30. November 2013
Es waren zwei harte Tage für Fans der deutschen National"elf" – erst die Niederlage gegen (ausgerechnet) Holland, und gestern dann eine weitere Null gegen Spitzenreiter Ukraine. Zwar hat am Abend der HSV in Wolfsburg einen Punkt geholt und so den Tagesverlauf für einige von uns noch ein bisschen aufgehellt, doch selbst da weiß man jetzt nicht, ob es ein gewonnener oder eher ein verlorener Punkt war. Es bleibt also schwierig.
Die vierte Runde in Antalya sah Team Germania ohne Schachgroßmeister Arkadij Naiditsch. Vielleicht sonnte er sich, badete im Mittelmeer oder lernte ein wenig Türkisch – am Brett saß er leider nicht, und das war für die Ukraine vermutlich eine gewisse Erleichterung. Zur Rotation gehört es aber dazu, dass jeder mal aussetzt, und bei neun Runden in zehn Tagen geht es auch nicht ohne Ruhetag. Und außerdem – diese deutsche Auswahl muss man ja auch erst einmal besiegen! Der Ukraine gelang das aber ganz gut, und mit zwei Siegen am ersten und vierten Brett reichte es für sie zu einem undramatischen 3:1–Erfolg. Glückwunsch dazu!
Daniel Fridman erwies sich in dieser 4. Runde als Fachkraft für gut abgesicherte Remispartien und teilte sich mit dem um 100 Elo besseren Moisejenko den Punkt. Georg Meier komplizierte als Schwarzer mutig das Spiel gegen Anton Korobow und würzte eine an und für sich seriöse Stellung mit einem inspirierten Zug:
Korobow entpuppte sich aber bald als spaßfreier Gegner, der einfach alles abtauschte, was sich bewegte, und so endete die Partie mit einem Remis im Turmendspiel.
Und das waren sie auch schon, die deutschen Teilpunkte. Weniger ergiebig, dafür umso mysteriöser blieben die Ergebnisse in den Partien Khenkin – Iwantschuk und Kryvoruchko – Baramidze. Wenn schon die dritte Runde dieser WM Anlass zu Verschwörungstheorien gegeben hatte, so ließen auch diese beiden Spiele einige Fragen offen, intensiv diskutiert einmal mehr im WM-Thread auf Schachfeld.de.
Unheimliche Umstände gab es in der Tat, denn nach 25 Zügen sah man bei Baramidze (mit Schwarz) die folgende Stellung:
Ein Bauer mehr für Schwarz, dafür aber drückt Kryvoruchko auf beiden Flügeln und droht so dies und das. Nichts scheint jedoch entschieden, und dennoch, verblüffend genug, präsentiert die offizielle Notation hier ein 1:0. Schluss, aus, Baramidze hat aufgegeben – was war da los? Als Großmeister wird man so eine Stellung eigentlich kaum aufgeben, sondern weiterfummeln, so lange noch Figuren auf dem Brett stehen. (Und das Schlimme ist: gegen mich haben sie damit in der Regel auch Erfolg.) Bei der alternativen Übertragung bei chessbomb.com entdeckt man noch drei weitere Züge von beiden Seiten, auch dort allerdings fand die Partie in voller Fahrt ihr überraschendes Ende. Gut möglich, dass es doch nur ein Übertragungsfehler war? Mehr wissen wir leider noch nicht.
Wem das bereits seltsam vorkam, der konnte bei Khenkin – Iwantschuk noch deutlich rätselhaftere Phänomene bestaunen. Khenkin hatte sein Spiel gegen den Weltklassemann Iwantschuk sehr solide mit 1.d2-d4, d7-d5 2.Lc1-f4 begonnen, einem für Schwarz etwas unangenehmen Aufbau, bei dem erst einmal nicht viel los ist. In der Folge tauschte er die Damen, und man sah die folgende Position im Netz:
Weiß hat gerade auf c6 einen Springer genommen. Iwantschuk entgegnete mit dem regelkonformen 15….Sxf4, und nach 16.Sb4 Lxb4 17.exf4 besaß Schwarz bereits leichten Vorteil. Nun lassen sich die Großmeister der Welt ja gerne von den Ideen anderer Spieler inspirieren, die sie dann aufnehmen und ausbauen. Ob sich das von Khenkin gespielte 16.Sb4 allerdings international durchsetzen wird, ist fraglich – besser sieht ja eigentlich auch 16.Sxe7 mit Schach und Materialgewinn aus!
Dies mag ebenfalls ein derber Übertragungsfehler gewesen sein. Wir möchten das gerne glauben, denn als einzige andere Erklärung bleibt nur … ja, was eigentlich? Eine Verschwörung, Zeitnot, ein Scherz der NSA? Vielleicht erfahren wir bald mehr - Sportdirektor Uwe Bönsch ist bereits in Kontakt mit den Trainern vor Ort.
Somit also 1:3 gegen die Ukraine, Ungemach, Agonie, und die deutsche Auswahl, die gegen Ägypten und die Türkei so hoffnungsvoll gestartet war, ist in die Tiefen des Mittelfeldes abgesunken. Macht aber nichts – heute geht es weiter gegen Russland, und es wäre doch gelacht, wenn da nicht der eine oder andere Mannschaftspunkt möglich ist.
Die anderen Begegnungen der 4. Runde endeten wie folgt:
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Abschließend ein Nachtrag zur Partie Korobow – Meier: mit 32…..Txe5!, 33.Le2, Txe2 öffnete Meier einem wilden Treiben Tür und Tor. Tolles Schach!
Und noch ein Nachtrag: Danke allen Teilnehmern am Niederlande-Gewinnspiel! Alle (zwei) rechtzeitigen Einsender hatten die richtige Lösung gefunden („Paprikachips…?“, „Kartoffelchips“). Das strenge Los musste entscheiden – und unsere herzlichen Glückwünsche schicken wir an Benjamin Aldag. Der Preis, eine Tüte mit ehrlichen holländischen Paprika-Kartoffelchips, geht in den nächsten Tagen auf den Weg!
wctc2013.tsf.org.tr
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Olaf Steffens
Olaf Steffens ist FIDE-Meister, wohnt in Bremen und spielt dort für den SV Werder in der Zweiten Bundesliga. Obwohl das Schachspiel eigentlich viel zu schwierig für ihn ist, versucht er es immer wieder und schreibt darüber zusammen mit anderen auf www.schach-welt.de.
Während der Weltmeisterschaft in Antalya schreibt er für den Deutschen Schachbund.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9288
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