19. Juni 2021
Gestern erhielten wir die traurige Nachricht vom Tod des ersten deutschen Fernschach-Weltmeisters Horst Rittner. Er verstarb in der Nacht zu Montag, dem 14. Juni in Berlin im Alter von fast 91 Jahren. Der Deutsche Schachbund bedauert diesen Verlust zutiefst und spricht seiner Familie sein aufrichtiges Mitgefühl aus.
Rittner, der auch am Brett ein starker Schachspieler und mehrfacher DDR-Mannschaftsmeister war, spielte sich schnell in die Weltspitze im Fernschach. 1956 wurde er gesamtdeutscher Fernschach-Meister, 1961 wurde er Fernschach-Großmeister und 1966 gewann er das starkbesetzte Ragosin-Gedenkturnier. Der Höhepunkt seiner Fernschachkarriere war aber der Weltmeistertitel im September 1971 nach über drei Jahren Spielzeit.
Dem internationalen Fernschachverband ICCF gehörte Rittner von 1956 bis 1991 als Vizepräsident und Vorsitzender der Qualifikationskommission an. Für seine Verdienste verlieh ihm die ICCF 1979 die Ehrenmitgliedschaft. Im Mai 2002 wurde er vom Deutschen Schachbund zum 125-jährigen Jubiläum des Bundes mit einer Ehrenurkunde ausgezeichnet.
Trotz einer Ausbildung zum Bankkaufmann machte Horst Rittner sein Hobby zum Beruf. 1954 war er hauptamtlicher Generalsekretär des Deutschen Schachverbandes der DDR, einige Jahre später wurde er Trainer beim TSC Berlin. Von 1965 bis 1991 war er Chefredakteur der Zeitschrift SCHACH, die danach von GM Raj Tischbierek weitergeführt wurde. Im DDR-Fernsehen war Rittner Moderator der spätabendlichen Schachsendungen und damit das Pendant zu Dr. Helmut Pfleger im Fernsehprogramm der Bundesrepublik.
Dem Fernschach blieb er trotz der vielen Verpflichtungen über Jahrzehnte treu. Ich lernte ihn 1988 erstmals persönlich kennen, nachdem ich mich bei der DDR-Fernschachkommission als Turnierleiter beworben hatte. Wir trafen uns in einem Café vis-a-vis vom Bahnhof Berlin-Schöneweide. Es war mir eine Ehre schon so früh diesen berühmten Schachspieler kennengelernt zu haben - und leider viel zu selten danach wiedergetroffen.
Wie uns der Präsident des Deutschen Fernschachbundes, Manfred Scheiba, mitteilte, plant die ICCF ein Gedenkturnier für Horst Rittner. Nachfolgend werfen wir einen Blick zurück auf seinen größten Erfolg vor 50 Jahren:
Pl. | Name | Land | Pkt. | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
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1. | Horst Robert Rittner | 12,5 | x | ½ | 1 | 1 | ½ | 1 | 1 | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | ½ | 1 | 1 | |
2. | Wladimir Sagorowski | 12,0 | ½ | x | ½ | 1 | ½ | ½ | 1 | ½ | 1 | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | |
3. | Jakow Estrin | 10,0 | 0 | ½ | x | 1 | ½ | 0 | ½ | 1 | 1 | ½ | 1 | 1 | 0 | 1 | 1 | 1 | |
4. | Erich Thiele | 9,0 | 0 | 0 | 0 | x | 1 | 0 | 1 | 0 | ½ | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | |
5. | Grigori Sanakojew | 8,5 | ½ | ½ | ½ | 0 | x | 1 | 0 | ½ | ½ | 1 | ½ | ½ | 1 | 1 | 0 | 1 | |
6. | John Vincent Kellner | 8,5 | 0 | ½ | 1 | 1 | 0 | x | ½ | 1 | 0 | 0 | 1 | 0 | 1 | 1 | ½ | 1 | |
7. | Dieter Stern | 8,5 | 0 | 0 | ½ | 0 | 1 | ½ | x | 1 | ½ | ½ | 0 | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | |
8. | Jaroslav Hybl | CSR | 7,5 | ½ | ½ | 0 | 1 | ½ | 0 | 0 | x | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | ½ | ½ | 1 |
9. | Risto Kauranen | 7,0 | ½ | 0 | 0 | ½ | ½ | 1 | ½ | ½ | x | ½ | ½ | 0 | ½ | 1 | 0 | 1 | |
10. | Sture Nyman | 7,0 | 0 | 0 | ½ | 0 | 0 | 1 | ½ | ½ | ½ | x | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | |
11. | Heinz de Carbonnel | 6,0 | 0 | ½ | 0 | ½ | ½ | 0 | 1 | ½ | ½ | ½ | x | 0 | 1 | ½ | ½ | 0 | |
12. | Norbert Karker | 6,0 | 0 | 0 | 0 | 0 | ½ | 1 | ½ | 0 | 1 | ½ | 1 | x | 0 | 0 | 1 | ½ | |
13. | John Ljungdhal | 5,5 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | 0 | 1 | x | ½ | 1 | ½ | |
14. | Rudolf Sevecek | CSR | 5,0 | ½ | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | ½ | 0 | ½ | ½ | 1 | ½ | x | ½ | 1 |
15. | Sverre Aarseth | 4,0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | ½ | 0 | ½ | 1 | 0 | ½ | 0 | 0 | ½ | x | 0 | |
16. | Cor Jansen | 3,0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | ½ | ½ | 0 | 1 | x |
Im Juli 1968 startete das Finale der VI. Fernschach-Weltmeisterschaft; im September 1971 fand es seinen Abschluß, nachdem die letzte Partie Sagorowski-Hybl remis abgeschätzt wurde (Hybl stand etwas besser). Der neue Fernschach-Weltmeister heißt Horst Rittner - verantwortlicher Redakteur unserer Zeitschrift SCHACH.
