19. November 2014
Nach dem ersten Drittel der German Masters der Frauen in Dresden führt ein Quartett das ausgeglichene Feld an. Dieses Quartett besteht aus der deutschen Nummer 1 Elisabeth Pähtz, der wiedererstarkten Marta Michna, Nationalspielerin Melanie Ohme und der ehemaligen Miss-100% Zoya Schleining.
Für die Ausgeglichenheit des Feldes spricht, dass diese Damen mit 2 aus 3 den geteilten ersten Platz einnehmen und dass man bereits mit einem Punkt weniger den geteilten letzten Platz ziert. Leid und Freud sind also nah beisammen im Wyndham Garden Hotel und somit ist noch niemand im Rennen um den Preisfonds von insgesamt 10.000 Euro chancenlos. Jede Spielerin kann sich mit einem Sieg in eine aussichtsreiche Position bringen. Die nächsten Tage werden die Sicht auf die Dinge klarer machen. Aber jetzt erstmal zu den einzelnen Partien.
Eine der beiden entschiedenen Partien des Tages. Melanie mit den weißen Steinen überraschte ihre Gegner mit dem Aufbau c3-d4 im Italiener, wurde aber ihrerseits überrascht, dass Hanna Marie keine Probleme hatte, auch auf Melanies Abweichung von früheren Partien schnell und richtig zu reagieren. „Da habe ich mich ein wenig selber ausgetrickst“ sagte die junge Noch-Studentin nach der Partie zu ihrem Eröffnungsexperiment. Spätestens nach Se7 war Melanie dann komplett raus und suchte nach einem Plan. Schließlich schaffte sie es zumindest in Strukturen zu kommen, die sie sich vor der Partie angeschaut hatte. Trotzdem hatte Hanna Marie in der Partie keine echten Probleme und ihre Bauernstruktur schien leicht besser als die von Melanie. Das alles hielt Melanie wiederum nicht davon ab, die Politik der leichten Nadelstiche zu verfolgen und immer wieder Probleme zu stellen. Hanna Maries Zeit schmolz dahin, bis sie um den 30. Zug bereits in Zeitnot war und auch die Stellung zu kippen drohte. Kurz vor der Zeitnot verlor Hanna Marie dann sogar auf Zeit, da jedoch bereits in sehr schlechter Stellung.
Marta wusste wieder zu überraschen. Diesmal übernahm eine Art geschlossener Sizilianer die Aufgabe der Überraschungswaffe und brachte Elisabeth zum Nachdenken. Die war mit ihrem Aufbau gegen Martas System in der Eröffnung nicht ganz zufrieden, bis Marta dann überraschend in einen offenen Sizilianer überging. Vermutlich nicht die optimale Entscheidung, da als Alternative eine gute Version eines normalen geschlossen Sizilianers zur Verfügung stand.
All das kümmerte Marta während der Partie jedoch nur bedingt und so steckte sie schnell eine Figur ins Geschäft, die Elisabeth nach einem „Verrechner“ dazu zwang die Dame und 2 Bauern für 3 Figuren zu geben. Auch wenn Elisabeth gefühlt eine Menge Kompensation für die leichte materielle Schieflage hatte, gab es wohl ein bis zwei Stellen an denen Marta ihren Vorteil hätte entscheidend ausbauen können. Bei knapper werdender Zeit entschied sie sich jedoch die angebotene Zugwiederholung mitzunehmen.
Nach einer Weile und bereits abgeschlossener Analyse für das schach.de-Publikum stürmte Marta dann den Kommentatoren-Raum mit den Worten „Db5 unglaublich, Db5 gewinnt“ Gemeint war eine Abweichung von der Zugwiederholung und anscheinend hätte diese tatsächlich gute, wenn auch nicht einfache, Gewinnchancen geboten, wenn man der nachfolgenden Analyse glauben darf.
Trotzdem eine gerechte Punkteteilung, die beiden nichts kaputt macht.
Während der Kommentator schon das Trauerlied auf Filiz sang, die er am Rande der Niederlage sah, kam das Zeichen aus dem „Off“, dass sich Tatjana und Filiz in der längsten Partie des Tages Remis getrennt hatten und somit einen entsetzten Jonathan Carlstedt zurück ließen. Die anschließende Analyse, die beide, trotz mehr als 5,5 Stunden Spielzeit über sich ergehen ließen, zeigte einen Remisweg mit vielen einzigen, aber nicht einfach zu findenden Zügen für Filiz. Tatjana, hatte das anscheinend etwas einfacher eingeschätzt und war nach Stunden zäher Verteidigung über den halben Punkt sehr froh, dachte ich. „Zufrieden? Vermutlich hätte ich verlieren können, also kann ich nicht zufrieden sein“ legte Tatjana mir beim Abendbrot ihre Einstellung dar, die dem Berichterstatter großen Respekt abnötigte.
