21. November 2014
Nach der vierten Runde ist das erwartete Kräfteverhältnis hergestellt. Die stärkste deutsche Spielerin Elisabeth Pähtz führt die Tabelle an. Wer den Schachsport ernsthaft betreibt, weiß jedoch, dass die Dinge nicht immer so einfach sind. Als Nummer 1 der Favoritenrolle gerecht zu werden, ist psychologisch eine schwere Herausforderung, die Elisabeth bisher sehr gut meistert. Durch ihren Sieg konnte sie sich von ihren bisherigen Konkurrentinnen mit gleichem Punktestand leicht absetzen.
Elisabeth hat jetzt einen halben Punkt Vorsprung auf Melanie Ohme und Marta Michna, die sich in einer spannenden Partie Remis trennten.
Zu den einzelnen Partien:
Der zweite Punkt für Hanna Marie mit Weiß und die zweite Niederlage für Zoya in Folge. So starten Serien. Für Zoya hoffe ich aber sehr, dass diese Doppelnull kein Indiz für einen schlechten Lauf ist, sondern sie ihre Stärke aus den ersten beiden Runden zurück gewinnt. Heute war sie auf jeden Fall kurz davor ihren dritten Punkt einzusammeln und mit Elisabeth den ersten Platz zu belegen. In einem unübersichtlichen Sizilianer wählte Hanna Marie einen Aufbau mit Df3. Diese Idee schien sich zunächst zu bewähren, bis sie im 17. Zug einen Gewinn mit La5 verpasste. Es wurde also die erhoffte spannende Partie, in der Weiß mit der gesamten Bauernmacht den Königsflügel stürmte und selber lang rochierte. Dieser Angriff, wenn auch sehr beeindruckend, schlug zunächst nicht durch und so sah sich Hanna Marie ihrerseits einem Figurenangriff von Zoya gegen den eigenen König gegenüber. Einige schwierige Entscheidungen später hatte Zoya eine gewonnene Stellung auf dem Brett, aber bedenklich wenig Zeit auf der Uhr. Sie opferte eine Figur, um anschließend Matt zu setzen. Was Zoya nicht sah, dass diese Figur mit Schach geschlagen werden konnte, dieses Tempo war entscheiden und so wurde aus einem Figurenopfer ein fataler Figureneinsteller. Beide stehen mit 2 Punkten gut da.
Der spannendste Teil der Partie war die Eröffnung. In der Philidor-Variante, die Ketino überraschend wählte, packte Sarah im fünften Zug g4 aus und bot diesen Bauer zum Opfer an. Ein Opfer, das sie eigentlich für Filiz vorbereitet hatte. Ketino lehnte das Opfer ab, indem sie im Zentrum mit d5! ein Gegenopfer anbrachte. Die anschließenden Komplikationen konnten von beiden nur durch Einsatz von viel Bedenkzeit gelöst werden. Beide Seiten hatten zahlreiche Alternativen, von der keine zwingend besser war, als die jeweils gewählte Fortsetzung. Vor allem die Idee g7-g5 statt des Schlagens auf d5 schien jedoch in der Analyse mit den Spielerinnen ein sinnvolles Konzept gewesen sein.
Als einen zentralen Fehler sahen beide das Tauschen des Läufer seitens Ketinos auf f1 an. Stattdessen wäre es ausnahmsweise gut gewesen das Läuferpaar des Gegners nicht zu halbieren und zum Rückzug zu blasen. Auch wenn der Rechner wohl immer noch die Chancen als ausgeglichen ansah, war die Stellung für Ketino fortan schwer zu verteidigen. Nachdem der erste Bauer von Ketino ersatzlos das Zeitliche segnete, war die Niederlage im Doppelturm-Dame-Endspiel nicht mehr zu verhindern.
Wer konnte mit dieser Punkteteilung eigentlich besser leben? Diese Frage war nicht wirklich zu klären. Die eindeutigere Gewinnchance hatte zeitweise wohl Tatjana, aber auch Judith war bei Weitem nicht ohne Selbige ausgestattet. So war die Eröffnung wohl ganz gut für die junge Schach-Hamburgerin gelaufen, bis sie den falschen Plan Td5-Th5 wählte anstatt den Läufer zentral auf dem Feld d5 zu postieren. Tatjana nutze diese Spielweise zunächst sehr gekonnt aus und legt den Finger in die Wunden der schwarzen Stellung. Es kam wie es kommen musste, Judith stand mit dem Rücken zur Wand und sah bereits den einen oder anderen Weg, wie Tatjana ihr Spiel hätte bestrafen können. Irgendwie ging der Kelch des schnellen Verlustes an Judith vorüber, stattdessen stellte Tatjana einen Bauern (nicht irgendeinen Bauern) ein und das Blatt begann sich zu wenden. Auf ein Mal war Judith obenauf und machte Druck. Aber auch hier konnte sich Tatjana wieder auf ihre Verteidigungskunst verlassen und besinnen. Sie wickelte in ein leicht schlechteres aber nicht sonderlich schwer zu haltendes Endspiel ab. Nach wenigen weiteren Zügen hatte Judith genug gesehen und nahm das Remisangebot von Tatjana an.
