht.
Mehrfach erhoben sich die Delegierten von ihren Plätzen und bezeugtem dem scheidenden Präsidenten durch lang anhaltenden Beifall ihre Wertschätzung. Einstimmig wurde Egon Ditt die Ehrenpräsidentschaft des Deutschen Schachbundes verliehen. Der Präsident des Saarländischen Schachverbandes, Herbert Bastian, sprach sich für eine Veröffentlichung dieser Laudatio aus.
Nach der Mittagspause folgte ein weiterer Höhepunkt der Coburger Tage. Mit 96,9 % der abgegebenen gültigen Stimmen wurde der Präsident des Schachbundes Nordrhein-Westfalen, Alfred Schlya, zum neuen Präsidenten des Deutschen Schachbundes gewählt. Fast alle Präsidiumsmitglieder wurden einstimmig oder mit überwältigender Mehrheit in ihren Ämtern bestätigt. Als Vertreter des Präsidenten fungiert auch weiterhin der Vizepräsident Dr. Heinz Meyer. Der von der Kommission für Seniorenschach vorgeschlagene, und bisher nur kommissarisch dieses Amt wahrnehmende, Klaus Gohde wurde zum Referenten für Seniorenschach gewählt. Ebenfalls gewählt wurde der Berichterstatter für den nicht mehr zur Verfügung stehenden Referenten für Öffentlichkeitsarbeit, Andreas Weiß. Auch im Amt des Referenten für Datenverarbeitung gab es einen Wechsel. Für Jürgen Dammann kam Walter-Georg Häring in das Präsidium. Neu gewählt wurden auch die Mitglieder des Schiedsgerichts, des Bundesturniergerichts sowie die Rechnungsprüfer.
Breiten Raum nahm in der Diskussion die Zukunft der Bundesliga ein. Hierzu wurde beschlossen, dass die Bundesspielkommission und die Bundesligakommission gemeinsam eine Vorlage zur weiteren Vorgehensweise erarbeiten, die dem Erweiterten Präsidium in der November-Tagung vorgelegt wird.
Der Kongress beschloss auch eine Änderung der Beitragsstruktur. So wird von Seiten des DSB für die Altersgruppe U 10 ab dem kommenden Jahr kein Beitrag mehr erhoben. In der Altersgruppe U 14 wird der Schülerbeitrag (1,62 Euro), in der Altersgruppe U 18 der Jugendbeitrag (3,25 Euro), und darüber hinaus der Erwachsenenbeitrag (6,50 Euro) berechnet.
Die vom Sportdirektor bzw. der Referentin für Frauenschach eingebrachten Anträge zur Turnierordnung wurden einstimmig beschlossen bzw. bestätigt. Einer dieser Anträge dürfte von besonderem Interesse sein: „Im Turnierraum dürfen Handys oder andere störende Geräte weder benutzt werden noch eingeschaltet sein.“
Der Kongress setzte eine Kommission von 7 Schachfreunden zur Thematik „Mitgliederverwaltungsprogramm“ ein. Die zur Beschlussfassung vorgelegte Breitenschach-Konzeption wurde mit einigen Veränderungen beschlossen. Sie wird in Kürze veröffentlicht. Der Vorsitzende der Deutschen Schachjugend, Michael Juhnke, warb dafür, die Arbeit und das Anliegen der Deutschen Schulschachstiftung durch Spenden zu unterstützen. Der Vorsitzende der Schulschachstiftung, Kurt Lellinger, wohnte dem Kongress bei und die Anwesenden konnten sich über die Arbeit der Stiftung informieren.
Der neu gewählte Präsident des DSB, Alfred Schlya, bedankte sich im Namen der Delegierten und Gäste beim gastgebenden Coburger Schachverein und seinem Vorsitzenden Ingo Thorn sowie beim Präsidenten des Bayerischen Schachbundes, Dr. Klaus-Norbert Münch, für die Durchführung des Kongresses. Traditionell bildet die Übergabe der Tischglocke des Präsidenten, die aber nicht ihrer Bestimmung gemäß eingesetzt wurde, vom Gastgeber (Ingo Thorn) an den Präsidenten des Landesverbandes, der den nächsten Kongress ausrichtet (Siegfried Müller - Schachverband Sachsen), den Abschluss der Veranstaltung. Gegen 20:30 Uhr wurde der, von mehreren Pausen unterbrochene, Kongress dann beendet.
Für das neu gewählte Präsidium stand am selben Abend noch die konstituierende Sitzung auf dem Programm. Den Abschluss des Aufenthaltes des Erweiterten Präsidiums nebst Gattinnen in Coburg bildete am folgenden Tag noch ein Empfang beim Oberbürgermeister der Stadt Coburg, Norbert Kastner. Beim Abschied bedankten sich viele Mitglieder des Erweiterten Präsidiums bei den Gastgebern Dr. Klaus-Norbert Münch und Ingo Thorn für die Gastfreundschaft.
Auf Wiedersehen beim 125-jährigen Jubiläumskongress in Leipzig 2002.
Norbert Heymann, Referent für Öffentlichkeitsarbeit des DSB
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 77