23. Mai 2016
Das WM-Duell mit Bobby Fischer fand nie statt. Anatoli Karpow wurde kampflos Schach-Weltmeister und trauert auch als 65-Jähriger diesem verpassten Zweikampf etwas hinterher.
Moskau (dpa) - An das Schach-Duell des Jahrhunderts zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski 1972 in Reykjavík erinnerte erst kürzlich ein Kinofilm. Dass der exzentrische Sieger Fischer drei Jahre später zur Titelverteidigung gegen Anatoli Karpow nicht antrat und dem Russen die Schachkrone kampflos zufiel, bedauert Karpow noch heute. «Unser nicht gespieltes Match ist ein Versäumnis der Schachgeschichte», sagte der frühere Weltmeister, der am Montag seinen 65. Geburtstag feiert.
Auch ohne diesen verpassten Zweikampf zählt Karpow zu den stärksten Großmeistern überhaupt. Er ist der 12. Champion der Schach-Historie und regierte von 1975 bis 1985 in überlegener Manier, ehe er von seinem sowjetischen Landsmann Garri Kasparow entthront wurde. Die beiden «K» trafen von 1984 bis 1990 fünfmal in WM-Kämpfen aufeinander. Ab 1993 vermarktete Kasparow seine klassische Schachkrone privat, während Karpow von diesem Zeitpunkt bis 1999 mehrmals den Titel des Weltverbandes FIDE errang.
Der aus Slatoust im Ural stammende Karpow erhielt wegen seines überragenden Talents schon früh jede Förderung im schachverrückten Russland. So besuchte er die berühmte Schule von Ex-Weltmeister Michail Botwinnik in Moskau. 1969 wurde er Juniorenweltmeister und gewann später dreimal die sowjetische Meisterschaft, das seinerzeit schwerste Turnier der Welt.
Der Russe bestritt in seiner Karriere zehn WM-Zweikämpfe, wobei die fünf Duelle zwischen Karpow und Kasparow als episches Ringen über 144 Partien ins Guinness-Buch der Rekorde eingingen. Mit mehr als 160 Turniersiegen hält der Figurenkünstler ebenfalls eine Bestmarke für die Ewigkeit. Achtmal wurde Karpow mit dem Schach-Oscar für den besten Spieler des Jahres geehrt.
Millionen Schachspieler in aller Welt lernten und lernen von Karpows brillanten Partien. «Meine Figuren standen meist richtig», erklärte der Jubilar. Heute setzt sich der Moskauer nur noch selten ans Brett, ihm fehlt die Zeit. Er ist Duma-Abgeordneter und seit langem UNESCO-Botschafter sowie Präsident des Russischen Friedensfonds. Neben dem Schach hat Karpow eine zweite Leidenschaft. Er sammelt seit der Jugend Briefmarken, seine Kollektion soll einen unschätzbaren Wert besitzen.
Anatoli Karpow auf der FIDE-Homepage
Dagobert Kohlmeyer/dpa
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