Zuvor war die Partie eine einseitige Angelegenheit. In einem Sizilianer spielte Filiz eine neue Idee, in einer Stellung die Tatjana mal wieder bis tief ins Mittelspiel bekannt war. Tatjana gab offen zu, dass sie dagegen kein Konzept fand und sah sich wenig später mit einer zumindest optisch aussichtslosen Situation konfrontiert. Die Stellung bot jedoch mehr Ressourcen als viele zunächst vermuteten. Dass Tatjana sogar noch Gewinnchancen im Endspiel hatte, war auch der Zeitnot von Filiz geschuldet.
Am Ende stand eine hochinteressante Partie, die man wohl noch Stunden analysieren könnte ohne über Zug 20 der Partie hinaus zu kommen. Somit ist, wenn auch eher ungewöhnlich in einer solchen Situation, ein Dank an beide Spielerinnen für diese tolle Partie angebracht.
Für einen Schlag setzte das Herz des Kommentators aus, als Sarah eine Figur „einstellte“. Alles gekonnt stellte sich später heraus. Sarah wich relativ spät, mit d5, von einer ihrer bereits gespielten Partien ab. Etwas später waren dann beide aus dem Buch, doch Sarah kannte die Idee des Figurenopfers mit anschließender Zugwiederholung noch. Judith nahm das Opfer an, willigte in die Wiederholung an und sorgte somit für das erste Remis des Tages.
Jede kann Jede schlagen, so hätte der Untertitel dieses Turniers lauten können. Den Beweis trat in der dritten Runde Ketino gegen Zoya an. Denn der Untertitel dieses Kampfes lautete Letzte gegen Erste. Aber nach zwei Runden ist das nicht sonderlich aussagekräftig und das stellte Ketino in beeindruckender Art und Weise dar. Ein Holländer seitens Zoyas wurde mit frühen b4 am Damenflügel attackiert. Dieses Konzept stellte sich als stark heraus, als auf ein Mal die schwarzen Figuren bewegungslos standen und Weiß entspannt den Raumvorteil mit allen Leichtfiguren ausnutzen konnte.
Eine starke Leistung von Ketino, die sich somit zurück ins Turnier spielte und nun ein Teil der direkten Verfolgergruppe ist.
Morgen um 14 Uhr startet die 4. Runde, seit live dabei auf schach.de!
Pl. | Spielerin | DWZ | Elo | Verein | Pkt. | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1. | WGM Zoya Schleining | 2318 | 2351 | SV Letmathe | 2,0 | x | 0 | 1 | 1 | ||||||
2. | IM Elisabeth Pähtz | 2470 | 2480 | SV Hockenheim | 2,0 | x | ½ | ½ | 1 | ||||||
3. | WGM Melanie Ohme | 2322 | 2322 | SF Neuberg | 2,0 | ½ | x | 1 | ½ | ||||||
3. | WGM Marta Michna | 2287 | 2343 | SK Norderstedt | 2,0 | ½ | x | 1 | ½ | ||||||
5. | IM Ketino Kachiani-Gersinska | 2282 | 2343 | OSG Baden-Baden | 1,5 | 1 | x | 0 | ½ | ||||||
6. | WIM Filiz Osmanodja | 2297 | 2322 | USV TU Dresden | 1,5 | 0 | x | ½ | 1 | ||||||
7. | Hanna Marie Klek | 2223 | 2219 | SC Erlangen | 1,0 | 0 | 0 | 1 | x | ||||||
8. | WGM Tatjana Melamed | 2315 | 2323 | AE Magdeburg | 1,0 | ½ | 0 | ½ | x | ||||||
9. | WGM Sarah Hoolt | 2312 | 2334 | Spfrd. Katernberg | 1,0 | ½ | 0 | x | ½ | ||||||
10. | WIM Judith Fuchs | 2271 | 2289 | Hamburger SK | 1,0 | 0 | ½ | ½ | x |
Jonathan Carlstedt
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19131