17. März 2020
Die Deutsche Schach-Internetmeisterschaft (DSIM) wurde im Frühjahr 2018 gemeinsam mit der DWZ-Lizenz konzipiert, um ein stimmiges Gesamtpaket anzubieten: Ehemalige Vereinsspieler, die dem Schachsport in der Online-Variante treu geblieben sind, sollten wieder näher an den Deutschen Schachbund und damit letzten Endes an die Vereine herangeführt werden, indem sie für einen kleinen Jahresbeitrag eine DWZ-Lizenz kaufen, die einerseits zur Teilnahme an der DSIM berechtigt, die aber andererseits die inaktive DWZ der Lizenzinhaber freischaltet und dadurch die Teilnahme an normalen Schachturnieren wieder attraktiver macht. Die Grundidee war, das Online-Schach nicht als Konkurrenz zum Vereinsschach zu verstehen, sondern als sinnvolle Ergänzung.
Im Frühjahr 2020 war es dann soweit: Die DSIM wurde mit mehreren Vorrunden, einer Zwischenrunde und einer Endrunde gestartet – übrigens als offizielle Deutsche Meisterschaft, d.h. der Sieger darf sich „Deutscher Internetschachmeister 2020“ nennen! Die erste Vorrunde fand am 9. März statt und war mit 177 Teilnehmern und diversen Titelträgern gut besetzt. Leider wurde der Zweitplatzierte nach Prüfung seiner Partien disqualifiziert. Das ist einerseits bedauerlich, zeigt aber andererseits, dass die Prüfalgorithmen anscheinend funktionieren.
Die zweite Vorrunde wurde am 16. März ausgetragen. Gespielt wurden wieder neun Runden Schweizer System und die Teilnehmerzahl lag dieses Mal bei 272, was für ein Online-Blitzturnier an einem Montagabend eine ungewöhnlich hohe Zahl ist! Auch die Qualität des Teilnehmerfeldes war noch besser als bei der ersten Vorrunde, mit Daniel Fridman, Georg Meier und Ramus Svane waren sogar einige Nationalspieler am Start. Ich hatte mir vorgenommen, zumindest eine der Vorrunden auch mitzuspielen, damit ich mitreden kann, wenn über diese neue Deutsche Meisterschaft gesprochen wird. Meine persönliche Punktausbeute war mit 5 aus 9 eher bescheiden, aber das war mir nicht so wichtig. Meine besten Tage als Blitzspieler liegen auch schon einige Jahr(zehnt)e zurück und bei einer Norddeutschen Blitzmeisterschaft würde ich heutzutage mit Sicherheit einen der hinteren Plätze belegen. Wichtiger war das „Look and Feel“ und da kann ich nur sagen: Es war ein perfekt organisiertes Turnier, das Spaß gemacht hat! Alle Runden begannen pünktlich, zwischen zwei Partien konnte man mit alten Bekannten chatten und die Partien selber wurden in einer sehr sportlichen und fairen Atmosphäre gespielt, was beim anonymen Online-Schach nicht immer der Fall ist. Der DSIM-Beauftragte Frank Jäger war auch anwesend und hat am Ende darum gebeten, Verbesserungsvorschläge unter der Adresse dsim@schachbund.de einzureichen. Zwei Punkte sind mir schon während des Turniers aufgefallen: Es ist sehr ungewohnt, eine Tabelle bzw. die Teilnehmerliste anzuschauen und dort nicht die echten Namen zu sehen, sondern die zum Teil doch sehr kryptischen Benutzernamen. Außerdem weiß man normalerweise zumindest in etwa, wie stark der Gegner ist, weil man entweder die DWZ oder die Elo-Zahl einsehen kann, während die Online-Zahlen nicht besonders aussagekräftig sind – insbesondere nicht bei den Benutzernamen, die nur für die DSIM angelegt wurden und deshalb mit „1620“ bewertet waren.
Aber das sind Kleinigkeiten, die man problemlos noch verbessern könnte. Alles in allem kann man die DSIM jetzt schon als Erfolg betrachten, wobei sicherlich die aktuelle Situation rund um das Corona-Virus dazu beigetragen hat, dass die Teilnehmerzahl über den Erwartungen liegt. Schach ist vermutlich die einzige Sportart in Deutschland, die zurzeit eine offizielle nationale Meisterschaft austrägt und eine Art Vereinsbetrieb erlaubt – mit diesem Pfund sollten wir wuchern!
Nun noch die Erläuterung, warum es zwei Jahre gedauert hat, bis die an sich naheliegende Idee einer DSIM endlich umgesetzt werden konnte: Beim Deutschen Schachbund werden alle wichtigen Entscheidungen (also haushaltsrelevante oder solche, die die Satzung oder die Turnierordnung betreffen) durch die Mitglieder getroffen. Das sind die Landesverbände, deren Vertreter sich zweimal im Jahr beim Hauptausschuss bzw. beim Kongress treffen. Das DSB-Präsidium kann in der Zwischenzeit nur über Sachverhalte entscheiden, die sich auf die Geschäftsstelle oder das Tagesgeschäft beziehen und die durch die Haushaltsplanung gedeckt sind. Im Einzelfall kann davon abgewichen werden, wenn es nicht opportun ist, mehrere Monate mit der Entscheidung zu warten, aber dann kann diese Entscheidung im Nachhinein vom übergeordneten Gremium auch wieder rückgängig gemacht werden. Im Fall der DSIM und der DWZ-Lizenz war der zeitliche Ablauf wie folgt: Auf dem Hauptausschuss in Berlin im Mai 2018 wurde das Konzept vorgestellt und ein Meinungsbild über die Erfolgsaussichten entsprechender Anträge eingeholt, auf dem nächsten Hauptausschuss in Eisenach im November 2018 wurde der Antrag zur DSIM genehmigt und der zur DWZ-Lizenz zur Überarbeitung an das Präsidium zurückgegeben und auf dem Kongress in Magdeburg im Juni 2019 wurde die DWZ-Lizenz dann abgelehnt. In den Monaten danach hat sich das neue Präsidium eingearbeitet und es gab wichtigere Themen, so dass wir uns Ende des Jahres dann um die konkrete Ausrichtung der DSIM kümmern konnten, die jetzt stattfindet. Das ist ein langer Weg für einen relativ kleinen Schritt in die richtige Richtung – aber gleichzeitig ein sehr gutes Beispiel für die Struktur und die Entscheidungswege des Deutschen Schachbundes. Es ist natürlich gut und richtig, dass die Mitglieder über grundsätzliche Fragen entscheiden, aber die Tatsache, dass das nur zweimal im Jahr geschehen kann, ist manchmal nicht besonders hilfreich, wenn man Dinge verändern möchte. Vielleicht sollte man bei der für 2021 angedachten Satzungsreform dieses Thema auch berücksichtigen.
Ich freue mich auf die nächste Vorrunde der DSIM am kommenden Samstag, den 21. März um 20 Uhr und hoffe auf eine nochmalige Steigerung der Teilnehmerzahl!
Ullrich Krause
Präsident des Deutschen Schachbundes
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 10365