Die stärkste gegen die jüngste Teilnehmerin taufte Ihr Berichterstatter diese Paarung. Filiz spielte bisher überzeugendes Schach und auch in dieser Partie hielt die junge Lokalmaterdorin gut mit. Vermutlich hatte sie, nachdem Elisabeth eine bessere Stellung hergab, sogar einen Vorteil. Diesen konnte sie in Zeitnot jedoch nicht festhalten. In einer vermutlich ausgeglichenen, aber nicht mehr einfach zu spielenden Stellung machte Elisabeth weiter Druck gegen Filiz Stellung. Diesem Druck musste Filiz Tribut zollen und verlor die Partie kurz vor der Zeitkontrolle.
Elisabeth stellte sich, wie viele andere Damen netterweise auch, noch den Fragen des Kommentators. Dieser war mal wieder beeindruckt von dem Stellungsverständnis, mit dem Elisabeth ihre Partien analysiert und entsprechend auch spielt. Gut gelaunt gab sie Einblick in ihre Gedanken während der Partie und freimütig auch den einen oder anderen Fehler zu. Auf die Frage, mit wie vielen Punkten man das Turnier gewinnt sagte sie: „6,5, sehr wahrscheinlich aber 6 Punkte sollten reichen.“ Heißt es also noch 3 Punkte bis zum Turniersieg? Als Schachprofi wird Elisabeth sicherlich nicht in diese Falle tappen. Am Freitag ist die nächste Runde, die gewonnen werden will.
Noch habe ich die Partie der beiden nicht durch die Engine gejagt und somit ist eine endgültige und eindeutige Bewertung der Partie beinahe unmöglich. Eines ist aber klar: Hier ging die Party ab. Im zweiten Franzosen in der zweiten Schwarzpartie, profitierte Marta von einer Idee Kd7-Kc7-Kb8 im Mittelspiel, die sie bereits für die zweite Runde vorbereitet hatte. Melanie blieb cool und versuchte die etwas verschachtelte schwarze Figurenkonstruktion bzw. Konstellation durch solides Spiel zu bestrafen und brachte ihren König mit der langen Rochade in Sicherheit...so zumindest der Plan. Marta hatte jedoch andere Pläne und entkorkte ein Figurenopfer, das Melanie vor große Probleme stellte. Das Vorzeichen änderte sich und Marta gewann die Oberhand. Melanie verteidigte sich zäh und ließ keinen offensichtlichen „Aus-Macher“ zu. Aber auch Martas Spiel war stark indem sie nicht versuchte auf Krampf zu gewinnen, sondern weiter kleine Vorteile anhäufte. Das alles mündete in einem Springer/Dame-Endspiel, in dem Marta zwei Bauern mehr hatte, dafür konnte Melanie jedoch auf einen gefährlich Bauer auf f7 verweisen. Trotzdem bot sich hier für Marta die Chance, im 40. Zug, auf die sie die ganze Partie hingearbeitet hatte. Durch einen Damentausch und die sofortige Aktivierung des Königs hätte Marta die Partie für sich entscheiden können.
Die Chance wurde verpasst und so behielt Marta weiter einen Vorteil, wie sie diesen hätte verwerten können, blieb jedoch bei der Analyse für das schach.de-Publikum verborgen.
Ein besonderer Dank gebührt FM Roland Voigt, der sich als Co-Kommentator zur Verfügung stellte.
Heute selbe Stelle selbe Welle, um 14 Uhr auf schach.de geht es weiter!
Pl. | Spielerin | DWZ | Elo | Verein | Pkt. | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 |
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1. | IM Elisabeth Pähtz | 2470 | 2480 | SV Hockenheim | 3,0 | x | ½ | ½ | 1 | 1 | |||||
2. | WGM Melanie Ohme | 2322 | 2322 | SF Neuberg | 2,5 | ½ | x | ½ | 1 | ½ | |||||
3. | WGM Marta Michna | 2287 | 2343 | SK Norderstedt | 2,5 | ½ | ½ | x | ½ | 1 | |||||
4. | Hanna Marie Klek | 2223 | 2219 | SC Erlangen | 2,0 | 0 | 0 | x | 1 | 1 | |||||
5. | WGM Zoya Schleining | 2318 | 2351 | SV Letmathe | 2,0 | 0 | x | 1 | 0 | 1 | |||||
6. | WGM Sarah Hoolt | 2312 | 2334 | Spfrd. Katernberg | 2,0 | ½ | x | 0 | 1 | ½ | |||||
7. | WIM Filiz Osmanodja | 2297 | 2322 | USV TU Dresden | 1,5 | 0 | 0 | 1 | x | ½ | |||||
7. | IM Ketino Kachiani-Gersinska | 2282 | 2343 | OSG Baden-Baden | 1,5 | 0 | 1 | 0 | x | ½ | |||||
9. | WGM Tatjana Melamed | 2315 | 2323 | AE Magdeburg | 1,5 | ½ | 0 | ½ | x | ½ | |||||
10. | WIM Judith Fuchs | 2271 | 2289 | Hamburger SK | 1,5 | 0 | ½ | ½ | ½ | x |
Jonathan Carlstedt
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19139