Glückwünsche und Anerkennung ihm für die großartige Leistung, aber auch Gratulation an Exweltmeister Sagorowski, der gleichfalls ungeschlagen blieb, und dessen Resultat im „Normalfalle" eigentlich für den Turniersieg hätte ausreichen müssen. Sagorowski brachte das Kunststück fertig, nach fünf Remisen zum Auftakt neun Partien hintereinander zu gewinnen, so daß bis zuletzt die Spannung erhalten blieb.
Überhaupt war die VI. Fernschach-Weltmeisterschaft durch ein Duell UdSSR-DDR gekennzeichnet Estrin, Thiele und Sanakojew belegten die nächsten Plätze. Europameister Erich Thiele aus Dresden erwarb als guter Vierter das Recht, an der nächsten Weltmeisterschaft teilnehmen zu dürfen. Er wollte eigentlich im VI. Finale noch höher einkommen, doch „zu großer Optimismus bei der Beurteilung der eigenen Positionen" verhinderte dies.
Zum Fernschach kam Horst Rittner im Jahre 1949, als 19-Jähriger. Den ersten Turniersieg errang er bald darauf in der Gruppe 20 der Fernturniere der damals in Leipzig erscheinenden „Deutschen Schachblätter". Wichtigste Stationen: 1956 Gewinn der gesamtdeutschen Meisterschaft; 1961 Großmeistertitel auf Grund des besten Resultates am Spitzenbrett der Fernschach-Olympiade (7½ aus 9); 1966 Sieg im Ragosin-Gedenkturnier der sowjetischen Föderation mit zwei Punkten Vorsprung vor Exweltmeister O'Kelly und Estrin. Wegen dieses Erfolges wurden H. Rittner und J. Estrin Freiplätze im Finale der VI. Fernschach-Weltmeisterschaft zuerkannt, ein durch den Ausgang der Weltmeisterschaft nachträglich als wohlbegründet einzuschätzender Beschluß des Weltfernschachbundes.
Horst Rittner nahm bisher an 30 Veranstaltungen des Fernschachs teil. Er spielte dabei 224 Partien, gewann 142, remisierte 66 und verlor 16. Diese Partienzahl über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren mag wenig erscheinen, aber der neue Weltmeister ist der Meinung, daß man sich bescheiden muß - höchstens 20 Partien gleichzeitig -, um gutes Fernschach zu spielen und tiefgründig analysieren zu können. Letztlich ist Fernschach sein Hobby, und der Beruf als Schachjournalist steht an erster Stelle.
Und wir wollen auch nicht vergessen, daß Horst Rittner seit 1959 Vizepräsident des Weltfernschachbundes (ICCF) und Vorsitzender der Qualifikationskommission ist und in der internationalen und nationalen Organisatiorusarbeit des Fernschachs unermüdlich wirkt.
[...]
Berthold Koch
Im September 1971 konnte die VI. Weltmeisterschaft im Fernschach abgeschlossen werden. Turniersieger und damit neuer Fernschach-Weltmeister wurde erstmalig ein Vertreter der DDR, Sportfreund Horst Rittner. Er erfüllte gleichzeitig zum dritten Mal die Norm eines Internationalen Fernschach-Großmeisters. Im Namen des Präsidiums des Deutschen Schachverbandes der DDR spreche ich Horst Rittner die herzlichsten Glückwünsche und hohe Anerkennung für seinen Erfolg aus. Nach zahlreichen bedeutenden Fernschacherfolgen konnte er nun die höchste Würde im Fernschach erringen. Wir sind stolz auf diesen Erfolg Sportfreund Rittners, den er nach hartem Kampf in dem rund drei Jahre dauernden Finale der VI. Fernschach-Weltmeisterschaft erreichte. Gleichzeitig mit der Gratulation möchte ich Horst Rittner die besten Wünsche für persönliches Wohlergehen und für sein Wirken als Fernschach-Weltmeister aussprechen.
Armin Heintze
Präsident des DSV
Zum Gewinn des Weltmeistertitels im Fernschach sind mir von Freunden, von Lesern der Zeitschrift SCHACH, von Zuschauern des Deutschen Fernsehfunks und Teilnehmern an der DFF-Fernpartie gegen Tigran Petrosjan sehr viele Gratulationen zugegangen. Es ist mir unmöglich, alle persönlich zu beantworten. Ich möchte mich auf diesem Wege für die Glückwünsche auf das herzlichste bedanken.
Horst Rittner
Horst Rittner in der Wikipedia | Horst Rittner 90 (Berliner Schachverband) | Nachruf bei ChessBase
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 10674