11. November 2013
Spanien – Land der Sonne und der Orangen, und seit einigen langen Jahren auch Angstgegner aller deutschen Nationalmannschaften. Im Fußball scheitern Jogis Mannen mit Vorliebe gegen die Iberer (oder die Italiener), im Handball ist Spanien eine Macht, und so wie es aussieht, ist auch im Schach, dem Sport unserer Herzen, Spanien mindestens eine ebenso große Nummer wie Deutschland. Und warum auch nicht? In der Setzliste stehen die Südeuropäer mit Platz elf praktisch genau so weit oben wie unser Team, und ebendies bestätigten sie auch heute in einem passabel geführten Mannschaftskampf.
Nach einem frühen Schwarz-Remis von Arkadij Naiditsch gegen Vallejo Pons ging das Ringen an den anderen drei Brettern noch einige Zeit weiter. Daniel Fridman sicherte sich ein leichtes optisches Übergewicht, das aber am Ende bei knapper Zeit in ein Remis mündete. Sehr schön der Sieg von Georg Meier gegen Miguel Illescas Cordoba (wenn DAS mal kein schöner spanischer Name ist – Caramba!), doch leider blieb Igor Khenkin in einem trüben Endspiel gegen Oleg Kornejew (noch so ein schöner spanischer Name!) hängen und gab sich im 41. Zug geschlagen. Schade, 2: 2 gegen Spanien, aber so ist das nun mal – nicht jedes Mal steht am Ende ein Mannschaftssieg. Zumindest können wir sicher sein, dass heute Abend in ganz Spanien gefeiert wird, denn ein Remis im Classico gegen den amtierenden Europameister, das gelingt einem ja auch nicht alle Tage.
Br. | Spanien | Elo | 2:2 | Deutschland | Elo |
---|---|---|---|---|---|
10.1 | GM Francisco Vallejo Pons | 2705 | ½:½ | GM Arkadij Naiditsch | 2727 |
10.2 | GM Miguel Illescas Cordoba | 2614 | 0:1 | GM Georg Meier | 2623 |
10.3 | GM Oleg Kornejew | 2637 | 1:0 | GM Igor Khenkin | 2612 |
10.4 | GM Renier Vazquez Igarza | 2588 | ½:½ | GM Daniel Fridman | 2600 |
Überhaupt ist es bisher die EM der nicht erfüllten Erwartungen. So erwartete ich für heute wieder um 15 Uhr den Rundenbeginn, musste dann aber feststellen, dass es erst um 17 Uhr losgeht – Feiertag in Polen! Auch die Russen werden sich das Turnier anders ausgedacht haben – immerhin verloren sie mit einem eigentlich ganz menschlichen 1,5:2,5 gleich in der zweiten Runde gegen die Türkei und fielen dadurch erst einmal ins graue Mittelfeld zurück.
Wie hat die Türkei das nur geschafft? Durch bärenstarke Züge natürlich, aber auch geschickte Personalpolitik mag einer der Gründe gewesen sein, denn mit Alexander Ipatov und Dragan Solak sitzen zwei Spieler an den vorderen Brettern, die eigentlich bis vor Kurzem noch für ganz andere Länder aufgelaufen waren. Schach-Türken, sozusagen, und die haben ja in der Geschichte schon eine lange Tradition. Gegen Russland passte alles zusammen – leider wurde die Türkei in den nächsten beiden Runden erst von Tschechien und heute dann von Weißrussland auf den Boden der Tatsachen geholt. Doch sei's drum, der Sieg gegen Russland bleibt ein Highlight!
An der Spitze des Feldes steht bei den Herren die Équipe aus Frankreich – heute bezwangen sie Tschechien knapp mit 2,5:1,5. Dem Werderaner Romain Edouard fiel dabei die unangenehme Aufgabe zu, gegen seinen Teamkollegen Zbynek Hracek den entscheidenden Punkt zu machen – keine einfache Situation, aber doch auch wenn Edouard eigentlich sehr gerne Werderaner ist, so ist er vermutlich noch viel lieber Franzose und gewann also solcher heute auch gerne seine Partie.
Frankreich also erst einmal on top, und gleich dahinter möglicherweise die Griechen, die zum Zeitpunkt der Drucklegung für diesen Bericht gerade am 2,5:1,5 gegen Georgien feilten. Und auch wenn wir eigentlich nichts gegen Georgien haben und sogar große Liebhaber georgischer Namen sind (Gaprindaschwili! Schewardnadse! Kobiaschwili!), wollen wir doch nicht vergessen, dass sie in der zweiten Runde mal so glatt gegen die deutschen Herren gewannen. Das geht natürlich nicht, und so erlauben wir uns, heute einmal ganz parteiisch den Griechen die Daumen zu drücken. Hopp auf!
Die deutschen Herren also aktuell mit 4 aus 8 Punkten in der Mitte des Feldes. Aber wir rechnen hoch und stellen fest: wenn von nun an alle Begegnungen gewonnen werden, sind noch 14 Punkte möglich – es bleibt also spannend.
Gerne aber schauen wir auch hinüber zum Damenturnier, in dem Elisabeth Pähtz (3 aus 4) und Ketino Kachiani-Gersinska (2,5 aus 3) bislang beeindruckend punkteten, nur noch überholt von Marta Michna, die am 4. Brett all ihre drei Partien gewinnen konnte. Die deutschen Damen haben nach einem kleinen 1,5:2,5–Malheur zum Auftakt gegen Griechenland mit einer leichten Schachwut im Bauch dreimal in Folge gewonnen und klopfen nach dem heutigen 2,5:1,5 gegen Litauen nun an den oberen Brettern an. Wer dort schon wartet, sehen wir morgen – vielleicht Armenien, vielleicht Russland, und dann ist erstmal Ruhetag in Warschau. Daumen gedrückt also für die 5. Runde!
Br. | Litauen | Elo | 1½:2½ | Deutschland | Elo |
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5.1 | GM Viktorija Cmilyte | 2506 | ½:½ | IM Elisabeth Pähtz | 2449 |
5.2 | WGM Deimante Daulyte | 2336 | 1:0 | WGM Zoya Schleining | 2379 |
5.3 | WIM Salomeja Zaksaite | 2200 | 0:1 | IM Ketino Kachiani-Gersinska | 2365 |
5.4 | Dominyka Batkovskyte | 2111 | 0:1 | WGM Marta Michna | 2357 |
Olaf Steffens
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Live-Partien mit Klaus Bischoff (deutsche Partien) | Alternativlink
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Ergebnisse Chess Results: Männer | Frauen
Olaf Steffens ist FIDE-Meister, wohnt in Bremen und spielt dort für den SV Werder in der Zweiten Bundesliga. Obwohl das Schachspiel eigentlich viel zu schwierig für ihn ist, versucht er es immer wieder und schreibt darüber zusammen mit anderen auf www.schach-welt.de.
Während der Europameisterschaft in Warschau schreibt er für den Deutschen Schachbund.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9238